ELMAU (dpa) — In einem abgeschie­de­nen Tal in Bayern beraten die G7-Staaten seit Sonntag vor allem über ihren Kurs gegen­über Russland. Wichti­ge Zusagen stehen vor dem letzten Tag noch aus — und der nächs­te Gipfel wirft schon seine Schat­ten voraus.

Nach mehr als einem halben Dutzend Arbeits­sit­zun­gen und zahlrei­chen bilate­ra­len Gesprä­chen beenden die G7-Staats- und ‑Regie­rungs­chefs am Diens­tag ihre Beratun­gen im bayeri­schen Schloss Elmau.

Zentra­le Themen dürften am dritten Gipfel­tag erneut der Ukrai­ne-Krieg mit der durch Russlands Aggres­si­on beför­der­ten Hunger­kri­se sein. Diese droht vor allem in Ostafri­ka. Erwar­tet werden konkre­te Finanz­zu­sa­gen der G7-Staaten. Anschlie­ßend reisen einige der Gipfel­teil­neh­mer weiter nach Madrid zum Nato-Gipfel.

Auch bei den Beratun­gen in Spani­en soll der Druck auf Russland erhöht werden, das Ende Febru­ar einen Krieg gegen die Ukrai­ne begon­nen hat. Die Nato sende­te zu Wochen­be­ginn bereits ein deutli­ches Signal: General­se­kre­tär Jens Stolten­berg kündig­te am Montag an, die Allianz werde die Zahl ihrer schnel­len Eingreif­kräf­te von rund 40.000 auf mehr als 300.000 erhöhen. Offen ist noch, ob die Blocka­de­hal­tung der Türkei hinsicht­lich der Aufnah­me von Schwe­den und Finnland gebro­chen werden kann.

Die G7 verstän­dig­ten sich in den vergan­ge­nen beiden Tagen auf weite­re finan­zi­el­le, militä­ri­sche, humani­tä­re und diplo­ma­ti­sche Unter­stüt­zung für die Ukrai­ne. Zudem kündig­ten sie neue Sanktio­nen gegen Russland an, unter anderem gegen dessen Rüstungs­in­dus­trie. Zu Ende geht das dreitä­gi­ge Treffen auf Schloss Elmau heute mit einer Abschluss­erklä­rung und einer Presse­kon­fe­renz von Gastge­ber Olaf Scholz (SPD) am frühen Nachmit­tag. Auch andere Gipfel­teil­neh­mer werden sich zum Gipfel­ab­schluss äußern.

Zur Gruppe der Sieben (G7) gehören neben Deutsch­land die USA, Kanada, Großbri­tan­ni­en, Frank­reich, Itali­en und Japan. Auch EU-Kommis­si­ons­prä­si­den­tin Ursula von der Leyen und Ratsprä­si­dent Charles Michel nehmen am Gipfel teil.

G7 sehen tiefe Gräben

Russland habe alle Verein­ba­run­gen über die Zusam­men­ar­beit von Staaten gebro­chen, beton­te Scholz bereits am Montag­abend. Die G7 seien sich einig, dass das die Bezie­hun­gen lange prägen werde. «Im Verhält­nis zu Russland kann es kein Zurück geben in die Zeit vor dem russi­schen Überfall auf die Ukrai­ne.» Alle G7-Staaten seien bereit, die notwen­di­gen Entschei­dun­gen zu treffen.

Der ukrai­ni­sche Botschaf­ter in Deutsch­land, Andrij Melnyk, begrüß­te das Bekennt­nis der G7-Staaten zu weite­ren Hilfen für sein Land — und forder­te neue Waffen­lie­fe­run­gen. Die Ukrai­ne sei an einem Wende­punkt angekom­men, um das «militä­ri­sche Rückgrat Putins zu brechen», sagte Melnyk der «Rheini­schen Post». «Dazu brauchen wir blitz­schnell das moderns­te schwe­re Kriegs­ge­rät wie Mehrfach­ra­ke­ten­wer­fer, Artil­le­rie, Luftab­wehr­sys­te­me, aber auch Panzer.»

50 Millio­nen Menschen stehen vor Hungersnot

Mit Blick auf die drohen­de Hungers­not sagte Scholz am Montag in einem Inter­view, die G7-Staaten bemüh­ten sich inten­siv darum, Getrei­de­ex­por­te aus der Ukrai­ne zu ermög­li­chen. Das Thema berei­te den G7 größte Sorge und man wolle helfen. Auch mit Geld solle dafür gesorgt werden, dass Hunger­kri­sen vermie­den werden.

Die Ukrai­ne und Russland sind die größten Weizen-Expor­teu­re weltweit. Norma­ler­wei­se decken sie knapp ein Drittel des globa­len Bedarfs — weil Russland die ukrai­ni­schen Häfen derzeit blockiert, kann viel Getrei­de aber nicht expor­tiert werden. Dem Welternäh­rungs­pro­gramm zufol­ge stehen 50 Millio­nen Menschen weltweit kurz vor einer Hungersnot.

Zusam­men­ar­beit beim Klimaschutz

Trotz der durch den Ukrai­ne-Krieg ausge­lös­ten Energie­kri­se will die G7 an den derzei­ti­gen Klima­schutz­zie­len festhal­ten. Nach Infor­ma­tio­nen der Deutschen Presse-Agentur werden die Mitglie­der in der Abschluss­erklä­rung zum Gipfel deutlich machen, dass sie das sogenann­te Pariser Abkom­men weiter­hin als Richt­schnur für ihr Handeln ansehen. In diesem hatten sich die Länder der Welt im Dezem­ber 2015 darauf geeinigt, Anstren­gun­gen zu unter­neh­men, um die Erder­wär­mung möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen.

Scholz hatte zu dem Gipfel auch fünf Gastlän­der einge­la­den. Mit Indien, Indone­si­en, Südafri­ka, Senegal und Argen­ti­ni­en verein­bar­ten die G7 am Montag gemein­sa­me Klima­schutz-Anstren­gun­gen. Einer Erklä­rung zufol­ge soll die Umstel­lung auf Klima­neu­tra­li­tät voran­ge­trie­ben werden. Gleich­zei­tig sollen erneu­er­ba­re Energien ausge­baut werden, Kohle soll zuneh­mend weniger zum Einsatz kommen.

Bei Umwelt­schüt­zern fanden die Pläne ein geteil­tes Echo. Green­peace sprach von schwa­chen Ankün­di­gun­gen. Der Politi­sche Geschäfts­füh­rer von German­watch, Chris­toph Bals, sah hinge­gen Poten­zi­al. «Insbe­son­de­re die Partner­schaft mit Indien, die bis zum G20-Gipfel nächs­tes Jahr abgeschlos­sen sein soll, kann extrem relevant werden.»

Erdogan deutet an: Keine Kompro­miss­be­reit­schaft bei Nato-Erweiterung

Beim Nato-Gipfel in Madrid dürfte neben den von Stolten­berg bereits veröf­fent­lich­ten Plänen zu den schnel­len Einsatz­kräf­ten auch die Aufnah­me von Schwe­den und Finnland bespro­chen werden. Die Türkei blockiert den Aufnah­me­pro­zess für die beiden Länder — Präsi­dent Recep Tayyip Erdogan lässt keine Kompro­miss­be­reit­schaft erkennen.

Den Gesprächs­part­nern werde man die «Schein­hei­lig­keit» gegen­über «Terror­or­ga­ni­sa­tio­nen» mit «Dokumen­ten, Infor­ma­tio­nen und Bildern» erklä­ren, sagte Erdogan laut Regie­rung am Montag. Ankara wirft Schwe­den und Finnland die Unter­stüt­zung von «Terror­or­ga­ni­sa­tio­nen» vor. Schwe­dens Minis­ter­prä­si­den­tin Magda­le­na Anders­son und Finnlands Präsi­dent Sauli Niinistö wollen am Diens­tag mit Erdogan zunächst in kleiner Runde über ihre Aufnah­me in die Nato beraten.

Nach der Anrei­se der weite­ren Staats- und Regie­rungs­chefs lädt Spani­ens König Felipe am Diens­tag­abend zu einem Gala-Dinner.