BERLIN (dpa) — Die EU-Staaten sind sich einig, dass ukrai­ni­sche Flücht­lin­ge aufge­nom­men werden sollen. Bei der Vertei­lung sieht es schon anders aus. Innen­mi­nis­te­rin Faeser sieht auch andere Natio­nen in der Pflicht.

Bundes­in­nen­mi­nis­te­rin Nancy Faeser hat eine faire Vertei­lung ukrai­ni­scher Flücht­lin­ge in der EU gefor­dert und zugleich Forde­run­gen nach einer besse­ren Koordi­nie­rung durch den Bund zurückgewiesen.

«Seit dem ersten Tag des Krieges koordi­nie­ren wir die Aufnah­me und Versor­gung der Geflüch­te­ten sehr eng mit den Ländern», sagte die SPD-Politi­ke­rin dem Redak­ti­ons­netz­werk Deutsch­land (RND). Erst am vergan­ge­nen Donners­tag habe Bundes­kanz­ler Olaf Scholz (SPD) erneut mit den Minis­ter­prä­si­den­ten über das Thema beraten.

Integra­ti­ons- und Sprach­kur­se würden bereits geöff­net, medizi­ni­sche Versor­gung und Arbeits­markt­zu­gang ermög­licht. «Wir sind viel besser aufge­stellt als wir es bei frühe­ren Flucht­be­we­gun­gen waren.»

EU rechnet mit bis zu zehn Millio­nen Flüchtlingen

Es habe nun absolu­te Priori­tät, für eine faire Vertei­lung in der gesam­ten EU zu sorgen, sagte Faeser weiter. Zwar gebe es einen Schul­ter­schluss zur gemein­sa­men Aufnah­me der Geflüch­te­ten in allen EU-Staaten. Doch diese Verein­ba­rung müssten «jetzt auch alle gemein­sam umset­zen». Das forde­re sie gemein­sam mit Frank­reich und Polen und berate sich dazu am Mittwoch abermals mit der EU-Innen­kom­mis­sa­rin Ylva Johans­son, sagte Faeser.

Zudem kündig­te sie an, am Donners­tag mit den Innen­mi­nis­tern der G7-Staaten darüber zu sprechen, «wie Geflüch­te­te auch in Staaten außer­halb der EU wie Kanada, den USA und Japan Schutz finden können».

Von den mehr als 44 Millio­nen Ukrai­nern sind nach UN-Angaben seit dem russi­schen Angriff mehr als drei Millio­nen ins Ausland geflo­hen. Die EU rechnet damit, dass es acht bis zehn Millio­nen werden. In Deutsch­land hat allein die Bundes­po­li­zei bisher mehr als 232.000 Flücht­lin­ge erfasst. Tatsäch­lich dürften es viel mehr sein, weil Ukrai­ner ohne Visum einrei­sen dürfen und es im Regel­fall keine festen Kontrol­len an den EU-Binnen­gren­zen gibt. Vor allem die Ballungs­zen­tren — an erster Stelle Berlin — sind stark belastet.

Mehr Steue­rung durch den Bund war unter anderem von der Union und den Grünen angemahnt worden. «Der Bund muss sich mehr in die Pflicht nehmen», sagte auch Thürin­gens Minis­ter­prä­si­dent Bodo Ramelow dem RND. Das gelte beson­ders für die Regis­trie­rung und Vertei­lung der Geflüch­te­ten. «Man kann das nicht Hamburg oder Berlin überlassen.»

Forde­rung nach Flüchtlingsgipfel

Die Regis­trie­rung aller Grund­da­ten dauere pro Person zwischen 30 und 60 Minuten, das solle der Bund mit Mitar­bei­tern des Bundes­am­tes für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge an zentra­len Ankunfts­or­ten überneh­men, damit auf dieser Grund­la­ge die Vertei­lung erfol­gen könne, erklär­te der Linken-Politiker.

Auch der Diako­nie-Präsi­dent Ulrich Lilie forder­te eine besse­re staat­li­che Planung, um möglichst gute Verein­ba­run­gen über eine sinnvol­le Vertei­lung und Finan­zie­rung zu treffen. «Für diese hochkom­ple­xe Aufga­be fordern wir einen Flücht­lings­gip­fel im Kanzler­amt, wo die Grund­stra­te­gie von Bund, Ländern, kommu­na­len Spitzen­ver­bän­den und den großen Sozial­or­ga­ni­sa­tio­nen gemein­sam abgespro­chen wird», sagte Lilie der «Welt».

Unbeglei­te­te Minder­jäh­ri­ge, Kranke, Alte und Trauma­ti­sier­te könne man nicht in ganz norma­le Sammel­un­ter­künf­te bringen. Die Ukrai­ne-Flucht treffe «auf ein deutsches Versor­gungs­sys­tem, das zwei Jahre Corona in den Knochen hat».

Famili­en­mi­nis­te­rin Anne Spiegel kündig­te an, den Schutz für geflüch­te­te Frauen und Kinder vor Menschen­han­del und insbe­son­de­re sexuel­ler Ausbeu­tung zu verstär­ken. «Schutz­zo­nen an Bahnhö­fen können dabei ein wichti­ges Instru­ment sein», sagte die Grünen-Politi­ke­rin der Funke-Medien­grup­pe (Mittwoch). Es liefen bereits Gesprä­che mit dem Bundes­in­nen­mi­nis­te­ri­um. Wichtig sei, dass das Einsatz­per­so­nal geschult und sensi­bi­li­siert sei, damit Betrof­fe­ne schnell identi­fi­ziert und Präven­ti­ons­ar­beit geleis­tet werden könne.