STUTTGART (dpa/lsw) — Nach massi­vem Druck der Justiz geht Kretsch­mann erste Öffnungs­schrit­te. Das Land kehrt zurück in die norma­le Alarm­stu­fe — trotz Omikron. Clubs, Discos und Messe­hal­len bleiben aber zu.

Baden-Württem­berg lockert trotz Omikron-Welle seine stren­gen Corona-Regeln in vielen Lebens­be­rei­chen. Vom kommen­den Freitag an gilt etwa in Restau­rants, in Museen und beim Sport in Hallen nur noch die 2G-Regel, bisher mussten auch hier Geimpf­te und Genese­ne einen aktuel­len Test vorwei­sen. Bei Großver­an­stal­tun­gen in Sport und Kultur sind wieder mehr Besucher erlaubt, die Obergren­ze liege bei 6000, kündig­te Minis­ter­prä­si­dent Winfried Kretsch­mann am Mittwoch im Landtag in Stutt­gart an. Auch für Ungeimpf­te gibt es Erleich­te­run­gen. Die nächt­li­chen Ausgangs­sper­ren fallen mit Rückkehr in die norma­le Alarm­stu­fe weg. Trotz der Locke­run­gen mahnte Kretsch­mann wegen der hochan­ste­cken­den Omikron-Virus­va­ri­an­te zur Vorsicht.

Die grün-schwar­ze Regie­rung nahm deshalb in der zweit­höchs­ten Stufe, der norma­len Alarm­stu­fe, auch einige Verschär­fun­gen vor. Clubs, Discos und Messe­hal­len müssen wegen erhöh­ter Anste­ckungs­ge­fahr geschlos­sen bleiben. «Wir gehen an dieser Stelle auf Nummer sicher», sagte Kretsch­mann. Eigent­lich hätten sie in der Alarm­stu­fe mit der 2G-Regel wieder öffnen dürfen. Fastnachts­um­zü­ge sind verbo­ten. In Bussen und Bahnen muss künftig eine FFP2-Maske getra­gen werden. Im Einzel­han­del gilt wegen eines Gerichts­ur­teils vom Diens­tag wieder die 3G-Regel, Ungeimpf­te können mit einem aktuel­len Test wieder einkaufen.

Die neue Corona-Verord­nung der grün-schwar­zen Regie­rung soll Donners­tag beschlos­sen werden und von Freitag an gelten. Künftig soll es demnach länger dauern, bis das Land die Alarm­stu­fe II mit härte­ren Einschrän­kun­gen ausru­fen kann. Außer bei der AfD gab es von der Opposi­ti­on im Landtag kaum Kritik an den neuen Regeln.

Hinter­grund für die Locke­run­gen ist, dass die Regie­rung aus Grünen und CDU das regulä­re Stufen­sys­tem wieder in Kraft setzen muss. Zuletzt hatte sie wegen Omikron die Alarm­stu­fe II mit harten Einschrän­kun­gen einge­fro­ren. Der Verwal­tungs­ge­richts­hof (VGH) hält dieses Vorge­hen aber für voraus­sicht­lich rechts­wid­rig. Kretsch­mann bekräf­tig­te, Omikron bringe zwar weniger schwe­re Krank­heits­ver­läu­fe, sei aber deutlich anste­cken­der. Weil die Belas­tung der Kranken­häu­ser in den vergan­ge­nen Wochen — relativ gesehen — gesun­ken ist, muss die Regie­rung die Maßnah­men etwas lockern.

Die Regeln für priva­te Treffen blieben unver­än­dert. Das heißt, dass Ungeimpf­te Kontakt­be­schrän­kun­gen einhal­ten müssen. Ein Haushalt darf sich nur mit zwei weite­ren Perso­nen treffen. Die Ausgangs­sper­ren zwischen 21.00 Uhr und 05.00 Uhr für Nicht-Immuni­sier­te fallen in der Alarm­stu­fe weg. Bisher galt in Kreisen mit einer 7‑Tage-Inzidenz von mindes­tens 500, dass Ungeimpf­te nur aus zwingen­den Gründen nachts das Haus verlas­sen dürfen. Mit der neuen Corona-Verord­nung soll auch die Regel in der Alarm­stu­fe II angepasst werden. Künftig sollen die Ausgangs­be­schrän­kun­gen erst greifen, wenn in einem Kreis die Inzidenz von 1500 überschrit­ten wird.

In der Gastro­no­mie entfällt in der Alarm­stu­fe auch die Sperr­stun­de ab 22.30 Uhr. In Museen, Archi­ven und Büche­rei­en gilt nur noch 2G. Dassel­be gilt für Kosme­tik­sa­lons. Auch bei touris­ti­schen Angebo­ten wie Skilifts, Seilbah­nen und Busrei­sen müssen Geimpf­te und Genese­ne künftig keinen Test mehr vorweisen.

Im Fußball­sta­di­on sind in der norma­len Alarm­stu­fe wieder bis zu 6000 Zuschau­er zugelas­sen, wenn der Veran­stal­ter die 2G-plus-Regel anwen­det. Das heißt, die Besuche­rin­nen und Besucher müssen geimpft oder genesen und zusätz­lich getes­tet sein. Wenn die Veran­stal­ter mit der 2G-Regel arbei­ten wollen, gilt eine Obergren­ze von 3000 Zuschau­ern. 10 Prozent dürfen Stehplät­ze sein. Die Besucher müssen aber einein­halb Meter Abstand halten.

Bei Kultur­ver­an­stal­tun­gen wie Konzer­ten sind in geschlos­se­nen Räumen 3000 Besucher zugelas­sen — unter der Bedin­gung, dass 2G plus am Eingang angewen­det wird. Bei 2G ist die Obergren­ze 1500. Für alle Veran­stal­tun­gen gilt, dass höchs­tens die Hälfte der Kapazi­tä­ten ausge­schöpft werden dürfen.

Die Corona-Inzidenz ist wegen Omikron in den vergan­ge­nen Tagen auf über 800 stark gestie­gen. Aller­dings ist die Zahl der Covid-19-Patien­ten auf Inten­siv­sta­tio­nen auf 286 gesun­ken. Die landes­wei­te Hospi­ta­li­sie­rungs­in­zi­denz lag zuletzt bei 4,8. Sie gibt an, wie viele Corona-Infizier­te inner­halb einer Woche pro 100 000 Einwoh­ner in Kranken­häu­ser gebracht werden.

Kretsch­mann erklär­te, mit der Hospi­ta­li­sie­rungs­ra­te von über 3,0 sei die Voraus­set­zung für die Alarm­stu­fe erfüllt — auch wenn die Obergren­ze der Inten­siv­bet­ten von 390 nicht erreicht werde. Künftig gelte aber für das Errei­chen der Alarm­stu­fe II eine neue Regel: Diese werde nur ausge­ru­fen, wenn beide Grenz­wer­te überschrit­ten werden. Das heißt, die Hospi­ta­li­sie­rungs­ra­te müsste über 6 steigen und es müssten mehr als 450 Covid-Patien­ten auf Inten­siv­sta­tio­nen liegen. «Diese Verknüp­fung ist neu», erklär­te der Regierungschef.

SPD und FDP hielten der Regie­rung vor, dass der VGH das Einfrie­ren der Alarm­stu­fe II gerügt hatte. Kretsch­mann habe hier «willkür­lich» gehan­delt, kriti­sier­te FDP-Frakti­ons­chef Hans-Ulrich Rülke. «Der erste, der sich nicht an die eigenen Regeln hält, ist Winfried Kretsch­mann. Da braucht er sich nicht zu wundern, dass Menschen auf die Straße gehen.» Er vermis­se eine Exit-Strate­gie: «Wie stellen sie sich vor, dass es weiter geht, wenn diese Pande­mie – so Gott will – demnächst endet?»

AfD-Frakti­ons­chef Bernd Gögel hält die Einschrän­kun­gen für völlig übertrie­ben. Zur FFP2-Masken­pflicht in Bussen und Bahnen sagte er: «Das kann doch nicht ihr Ernst sein.» Die richti­ge Strate­gie sei, dass alle Menschen sich täglich testen. Die Frakti­ons­chefs von Grünen und CDU, Andre­as Schwarz und Manuel Hagel, vertei­dig­ten die Corona-Strate­gie. «Wir bleiben im Team Umsicht und Vorsicht», sagte Schwarz. Sein CDU-Kolle­ge sagte, es gebe kein Schema F, mit dem man das Virus aus der Welt schaf­fen könne: «Wir müssen auch immer bereit sein, den einge­schla­ge­nen Weg auch zu korrigieren.»