BERLIN (dpa) — Nach dem spekta­ku­lä­ren Aus für die umstrit­te­ne Pkw-Maut warnten Kriti­ker immer wieder vor Millio­nen-Folgen für die Steuer­zah­ler. Dazu lief im Stillen ein Schieds­ver­fah­ren — jetzt gibt es Neuigkeiten.

Im Rechts­streit um Entschä­di­gungs­zah­lun­gen wegen der geplatz­ten Pkw-Maut muss der Bund nach Angaben der Gegen­sei­te eine Nieder­la­ge einstecken.

Wie die einst vorge­se­he­nen Betrei­ber CTS Eventim und Kapsch Traffic­com in Pflicht­mit­tei­lun­gen für die Börse mitteil­ten, bejah­te ein Schieds­ge­richt einen Anspruch auf Schadens- und Aufwen­dungs­er­satz gegen die Bundes­re­pu­blik. In einer zweiten Phase des Schieds­ver­fah­rens werde nun über die Höhe des Anspruchs entschie­den. Die Firmen fordern 560 Millio­nen Euro.

Die Pkw-Maut — ein Presti­ge­pro­jekt der CSU in der damali­gen schwarz-roten Bundes­re­gie­rung — war im Juni 2019 vom Europäi­schen Gerichts­hof (EuGH) als rechts­wid­rig gestoppt worden. Direkt nach dem Urteil kündig­te Verkehrs­mi­nis­ter Andre­as Scheu­er (CSU) die Betrei­ber­ver­trä­ge — und wies seitdem alle Entschä­di­gungs­an­sprü­che der Firmen deswe­gen entschie­den zurück. Es begann ein Schiedsverfahren.

Das Schieds­ge­richt habe bestä­tigt, dass die angemel­de­ten Ansprü­che ihres für die Maut gegrün­de­ten Gemein­schafts­un­ter­neh­mens Autoti­cket «dem Grunde nach bestehen», teilten Kapsch und CTS Eventim mit. Das gehe aus dem Zwischen­schieds­spruch hervor, der den Betrei­ber­par­tei­en übermit­telt worden sei. Das Bundes­ver­kehrs­mi­nis­te­ri­um habe sich demnach nicht «einsei­tig und entschä­di­gungs­los» von dem Vertrag lossa­gen dürfen. Mit dem Schieds­spruch sei auch der behaup­te­te Kündi­gungs­grund einer «Schlecht­leis­tung» abgelehnt worden.

Das Verkehrs­mi­nis­te­ri­um äußer­te sich zunächst nicht in der Sache. «Uns wurde noch keine Entschei­dung zugestellt», sagte eine Spreche­rin von Ressort­chef Volker Wissing (FDP) auf Anfra­ge. «Sobald dies erfolgt, werden wir sorgfäl­tig prüfen, auswer­ten und über das weite­re Vorge­hen entscheiden.»

Scheu­er hatte wieder­holt betont, die Betrei­ber hätten keinen Anspruch auf Entschä­di­gung. Sie hätten vertrag­li­che Leistun­gen nicht erfüllt und auch nach der Kündi­gung die Verträ­ge vorsätz­lich und treuwid­rig verletzt. Diese seien daher aus mehre­ren trifti­gen Gründen gekün­digt worden. In diesem Fall sei die Vertrags­la­ge «zuguns­ten des Bundes».

Die Betrei­ber­fir­men hatten dagegen argumen­tiert, dass ihre Tochter Autoti­cket im vorlie­gen­den Fall der Vertrags­be­en­di­gung Anspruch auf entgan­ge­nen Gewinn über die Vertrags­lauf­zeit habe — vorge­se­hen waren zwölf Jahre. Weiter­hin sehe der Betrei­ber­ver­trag einen Ausgleich von «Beendi­gungs­kos­ten» vor, zu denen auch Schadens­er­satz­an­sprü­che von Unter­auf­trag­neh­mern gehörten.

Das Vorge­hen Scheu­ers hatte in der vergan­ge­nen Wahlpe­ri­ode einen Unter­su­chungs­aus­schuss des Bundes­tags beschäf­tigt. Die damali­ge Opposi­ti­on warf ihm Verstö­ße gegen Haushalts- und Verga­be­recht vor und warnte vor Millio­nen­kos­ten für die Steuer­zah­ler wegen der Vertrags­kün­di­gung. Scheu­er hatte die Vorwür­fe stets zurückgewiesen.

Im Visier stand dabei auch, dass Scheu­er die Betrei­ber­ver­trä­ge schon Ende 2018 abschloss, noch bevor endgül­ti­ge Rechts­si­cher­heit beim EuGH bestand. In dem 2021 vorge­leg­ten Abschluss­be­richt des U‑Ausschusses hieß es, dem Risiko eines vollstän­di­gen Schei­terns der Pkw-Maut vor dem EuGH hätte «in der Risiko­ab­wä­gung eine größe­re Bedeu­tung zukom­men müssen». Festge­stellt wurde zugleich, es habe «kein Fall einer Lüge, bewuss­ter Verheim­li­chung oder Manipu­la­ti­on» des Minis­te­ri­ums oder des Minis­ters glaub­haft nachge­wie­sen werden können.