ATHEN (dpa) — Zwei Züge rasen auf densel­ben Schie­nen frontal inein­an­der. Dutzen­de Menschen kommen ums Leben. Noch laufen die Rettungs­ar­bei­ten, doch es wird bereits über die Unfall­ur­sa­che gerätselt.

Bei Tages­an­bruch wird das Ausmaß des schwe­ren Unglücks erst deutlich: Die Unfall­stel­le gleicht einem Trümmer­feld, die vorde­ren Waggons beider Züge wurden durch den Aufprall gerade­zu zusam­men­ge­fal­tet und brann­ten zum Teil aus, wie Drohnen­auf­nah­men im griechi­schen Staats­fern­se­hen zeigen. Mindes­tens 35 Menschen kamen am späten Diens­tag­abend beim Frontal­zu­sam­men­stoß eines Perso­nen- und eines Güter­zugs in Mittel­grie­chen­land ums Leben. Mindes­tens 66 Passa­gie­re wurden teils schwer verletzt in umlie­gen­de Kranken­häu­ser gebracht.

Die Zahl der Todes­op­fer könnte noch steigen. Am Mittwoch­mor­gen liefen die Bergungs­ar­bei­ten mit Kränen und schwe­rem Gerät und auch mit Spürhun­den weiter. Bei Rettungs­kräf­ten und Repor­tern vor Ort herrscht Fassungs­lo­sig­keit. Wie ist es möglich, dass der Inter­ci­ty von Athen nach Thessa­lo­ni­ki mit rund 350 Passa­gie­ren an Bord auf demsel­ben Schie­nen­strang wie der entge­gen­kom­men­de Güter­zug unter­wegs war, obwohl die Strecke zweispu­rig ausge­baut ist?

Der für den Abschnitt zustän­di­ge Eisen­bahn­chef sei bereits festge­nom­men worden, hieß es im Staats­fern­se­hen. Andere Eisen­bah­ner und Techni­ker würden befragt. Die Verkehrs­be­hör­de der nahe gelege­nen Stadt Larisa hat mit Ermitt­lun­gen zur Unfall­ur­sa­che begon­nen. Viele anknüp­fen­de Bahnstre­cken wurden für den Zugver­kehr vorerst gesperrt.

Viele Tote nur schwer identifizierbar

Am Bahnhof der nordgrie­chi­schen Hafen­stadt Thessa­lo­ni­ki versam­mel­ten sich derweil schon nachts verzwei­fel­te Angehö­ri­ge, Telefon-Hotlines wurden einge­rich­tet. Viele der Toten können Berich­ten zufol­ge nur per DNA-Test identi­fi­ziert werden. Rund 200 Passa­gie­re, die nicht oder nur leicht verletzt wurden, wurden vom Unglücks­ort mit Bussen ins 150 Kilome­ter weit entfern­te Thessa­lo­ni­ki gebracht. Manche Angehö­ri­ge aber warte­ten verge­bens. Bei vielen der Passa­gie­re soll es sich um junge Leute gehan­delt haben, Studie­ren­de, die nach einem verlän­ger­ten Wochen­en­de wegen eines Feier­tags nun auf dem Weg zur Univer­si­tät von Thessa­lo­ni­ki waren.

«Ich dachte, ich würde sterben», sagte ein Passa­gier der Tages­zei­tung «Kathi­me­ri­ni». Der junge Mann saß nach eigenen Angaben in einem der hinte­ren Waggons. Er habe am Boden Schutz gesucht, Menschen hätten geschrien und geweint. Andere Passa­gie­re berich­te­ten, sie hätten die Fenster einge­drückt und sich im Dunkeln aus dem halb umgekipp­ten Waggon retten können.

Trotz der Moder­ni­sie­rung mit neuen Brücken und Tunneln und zwei Gleisen entlang der gesam­ten rund 500 Kilome­ter langen Strecke Athen-Thessa­lo­ni­ki gebe es erheb­li­che Proble­me bei der elektri­schen Koordi­na­ti­on der Verkehrs­kon­trol­le, hieß es im Staats­fern­se­hen. «Wir fahren wie in alten Zeiten von einem Strecken­teil zum anderen per Funk. Die Stati­ons­lei­ter geben uns grünes Licht», sagte Kostas Genidouni­as, Präsi­dent der Gewerk­schaft der Lokfüh­rer im staat­li­chen Rundfunk. Warum dies geschieht und kein moder­nes Leitsys­tem funktio­niert, konnte er nicht sagen. Die griechi­schen Bahnen (Helle­nic Train) werden von der italie­ni­schen Staats­bahn Ferro­vie dello Stato Italia­ne (FS) betrieben.

Von Takis Tsafos und Alexia Angelo­pou­lou, dpa