BERLIN (dpa) — Viele Kommu­nen können die Versor­gung der Flücht­lin­ge kaum noch stemmen. Beim Bund-Länder-Gipfel geht es daher um viel Geld — aber auch um Grund­sätz­li­ches in der deutschen Migrationspolitik.

Bund und Länder suchen heute bei einem Spitzen­tref­fen in Berlin nach Lösun­gen im Streit über die Auftei­lung der Kosten für die Versor­gung von Flücht­lin­gen. Weil insbe­son­de­re die Städte und Gemein­den unter der finan­zi­el­len Last ächzen, fordern die Länder einen höheren Anteil des Bundes.

Dieser will aber nicht mehr Geld als vorge­se­hen zuschie­ßen, weil er sich aus seiner Sicht bereits überpro­por­tio­nal an den Kosten betei­ligt. Eine Einigung bei dem Treffen der Länder­chefs mit Bundes­kanz­ler Olaf Scholz (SPD)gilt als fraglich. Vor dem Treffen waren die Fronten verhärtet.

Debat­te um Zuständigkeiten

In den ersten vier Monaten dieses Jahres wurden 101.981 Asylerst­an­trä­ge vom Bundes­amt für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge (Bamf) entge­gen­ge­nom­men — ein Plus von 78 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Viele Kommu­nen sehen sich an der Belas­tungs­gren­ze. Städte und Gemein­de sitzen nicht direkt mit am Tisch, die Länder sehen sich als deren Interessensvertreter.

Die Kommu­nal­ver­bän­de fordern vom Gipfel einer­seits mehr Geld vom Bund, anderer­seits aber auch Schrit­te zur Begren­zung der Zuwan­de­rung. «Wir müssen zu einer Reduzie­rung der Flücht­lings­zah­len kommen», sagte der Haupt­ge­schäfts­füh­rer des Deutschen Städte- und Gemein­de­bun­des, Gerd Lands­berg, dem Nachrich­ten­por­tal «t‑online» . Der Bund müsse darauf mit allen Mitteln hinwir­ken. Der Bund solle die Kosten der Unter­kunft von Flücht­lin­gen dauer­haft und vollstän­dig überneh­men sowie Pauscha­len für Asylbe­wer­ber, Integra­ti­ons­kos­ten und unbeglei­te­te Minder­jäh­ri­ge wie in den Jahren 2015/2016 wieder einfüh­ren. Lands­berg mahnte zugleich: «Das Zustän­dig­keits- und Finan­zie­rungs­bin­go zwischen Bund und Ländern muss ein Ende haben.»

Auch der Präsi­dent des Deutschen Städte­ta­ges, Markus Lewe, forder­te, der Bund müsse flücht­lings­be­ding­te Kosten der Unter­kunft wieder vollstän­dig überneh­men. Zudem müssten ausrei­se­pflich­ti­ge Asylsu­chen­de ohne Bleibe­per­spek­ti­ve «konse­quent rückge­führt werden», sagte Lewe dem Redak­ti­ons­netz­werk Deutsch­land (RND). Der Haupt­ge­schäfts­füh­rer des Deutschen Landkreis­ta­ges, Hans-Günter Henne­ke, mahnte bei «t‑online»: «Es geht in erster Linie um Begren­zung der Zuwan­de­rung, aber in zweiter Linie eben auch um ausrei­chen­de finan­zi­el­le Mittel für die Kommunen.»

Grüne wollen Kommu­nen finan­zi­ell stärken

Für eine stärke­re Unter­stüt­zung der Kommu­nen hatten sich auch die Grünen vor dem Bund-Länder-Treffen stark gemacht. «Es wird Geld brauchen, um den Knoten zu durch­schla­gen» sagte Partei­chef Omid Nouri­pour der «Frank­fur­ter Allge­mei­nen Zeitung». «Die Leute wollen nicht, dass Bund und Länder mit dem Finger aufein­an­der zeigen, sondern dass die Proble­me gelöst werden», mahnte Nouripour.

Bundes­fi­nanz­mi­nis­ter Chris­ti­an Lindner hat Forde­run­gen nach mehr Geld vom Bund bislang wider­spro­chen. Im ZDF-«heute journal» verwies der FDP-Chef auf die 15,6 Milli­ar­den Euro Unter­stüt­zung des Bundes für Länder und Kommu­nen in diesem Jahr. Die Forde­run­gen nach Änderung in der Zuwan­de­rungs­po­li­tik teilt der Minis­ter aber. Deutsch­land habe seit Jahren nicht die Kontrol­le bei der Migra­ti­on, die es brauche.

«Wir haben es zu lange den Menschen schwer gemacht nach Deutsch­land zu kommen, die wir brauchen als kluge Köpfe und fleißi­ge Hände. Und zu lange schon machen wir den Menschen es leicht zu bleiben, die eigent­lich verpflich­tet sind auszu­rei­sen, weil sie irregu­lär nach Deutsch­land einge­reist sind. Und das muss sich ändern.» An die Bundes­län­der appel­lier­te er, mehr auf Sachleis­tun­gen statt Geld für Asylbe­wer­ber zu setzen.

Paritä­ti­scher Gesamt­ver­band: Feilschen auf Rücken von Geflüchteten

Der Paritä­ti­sche Gesamt­ver­band kriti­sier­te den Kosten­streit zwischen Bund einer­seits sowie Länder und Kommu­nen anderer­seits scharf. «Auf den Rücken von Menschen, die vor Krieg und Verfol­gung geflo­hen sind, zu feilschen, ist in einem reichen Land ein unwür­di­ges Schau­spiel», sagte der Haupt­ge­schäfts­füh­rer des Verbands, Ulrich Schnei­der, der «Stutt­gar­ter Zeitung» und den «Stutt­gar­ter Nachrich­ten». Schnei­der bezeich­ne­te eine gute finan­zi­el­le Ausstat­tung der Flücht­lings­ar­beit als ein «ein Gebot der Humanität».

Die Bundes­län­der gehen mit einer einstim­mig verab­schie­de­ten Beratungs­grund­la­ge in die Gesprä­che mit Scholz. «Der Kanzler muss das Thema zur Chefsa­che machen, Verant­wor­tung überneh­men und Führung zeigen», sagte der nordrhein-westfä­li­sche Minis­ter­prä­si­dent Hendrik Wüst (CDU) dem «Tages­spie­gel». «Wer über die Steue­rung des Zuzugs entschei­det, muss für seine Entschei­dun­gen auch die finan­zi­el­le Verant­wor­tung überneh­men und die Konse­quen­zen tragen.» Der Bund dürfe seine Verant­wor­tung nicht länger nach unten auf die Städte, Kreise und Gemein­den abschieben.

Die rhein­land-pfälzi­sche Minis­ter­prä­si­den­tin Malu Dreyer (SPD) appel­lier­te an die Gemein­sam­keit von Bund und Ländern. «Wir müssen die Proble­me im Schul­ter­schluss lösen und dazu muss sich jeder und jede fragen, wo man zu- und abgeben kann», sagte sie der «Rheini­schen Post». «Wir wissen alle, wozu es führt, wenn die Fragen zur Flücht­lings­un­ter­brin­gung eskalie­ren. Daran kann niemand ein Inter­es­se haben.» Auch Kanzler Scholz hatte gestern von einer «großen gemein­sa­men Aufga­be in einem erfolg­rei­chen födera­len Staat» gespro­chen und für eine Einigung geworben.