PEKING (dpa) — Inner­halb kürzes­ter Zeit sank die Tempe­ra­tur, Hagel nahm die Sicht, Decken wurden fortge­weht: In China haben mehr als 20 Teilneh­mer eines Ultra­ma­ra­thons ihr Leben verloren.

Bei einem extre­men Unwet­ter mit einem Tempe­ra­tur­sturz sind 21 Teilneh­mer eines Bergma­ra­thons im Nordwes­ten Chinas ums Leben gekommen.

Acht Läufer des Ultra­ma­ra­thons in der Touris­ten­at­trak­ti­on des Stein­walds am Gelben Fluss in Baiyin mussten in Kranken­häu­ser gebracht werden, wie Staats­me­di­en am Sonntag berich­te­ten. Über 100 Kilome­ter führte der Marathon am Samstag über Berge durch unweg­sa­mes Gelän­de im Kreis Jingtai (Provinz Gansu). Die 172 Extrem­sport­ler erleb­ten aller­dings etwa 20 bis 30 Kilome­ter nach dem Start einen schwe­ren Wetter­um­schwung mit Eisre­gen, Hagel und Sturmböen.

Die Tempe­ra­tu­ren sanken inner­halb kürzes­ter Zeit drastisch. Der Sturm habe wärmen­de Decken aus mitge­führ­ter Notfall­aus­rüs­tung der teils nur in Shorts und T‑Shirts beklei­de­ten Läufer einfach wegge­weht, berich­te­ten Staats­me­di­en. Viele Läufer verirr­ten sich in dem strecken­wei­se steilen Gelän­de, brachen unter­kühlt und entkräf­tet zusam­men. Über Handy riefen Teilneh­mer verzwei­felt um Hilfe. «Kommt in die Berge, um die Leute zu retten», schrieb einer in einer Textnach­richt. «Zu viele frieren und haben sich verlaufen.»

«Wir sind in einer Schlucht», schrieb ein anderer. «Eine Läufe­rin leidet unter Unter­küh­lung und kann sich nicht mehr bewegen.» Auch wurde berich­tet: «Einige sind bewusst­los». In den Hilfe­ru­fen hieß es zudem: «Es ist tragisch» und «Kommt so schnell wie möglich!» oder «Der Wind ist zu stark». Die lokalen Behör­den brachen den Marathon ab und organi­sier­ten eine Rettungs­ak­ti­on mit 1200 Helfern, die über Nacht bis Sonntag dauer­te, wie Staats­me­di­en meldeten.

Die Suche war in dem unweg­sa­men, bis zu 2000 Meter hohen Gelän­de sehr schwie­rig. Nur die ersten 24 Kilome­ter der Laufstre­cke seien mit dem Auto befahr­bar gewesen. Auch fielen die Tempe­ra­tu­ren über Nacht noch einmal weiter. Es seien Drohnen mit Wärme­sen­so­ren einge­setzt worden, um Vermiss­te aufzu­spü­ren, hieß es in Staats­me­di­en. Läufer, die von den Bergen zurück­ka­men, berich­te­ten, dass nahe des zweiten Check­points plötz­lich Eisre­gen nieder­ge­gan­gen und starker Wind aufge­kom­men sei. Einige weinten erschüt­tert und berich­te­ten, erschöpf­te Läufer auf dem Boden liegen gesehen zu haben.

Die Tempe­ra­tu­ren waren auf fast Null Grad gefal­len, obwohl das Rennen am Morgen bei sonni­gem Wetter gestar­tet war, wie ein Teilneh­mer der Zeitung «The Paper» berich­te­te. Der Wetter­be­richt habe keinen starken Rückgang der Tempe­ra­tu­ren vorher­ge­sagt. Nur wenige hätten Kleidung für kaltes Wetter einge­packt, um Gewicht zu reduzie­ren. Obwohl die Organi­sa­to­ren die Läufer verpflich­tet hätten, kleine Wärme­de­cken für den Notfall mitzu­neh­men, habe es nicht genug gegeben.

Unter den Toten seien auch der Gewin­ner der voran­ge­gan­ge­nen Rennen, Liang Jing, sowie der hörbe­hin­der­te Läufer Huang Guanjun, der 2019 den Marathon bei Chinas natio­na­len Paralym­pi­schen Spielen gewon­nen hatte, berich­te­ten Staats­me­di­en. Im Inter­net wurde Kritik an den Organi­sa­to­ren und der mangeln­den Vorbe­rei­tung laut. Es wurde die Frage gestellt, «ob es wirklich eine Natur­ka­ta­stro­phe oder eine von Menschen verur­sach­te» gewesen sei.

Erfah­re­ne Läufer wiesen darauf hin, dass Organi­sa­to­ren bei Laufstre­cken unter ähnli­chen Bedin­gun­gen von Teilneh­mern forder­ten, warme und wasser­dich­te Jacken und Hosen sowie Thermoun­ter­wä­sche, Handschu­he und Mützen mitzu­neh­men. Bei dem Rennen in Gansu seien Jacken aber nur «empfoh­len» gewesen, hieß es. Allein die faltba­ren Notfall­de­cken seien verpflich­tend gewesen.

Die Provinz­re­gie­rung setzte eine Sonder­kom­mis­si­on ein, um die Vorfäl­le zu unter­su­chen. «Als Organi­sa­to­ren der Veran­stal­tung fühlen wir uns zutiefst schul­dig und machen uns Vorwür­fe», sagte Zhang Xuchen, der Bürger­meis­ter von Baiyin, auf einer Presse­kon­fe­renz. «Wir sprechen den Opfern und ihren Famili­en unser tiefes Mitge­fühl aus.» Die Suche sei am Sonntag­mor­gen abgeschlos­sen worden. Alle Vermiss­ten seien gefun­den worden. 151 Teilneh­mer seien in Sicherheit.

Der 100 Kilome­ter lange Bergma­ra­thon in der maleri­schen Touris­ten­re­gi­on wird zusam­men mit zwei kürze­ren Cross-Country-Läufen bis 21 Kilome­ter seit vier Jahren jährlich veran­stal­tet. Die Hongkon­ger Zeitung «South China Morning Post» berich­te­te, dass sich fast 10.000 Teilneh­mer für die drei Läufe angemel­det hätten.

Von Andre­as Landwehr und Ryan Ho Kilpa­trick, dpa