BERLIN (dpa) — Die Forde­run­gen nach einem klaren Fahrplan für Corona-Locke­run­gen werden lauter. Die SPD blickt bereits auf den 19. März, an dem die gesetz­li­chen Grund­la­gen für die gegen­wär­ti­gen Maßnah­men auslaufen.

Die Diskus­si­on um die Locke­rung der Corona- Beschrän­kun­gen nimmt weiter Fahrt auf. Die SPD hält es für möglich, dass die Corona-Maßnah­men im März komplett wegfal­len könnten.

«Wir werden uns in den nächs­ten Wochen in aller Ruhe anschau­en, ob eine Verlän­ge­rung der Corona-Schutz­maß­nah­men über den 19. März hinaus überhaupt notwen­dig ist», sagte der Parla­men­ta­ri­sche Geschäfts­füh­rer der SPD-Bundes­tags­frak­ti­on, Johan­nes Fechner, der «Welt». Wenn Mitte Febru­ar tatsäch­lich ein Rückgang der Omikron-Varian­te festge­stellt werde, stelle sich die Frage, ob es die Einschrän­kun­gen in den Frühjahrs- und Sommer­mo­na­ten überhaupt noch brauche. Fechner hält es für wahrschein­li­cher, dass man «erst mit Blick auf den nächs­ten Herbst noch einmal über solche Schutz­maß­nah­men» rede.

Das Infek­ti­ons­schutz­ge­setz wurde zuletzt im Dezem­ber durch Bundes­tag und Bundes­rat geändert. Es ermög­licht Bund und Ländern, eine Reihe von Maßnah­men zur Eindäm­mung der Pande­mie zu ergrei­fen, darun­ter Masken­pflicht oder Abstands­ge­bo­te. Die Maßnah­men sind aktuell bis zum 19. März befris­tet, könnten aber einma­lig um bis zu drei Monate durch den Bundes­tag verlän­gert werden.

Uneinig­keit über weite­res Vorgehen

Die Grünen-Bundes­tags­frak­ti­on mahnt hinge­gen zu Vorsicht. «Auf bestimm­te Maßnah­men wie Masken­pflicht oder auch eine Reduzie­rung der Kontak­te werden wir jetzt nicht verzich­ten können», sagte Frakti­ons­chefin Britta Haßel­mann der «Welt». Die Omikron-Welle habe ihren Höhepunkt noch nicht erreicht.

Auch wenn die Krank­heits­ver­läu­fe weniger schwer seien, führten sie in großer Zahl zu einer spürba­ren Belas­tung der Klini­ken. Über die Verbrei­tung des Subtyps BA.2 wisse man noch zu wenig, die Impflü­cke sei zu groß. «Daher sind Voraus­set­zun­gen für Locke­run­gen zum jetzi­gen Zeitpunkt nicht gegeben.» Bei einer Entspan­nung der Infek­ti­ons­la­ge werde man darauf
reagie­ren. «Dann wird es um Öffnungs­schrit­te und Stufen­mo­del­le gehen, damit Branchen wie die Kultur oder der Einzelhandel
Planungs­si­cher­heit haben.»

«Brauen einen Freedom-Plan»

Der Chef der Kassen­ärzt­li­chen Bundes­ver­ei­ni­gung (KBV), Andre­as Gassen, fordert hinge­gen bereits jetzt einen Öffnungs­plan für Deutsch­land. «Was wir jetzt brauchen, ist ein Freedom Plan – ein Plan, wie wir schritt­wei­se und an Parame­tern orien­tiert lockern. Diesen Freedom Plan zu formu­lie­ren, ist nun wichtigs­te Aufga­be der Politik», sagte Gassen der Düssel­dor­fer «Rheini­schen Post». Deutsch­land müsse lernen, mit Corona zu leben. «Manche meinen, die Pande­mie sei erst vorbei, wenn keiner mehr an Corona stirbt.

Das ist ein Irrtum: Corona wird wohl dauer­haft Teil des Krank­heits­ge­sche­hens bleiben. Bei der Influ­en­za haben wir auch stets neue Varian­ten, in manchen Jahren Zehntau­sen­de Tote. Das müssen wir auch bei Corona akzep­tie­ren und zugleich weiter Impfun­gen für Risiko­grup­pen anbie­ten», sagte Gassen weiter. Konkret kann sich der KBV-Chef eine Öffnung der Stadi­en oder Locke­run­gen im Handel vorstel­len. Auch der gesund­heits­po­li­ti­sche Sprecher der Unions­frak­ti­on, Tino Sorge (CDU), forder­te die Bundes­re­gie­rung auf, «im Febru­ar einen Plan für Öffnun­gen auf den Weg zu bringen».

Inten­siv­me­di­zi­ner mahnen zur Vorsicht

Inten­siv­me­di­zi­ner warnen hinge­gen bei vorschnel­len Locke­run­gen vor einer «Achter­bahn­fahrt» der Infek­ti­ons­zah­len. «Locke­run­gen der Corona-Maßnah­men, wie sie jetzt einige Bundes­län­der angekün­digt haben, kommen zu früh», sagte der Präsi­dent der Deutschen
Inter­dis­zi­pli­nä­ren Verei­ni­gung für Inten­siv- und
Notfall­me­di­zin (DIVI), Gernot Marx, den Zeitun­gen der Funke-Medien­grup­pe. Es sei zwar vernünf­tig, voraus­schau­end über Locke­rungs­schrit­te zu disku­tie­ren. Konkre­te Locke­run­gen dürften aber erst beschlos­sen werden, wenn der Höhepunkt der Omikron-Welle überschrit­ten sei. «Bund und Länder sollten damit warten, bis die Infek­ti­ons­zah­len stabil über mehre­re Tage zurück­ge­hen. Es wäre fatal, wenn wir durch zu frühe Locke­run­gen in eine Achter­bahn­fahrt mit erneut steigen­den Infek­ti­ons­zah­len gerieten.»