BERLIN/RATINGEN (dpa) — Nun haben Gaskun­den Gewiss­heit. Die Höhe der staat­li­chen Gasum­la­ge, die ab Herbst kommt, steht fest. Es wird deutlich teurer. Bis Kunden die Abgabe zahlen müssen, dauert es aber noch.

Auf Gaskun­den kommen ab Herbst wegen einer staat­li­chen Umlage an Impor­teu­re Preis­stei­ge­run­gen zu — es wird zunächst aber nicht so teuer wie befürchtet.

Die Höhe der Gasum­la­ge wird bei 2,419 Cent pro Kilowatt­stun­de liegen. Das teilte die Firma Trading Hub Europe, ein Gemein­schafts­un­ter­neh­men der Gas-Fernlei­tungs­netz­be­trei­ber in Deutsch­land, in Ratin­gen mit. Mit der Umlage werden erhöh­te Beschaf­fungs­kos­ten von Impor­teu­ren an die Kunden weitergegeben.

Bei einem Haushalt mit Einfa­mi­li­en­haus und einem Jahres­ver­brauch von 20.000 Kilowatt­stun­den betra­gen die Mehrkos­ten demnach rund 484 Euro im Jahr. Falls zusätz­lich die Mehrwert­steu­er fällig wird, steigen die Kosten auf 576 Euro. Die Bundes­re­gie­rung will aller­dings verhin­dern, dass diese fällig wird.

Das Wirtschafts­mi­nis­te­ri­um war zuvor von einer Spanne von 1,5 bis 5 Cent je Kilowatt­stun­de ausge­gan­gen — 5 Cent hätten in demsel­ben Beispiel Mehrkos­ten von 1000 Euro pro Jahr bedeu­tet. Die Umlage soll Gasver­sor­gern zugute­kom­men, die zu hohen Preisen Ersatz für ausblei­ben­de, günsti­ge­re Gasmen­gen aus Russland kaufen müssen.

Ankün­di­gungs­fris­ten von vier bis sechs Wochen

Die Umlage gilt ab Anfang Oktober. Sie werde aber nicht unmit­tel­bar auf den Rechnun­gen sicht­bar werden, sondern mit etwas Zeitver­zug, so das Minis­te­ri­um. Es gebe aus Verbrau­cher­schutz­grün­den Ankün­di­gungs­fris­ten im Energie­wirt­schafts­ge­setz von vier bis sechs Wochen, die einge­hal­ten werden müssten. Daher werde die Umlage wahrschein­lich erstmals im November/Dezember auf den Rechnun­gen auftauchen.

Bundes­wirt­schafts­mi­nis­ter Robert Habeck (Grüne) erklär­te, die Umlage sei «bei weitem kein einfa­cher Schritt», aber notwen­dig, um die Wärme- und Energie­ver­sor­gung in den priva­ten Haushal­ten und der Wirtschaft aufrecht­zu­er­hal­ten. «Sonst wäre die Versor­gungs­si­cher­heit gefährdet.»

Laut Habeck haben insge­samt zwölf Gasim­por­teu­re ihre Ersatz­be­schaf­fungs­kos­ten bei Trading Hub Europe angemel­det, einem Gemein­schafts­un­ter­neh­men der Gas-Fernlei­tungs­netz­be­trei­ber. Bezogen auf den Umlage­zeit­raum bis Anfang April 2024 machten diese Gasim­por­teu­re 34 Milli­ar­den Euro an Kosten geltend, dies entspricht 90 Prozent der erwar­te­ten Ersatz­be­schaf­fungs­kos­ten für diese Zeit. Energie­kon­zer­ne wie RWE und Shell wollen die Umlage nicht in Anspruch nehmen.

Habeck will weite­re Entlas­tun­gen für Bürger

Habeck sagte, die Umlage müsse und werde von einem weite­ren Entlas­tungs­pa­ket beglei­tet werden. «Die Energie­prei­se sind durch den russi­schen Angriffs­krieg insge­samt enorm gestie­gen. Gerade für dieje­ni­gen, die nicht viel haben, ist das eine hohe Belas­tung, die nicht oder nur schwer zu tragen ist.» Die Bundes­re­gie­rung habe sich schon auf erste Schrit­te wie eine Auswei­tung des Wohngel­des mit einem Heizkos­ten­zu­schuss verstän­digt. «Ich meine aber, dass weite­re zielge­naue Entlas­tun­gen nötig sind. In dieser Krise müssen wir den demokra­ti­schen Konsens sozial­po­li­tisch absichern.»

Bundes­kanz­ler Olaf Scholz (SPD) hatte den Bürge­rin­nen und Bürgern angesichts der stark gestie­ge­nen Energie­prei­se zusätz­li­che Entlas­tun­gen zugesi­chert. Es werde niemand allei­ne gelassen.

Habeck bekräf­tig­te, der Staat solle über die Umlage letzt­lich keine höheren Mehrwert­steu­er­ein­nah­men erzie­len. «Wir werden einen Weg finden, um sicher­zu­stel­len, dass es da nicht noch zu einer zusätz­li­chen Belas­tung kommt.»

Ökono­men: Gasum­la­ge erhöht Inflationsrate

Die Gasum­la­ge wird nach Ansicht von Ökono­men zu einer Steige­rung der Infla­ti­ons­ra­te führen. «Die nun angekün­dig­te Umlage von 2,419 Cent würde rechne­risch die Infla­ti­ons­ra­te um 1,0 Prozent­punk­te erhöhen, wenn auf die Umlage auch Mehrwert­steu­er erhoben wird, wonach es derzeit aussieht», sagte der wissen­schaft­li­che Direk­tor des Insti­tuts für Makro­öko­no­mie und Konjunk­tur­for­schung (IMK) der gewerk­schafts­na­hen Hans-Böckler-Stiftung, Sebas­ti­an Dulli­en. Ohne Mehrwert­steu­er läge der Infla­ti­ons­ef­fekt noch bei 0,8 Prozentpunkten.

Der Exper­te hält es für möglich, dass die Infla­ti­ons­ra­te im vierten Quartal «in Nähe von 10 Prozent steigen» könnte oder sogar darüber hinaus. Exper­ten der Commerz­bank gehen von einer Steige­rung der Infla­ti­ons­ra­te bis Jahres­en­de auf deutlich über neun Prozent aus.

Finanz­mi­nis­ter Chris­ti­an Lindner (FDP) hat auf EU-Ebene um eine Ausnah­me gebeten, damit Deutsch­land auf die geplan­te staat­li­che Gasum­la­ge keine Mehrwert­steu­er erheben muss.

Die Umlage endet am 1. April 2024. Sie wird laut Minis­te­ri­um monat­lich abgerech­net und kann alle drei Monate angepasst werden. Sollte Russland seine vertrag­lich zugesi­cher­ten Mengen wieder vollum­fäng­lich erfül­len, werde die Preis­an­pas­sung auf null gesetzt.

Gasum­la­ge zusätz­lich zu Preissteigerungen

Das Wirtschafts­mi­nis­te­ri­um sieht die Umlage als Folge des russi­schen Angriffs­kriegs in der Ukrai­ne. Dieser habe die ohnehin angespann­te Lage auf den Energie­märk­ten drastisch verschärft. Russland habe seit Mitte Juni seine Gasim­port­men­gen nach Deutsch­land in unbere­chen­ba­rer Weise reduziert, damit eine künst­li­che Energie­knapp­heit geschaf­fen und die Preise in die Höhe getrie­ben. Dieser «exter­ne Schock» treffe Deutsch­land beson­ders, das bislang stark von günsti­gem Gas aus Russland abhän­gig war. Viele Gaslie­fe­run­gen aus Russland, die bisher vertrag­lich zugesi­chert waren, fielen weg.

Gasim­por­teu­re aber haben Liefer­pflich­ten gegen­über ihren Kunden, vor allem gegen­über Stadt­wer­ken. Die Impor­teu­re können diesen Liefer­pflich­ten nur gerecht werden, indem sie die ausge­fal­le­nen Mengen aus Russland durch den Kauf deutlich teure­rer Mengen am Kurzfrist­markt erset­zen. Bisher können diese Mehrkos­ten nicht weiter­ge­ge­ben werden.

Die Folge: Bei Impor­teu­ren sind erheb­li­che Verlus­te entstan­den. Deswe­gen hat der Bund mit dem Versor­ger Uniper ein milli­ar­den­schwe­res Rettungs­pa­ket verein­bart — und im Zuge dessen auch die Gasum­la­ge. Diese kommt zusätz­lich zu markt­be­ding­ten Preis­stei­ge­run­gen, die schritt­wei­se bei den Kunden ankommen.