BERLIN (dpa) — Die einen feiern das kurz bevor­ste­hen­de Runter­fah­ren der letzten deutschen Atomkraft­wer­ke, die anderen stellen es in Frage. Das ist auch unter den Ampel-Koali­ti­ons­part­nern so.

Das Ende der Atomener­gie in Deutsch­land ist kurz vor dem Abschal­ten der letzten Kraft­wer­ke zwischen Grünen und FDP umstrit­ten. «Der Ausstieg ist vor allem ein endgül­ti­ger Einstieg: in eine siche­re und risiko­ar­me, bezahl­ba­re und saube­re Energie­ver­sor­gung — ins Zeital­ter der Erneu­er­ba­ren», sagte die Grünen-Vorsit­zen­de Ricar­da Lang der Deutschen Presse-Agentur.

Mit dem Schritt werde der Grund­stein für künfti­gen Wohlstand und wirtschaft­li­che Stärke gelegt, so Lang. «Wir machen uns unabhän­gig von fossi­ler Energie, von Autokra­ten wie Wladi­mir Putin, von unbezahl­ba­ren Energiepreisen.»

Dagegen erklär­te FDP-General­se­kre­tär Bijan Djir-Sarai das Abschal­ten der letzten Meiler am 15. April für falsch. Aus Sicht der FDP wäre zur Energie­si­cher­heit und zum Verzicht auf Kohlestrom ein Weiter­be­trieb der Kernkraft­wer­ke notwen­dig. «Es ist bedau­er­lich, dass die Grünen blockie­ren und kein Einse­hen haben. Wir sollten auch die Chancen neuer und siche­rer Techno­lo­gien der Kernspal­tung und Kernfu­si­on ergeb­nis­of­fen disku­tie­ren», sagte Djir-Sarai der Deutschen Presse-Agentur.

«Notsi­tua­tio­nen wie zuletzt infol­ge des russi­schen Angriffs­krie­ges gegen die Ukrai­ne lassen sich nicht zuver­läs­sig prognos­ti­zie­ren», erläu­ter­te der FDP-Politi­ker. «Deshalb müssen wir wegkom­men von einer Energie­po­li­tik, die auf Kante genäht ist.»

FDP-Präsi­di­ums­mit­glied Micha­el Theurer sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Ich bin der Überzeu­gung, dass auf abseh­ba­re Zeit eine siche­re und bezahl­ba­re Strom­ver­sor­gung ohne Kernener­gie gefähr­det ist.» Es gebe gute Argumen­te für ein Umden­ken auch in der Bundes­re­gie­rung. «Ein neuer Stress­test ist auf jeden Fall erfor­der­lich, um das Risiko eines Black­outs auszuschließen.»

Der stell­ver­tre­ten­de Linke-Vorsit­zen­de Lorenz Gösta Beutin nannte es «absurd», dass die FDP jetzt über eine Laufzeit­ver­län­ge­rung rede. «Atomkraft ist unsicher und unbezahl­bar. Die ganze Kraft muss jetzt auf den Ausbau erneu­er­ba­rer Energien gerich­tet werden, auf eine bezahl­ba­re und ökolo­gi­sche Energie­wen­de.» Dass nun die drei letzten Atomkraft­wer­ke abgeschal­tet werden, sei «ein Grund zu feiern», sagte der Fachpo­li­ti­ker für Atom der Deutschen Presse-Agentur. «Wir danken dem jahrzehn­te­lan­gen Engage­ment der Anti-Atomkraft-Bewegung.»

Mehrheit hält AKW-Abschal­tung für falsch

Nach der reprä­sen­ta­ti­ven Erhebung des Meinungs­for­schungs­in­sti­tuts Insa für die «Bild am Sonntag» halten es 52 Prozent der Befrag­ten für falsch, dass die drei verblie­be­nen Meiler kommen­de Woche vom Netz gehen. 37 Prozent halten dies für richtig, 11 Prozent machten keine Angabe. CDU-Chef Fried­rich Merz äußer­te sich erneut kritisch über die bevor­ste­hen­de Abschal­tung. «Im Ausland werden Sie kaum jeman­den finden, der Verständ­nis dafür hat, dass Deutsch­land in der größten Energie­kri­se seit Jahrzehn­ten drei siche­re, CO2-freie Anlagen der Energie­er­zeu­gung abschal­tet und dafür wieder auf Kohle und Gas setzt», sagte er dem Nachrich­ten­por­tal «Web.de News».

Die Grünen-Vorsit­zen­de Lang wies auf jünge­re Studi­en hin, die zeigten, dass erneu­er­ba­re Energien in der Produk­ti­on viermal weniger als Atomstrom koste­ten und langfris­tig vor abseh­bar steigen­den Preisen für Öl oder Gas schütz­ten. «Mit dem klaren Fokus auf erneu­er­ba­re Energien, auf Wind und Solar, auch auf Wasser­stoff, stärkt die Ampel die Wettbe­werbs­fä­hig­keit des Indus­trie­stand­orts Deutsch­land und schafft zukunfts­si­che­re Jobs.»

Theurer als Landes­vor­sit­zen­der der FDP Baden-Württem­berg sagte, die baden-württem­ber­gi­sche FDP habe einen Beschluss gefasst, der als Antrag in den Bundes­par­tei­tag einge­bracht werden solle. «Darin fordern wir nicht nur einen neuen Stress­tests, sondern wir fordern auch, dass neue Brenn­ele­men­te beschafft werden und die Laufzeit der bestehen­den Kernkraft­wer­ke bis 2026 verlän­gert wird.» Das Risiko von Engpäs­sen in der Strom­ver­sor­gung sei im Süden und Südwes­ten Deutsch­lands am höchsten.