WIESBADEN (dpa) — Es sind Fragen, die alle bewegen seit Beginn der Pande­mie: Wie viele Menschen sterben «an» und wie viele «mit» Corona? Wer überlebt Covid-19 und wer nicht? Das Statis­ti­sche Bundes­amt hat die Zahlen.

Corona hat in Deutsch­land zu einer Übersterb­lich­keit geführt, aber nicht zu mehr Suizi­den. 70 Prozent der Covid-19-Toten 2020 war älter als 80 Jahre und vorerkrankt.

Jeder sechs­te Kranken­haus-Patient überleb­te die Krank­heit nicht. Und fast alle starben «an» und nur wenige «mit» Corona.

Das Statis­ti­sche Bundes­amt (Desta­tis) legte am Donners­tag eine ganze Reihe von Statis­ti­ken zur Corona-Pande­mie vor. Für eine Bilanz der Pande­mie sei es dennoch noch zu früh, sagte Desta­tis-Vizeprä­si­dent Chris­toph Unger in Wiesba­den. Zwar liefer­ten die Daten «einen fakten­ba­sier­ten Überblick», man müsse aber abwar­ten, wie sich die aktuel­le vierte Welle entwickle.

Sterbe­fäl­le

«Von März 2020 bis Mitte Novem­ber 2021 sind in Deutsch­land mehr Menschen verstor­ben, als unter Berück­sich­ti­gung der demogra­fi­schen Entwick­lung zu erwar­ten gewesen wäre», sagte Unger. «Der Anstieg der Sterbe­fall­zah­len ist nicht allein durch die Alterung der Bevöl­ke­rung erklär­bar, sondern maßgeb­lich durch die Pande­mie beeinflusst.»

2020 starben fünf Prozent mehr Menschen als 2019. Aufgrund der Alterung wäre nur ein Anstieg um zwei Prozent zu erwar­ten gewesen. Betrach­te­te man März 2020 bis Febru­ar 2021 lag das Plus bei 7,5 Prozent, wie Felix zur Nieden, Referent für Demogra­fi­sche Analy­sen erklär­te. Den größten Ausschlag gab es zum Jahres­wech­sel 2020/2021.

Todes­ur­sa­chen

Mit der Todes­ur­sa­chen­sta­tis­tik 2020 sind erstmals Aussa­gen möglich, wer an und wer mit Corona gestor­ben ist. Karin Böhm, Leite­rin der Gruppe Gesund­heit und Sozia­les, nannte die Zahlen: 39 758 Menschen starben im vergan­ge­nen Jahr an Covid-19 als Grund­lei­den — 8102 mit Covid-19 als Begleit­erkran­kung. Die Diffe­renz zu den etwas niedri­ge­ren Todes­fall­zah­len des Robert-Koch-Insti­tuts liegt Böhm zufol­ge «an den unter­schied­li­chen Meldesystemen».

Da auf den Toten­schei­nen auch Vorer­kran­kun­gen erfasst werden, lässt die Todes­ur­sa­chen­sta­tis­tik erstmals auch genaue Rückschlüs­se auf die Vorer­kran­kun­gen der Corona-Toten zu. Am häufigs­ten waren das Bluthoch­druck (21 Prozent), Demenz (20 Prozent), Nieren­in­suf­fi­zi­enz (16 Prozent) und Diabe­tes melli­tus (16 Prozent).

Alter und Geschlecht der Toten

70 Prozent der Covid-19-Toten waren 80 Jahre oder älter, das Durch­schnitts­al­ter der Todes­op­fer der Pande­mie lag bei 82,2 Jahren, wie Karin Böhm erläu­ter­te. 19 Prozent der Todes­op­fer waren zwischen 70 und 79 Jahre alt, 7 Prozent zwischen 60 und 69 Jahre. Nur 3 Prozent der Toten waren jünger als 60 Jahre.

Männer waren etwas häufi­ger betrof­fen als Frauen, wobei diese Relati­on je nach Alters­grup­pe schwankt: Beson­ders unter den jünge­ren Todes­op­fern waren beson­ders viele Männer. Im Durch­schnitt über alle Alters­grup­pen waren 52,7 Prozent der Todes­op­fer männlich.

Kranken­haus­auf­ent­hal­te

176.000 Menschen wurden 2020 mit oder wegen Corona im Kranken­haus behan­delt. Ein Fünftel (36.900) davon lag auf der Inten­siv­sta­ti­on. Von denen wieder­um mussten über 58 Prozent (21.400) künst­lich beatmet werden. «Ihre durch­schnitt­li­che Beatmungs­dau­er lag bei 254 Stunden, also bei fast elf Tagen», erklär­te Torsten Schel­ha­se, Leiter des Referats Gesundheitsstatistiken.

78 Prozent der Covid-19-Patien­ten wurden als Notfall in die Klinik einge­wie­sen. Die Covid-Patien­ten lagen Schel­ha­se zufol­ge durch­schnitt­lich 11 Tage im Kranken­haus und 14 Tage auf Inten­siv­sta­tio­nen. Das Durch­schnitts­al­ter der Covid-Patien­ten im Kranken­haus lag bei 67 Jahren. Mehr als jeder sechs­te von ihnen starb: 31 600 Menschen. Ihr Durch­schnitts­al­ter lag bei 80,3 Jahren.

Auswir­kun­gen im Krankenhaus

Die Kranken­h­aus­sta­tis­tik gibt auch Aufschluss über die Folgen der Pande­mie für andere Patien­ten. So gab es 2020 in Deutsch­land 13 Prozent weniger Kranken­haus­be­hand­lun­gen als im Vorjahr. «So niedrig waren die Fallzah­len zuletzt im Jahr 2006», sagte Schel­ha­se. Die Zahl der Opera­tio­nen ging um knapp zehn Prozent zurück, «so wenige wie zuletzt im Jahr 2005».

In der ersten Welle, als planba­re OPs verscho­ben wurden, um Betten frei zu halten, waren es 35 Prozent weniger Kranken­haus­auf­ent­hal­te und 37 Prozent weniger Opera­tio­nen. Infek­ti­ons- und Atemwegs­krank­hei­ten gingen aufgrund der Schutz­maß­nah­men zurück, Lungen­ent­zün­dun­gen jedoch nahmen um fünf Prozent zu. Schel­ha­se zufol­ge ist das «fast ausschließ­lich auf die Pande­mie zurückzuführen».

Auswir­kun­gen auf die Psyche

Statio­nä­re Behand­lun­gen wegen psychi­scher und psych­ia­tri­scher Erkran­kun­gen gingen Schel­ha­se zufol­ge 2020 um 19,6 bezie­hungs­wei­se 10,2 Prozent zurück. «Im Vergleich zu den Vorjah­ren gab es 2020 keinen auffäl­li­gen Anstieg der Zahl der Suizi­de» sagte Karin Böhm, die Leite­rin der Gruppe Gesund­heit und Sozia­les. 9206 Menschen beende­ten ihr Leben. «Das ist der zweit­nied­rigs­ten Wert seit 1980.»

Von Sandra Trauner, dpa