Anders als der FC Bayern hat Skisprin­ger Karl Geiger sein «Finale dahoam» gewon­nen. Mit Gold im Team und einer trium­pha­len WM-Woche erfül­len sich für den Allgäu­er Kindheits­träu­me. Von einem Denkmal im «Weltmeis­ter-Ort» will er aber erstmal nichts wissen.

OBERSTDORF (dpa) — Den beein­dru­cken­den Medail­len­satz wird Karl Geiger schnell zur Seite legen, wenn er nach einer Bilder­buch-WM seine Familie um Tochter Luisa wieder in die Arme schlie­ßen darf.

Die wunder­schö­nen Erinne­run­gen an zweimal Gold im Mixed und im Team, je einmal Silber und Bronze in seinem gelieb­ten Schan­zen-Wohnzim­mer Oberst­dorf werden dem beschei­de­nen deutschen Skisprung-Gigan­ten aber ein Leben lang bleiben.

«Sensa­tio­nell» nennt der 28-Jähri­ge, der sich zum erfolg­reichs­ten Flieger der Titel­kämp­fe krönte, seine Ausbeu­te. «Eine Heim-WM ist immer etwas Beson­de­res, da freue ich mich schon seit fünf Jahren drauf», sagte er. Die beschau­li­che Markt­ge­mein­de im Allgäu, die sich auf Straßen­schil­dern als «Weltmeis­ter-Ort» tituliert, musste Geiger gar nicht verlas­sen, um von der dauer­ge­tes­te­ten WM-Blase in die ersehn­te heimi­sche Rückzugs­oa­se zurückzukehren.

«Ich freue mich auf zu Hause, auf Frau und Kind, und sie mal wieder in den Arm zu nehmen. Da freue ich mich richtig drauf», sagte Geiger, der seine knapp drei Monate junge Tochter wegen der Corona-Regeln zuletzt nur am Handy-Bildschirm sehen durfte. Mit Frau Franzis­ka waren die Treffen regel­mä­ßi­ger, denn sie half als Freiwil­li­ge bei den Medail­len­ze­re­mo­nien im Stadi­on mit. Geiger nahm es als Ansporn und war bei jeder mögli­chen Ehrung dabei.

Das hochemo­tio­na­le «Finale dahoam» im Team mit Kumpel Markus Eisen­bich­ler, Pius Pasch­ke und Routi­nier Severin Freund wurde am Samstag zum krönen­den Abschluss einer irren WM-Reise. Einen Tag nach Bronze im Einzel führte der nerven­star­ke Geiger das Quartett vor Öster­reich und Polen zum Sieg — und sorgte damit am Schat­ten­berg für eine Gefühls­explo­si­on. «Was er da geleis­tet hat, aller­höchs­ten Respekt. Der hat eine saugei­le WM gemacht, ich bin stolz auf ihn», sagte Eisen­bich­ler. Pasch­ke nannte Geiger «eine Maschine».

Für Geiger, der die Titel­kämp­fe als erster deutscher Skisprin­ger seit Martin Schmitt 2001 mit vier WM-Medail­len beendet hat, waren die WM-Tage der absolu­te Höhepunkt eines völlig surrea­len Winters. Zuvor hatten sich bereits Flug-WM-Titel, Geburt der Tochter, Corona-Infek­ti­on, Isola­ti­on über Weihnach­ten und erster Tournee-Heimsieg in Oberst­dorf in wenige Saison­wo­chen gepresst.

Und nun vier Medail­len daheim. «Das werden wir richtig genie­ßen», verkün­de­te der strah­len­de Geiger, der in seinen Aussa­gen stets demütig und boden­stän­dig bleibt. Auf die Frage nach einem mögli­chen Karl-Geiger-Denkmal in dem maleri­schen Alpen­ort antwor­te­te er: «So weit würde ich mal noch nicht gehen. Ich bin auf jeden Fall sehr froh und stolz, dass ich hier so ablie­fern durfte.»

Dabei stand Geiger lange im Schat­ten der Kolle­gen. Rückkeh­rer Freund, Olympia­sie­ger Andre­as Wellin­ger und der hochemo­tio­na­le Eisen­bich­ler prägten über Jahre hinweg das deutsche Skisprin­gen. Spätes­tens seit diesem Winter ist Geiger aber der Mann für die großen Highlights. Von Stefan Horng­a­cher, dessen erste WM-Bilanz als Bundes­trai­ner auch dank Geiger sehr gut ausfällt, gab es ein Riesen­lob. «Ich habe noch nie so einen Athle­ten trainie­ren dürfen, der so eine menta­le Stärke hat. Er ist ein unglaub­li­cher Athlet. Hut ab.»

Bevor es in zweiein­halb Wochen zum abschlie­ßen­den Fliegen ins slowe­ni­sche Plani­ca geht, hat das deutsche Team Zeit, um das Erleb­te sacken zu lassen. Der entthron­te Einzel-Weltmeis­ter Eisen­bich­ler widme­te Team-Gold unter einem Anflug von Tränen seinen Eltern und dankte seiner Freun­din. WM-Held Geiger war einfach stolz auf «sein» Oberst­dorf und die bewäl­tig­te Corona-WM. In einer ruhigen Minute kann er die nächs­ten Wochen einfach mal zum Schat­ten­berg spazie­ren — und sich ganz ohne Trubel und Druck freudig zurückerinnern.