STUTTGART (dpa/lsw) — Baden-Württem­berg besitzt viele kunst­vol­le Gegen­stän­de, die während der Koloni­al­zeit aus ihren Herkunfts­län­dern geraubt worden sind. Das Land zeigt sich offen für die Rückga­be. Nach Objek­ten, die Namibia und Nigeria erhal­ten haben, gibt es nun Forde­run­gen aus Kamerun.

Nach der Einigung über die Rückga­be von geraub­ten Objek­ten an Nigeria wird in Stutt­gart über weite­re kunst­vol­le afrika­ni­sche Gegen­stän­de wie Ketten und Hauben aus dem heuti­gen Kamerun disku­tiert. Die Künst­le­rin und Aktivis­tin Sylvie Njobati hat nach Angaben des Linden-Museums einen offizi­el­len Antrag auf Rückga­be mehre­rer Stücke überreicht, die dem Volk der Nso im Nordwes­ten Kameruns zugeschrie­ben werden. Der Antrag liege dem Wissen­schafts­mi­nis­te­ri­um vor, sagte die Direk­to­rin des staat­li­chen Museums für Völker­kun­de, Ines de Castro, der Deutschen Presse-Agentur.

Das Museum hat nach Angaben des Minis­te­ri­ums insge­samt rund 45 Objek­te aus der Region in seinem Bestand, darun­ter auch Hauben, einen Thron­ho­cker und Ketten. Kennt­nis von weite­ren Objek­ten in anderen Sammlun­gen des Landes habe das Land nicht, sagte eine Minis­te­ri­ums­spre­che­rin. Unklar ist zunächst auch, um wie viele Stücke aus dem Stutt­gar­ter Bestand es bei der Forde­rung Njobatis geht. «Es muss noch vom König benannt werden, um welche Objek­te es sich aus seiner Sicht handelt», sagte Museums­lei­te­rin de Castro.

Njobati versucht seit vier Jahren, Raubgut aus deutschen Museen für ihr Volk zu resti­tu­ie­ren. Ihr erster Erfolg: Im vergan­ge­nen Juni beschloss die Stiftung Preußi­scher Kultur­be­sitz, die Statue Ngonn­so zurück­zu­ge­ben. Die Figur stammt aus dem histo­ri­schen König­reich Nso’ und kam 1903 als Teil der Schen­kung des Koloni­al­of­fi­ziers Kurt von Pavel in die Sammlung des Ethno­lo­gi­schen Museums der Staat­li­chen Museen nach Berlin. Vertre­ter der Nso-Commu­ni­tiy in Kamerun und Deutsch­land hatten sich mit Exper­ten­teams aus Museen und Wissen­schaft beraten. Danach war die Ngonn­so zwar nicht durch Plünde­rung entfernt worden, aller­dings waren unglei­che Macht­ver­hält­nis­se und kolonia­le Gewalt ausschlag­ge­bend. Zudem hat die Ngonn­so eine zentra­le Rolle für die Nso als Muttergottheit.

Kultur­ak­ti­vis­tin Njobati warb um Verständ­nis für die Rückfor­de­rung. Die Stutt­gar­ter Objek­te seien keines­wegs musea­le Kunst­wer­ke, die es in einer schönen Ausstel­lung zu präsen­tie­ren gelte. Sie seien vielmehr spiri­tu­ell und tradi­tio­nell bedeu­tend für das Wohlerge­hen ihres Volkes. «Wir sind als Gemein­schaft tief verwur­zelt in unserer Tradi­ti­on und in der Vereh­rung unserer Vorfah­ren», erklär­te sie im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. «Diese Objek­te sind eine wichti­ge Brücke zwischen uns, unserer Identi­tät und unseren Ahnen. Jedes von ihnen hat eine Bedeu­tung für uns, sie sprechen zu uns und wir zu ihnen.» Sie werde sich nach dem jüngs­ten Gespräch in Stutt­gart mit dem Fon, also dem König von Nso, und dem Ältes­ten­rat beraten.

Geprüft wird die Forde­rung des Fon auch im Wissen­schafts­mi­nis­te­ri­um. Eine Rückga­be schließt Kunst­mi­nis­te­rin There­sia Bauer (Grüne) keines­wegs aus, im Gegen­teil: «Generell gilt: Baden-Württem­berg stellt sich seiner histo­ri­schen Verant­wor­tung im Zusam­men­hang mit dem deutschen und europäi­schen Kolonia­lis­mus», sagte sie der dpa. Rückfor­de­run­gen von Kultur­gü­tern, die im kolonia­len Kontext erwor­ben worden seien, stehe das Land daher grund­sätz­lich offen gegen­über. «Das gilt auch für Kamerun als ehema­li­ge deutsche Kolonie.»

Njobati ist vorsich­tig optimis­tisch. «Die Menschen in Deutsch­land begin­nen zu verste­hen, dass es bei der Resti­tu­ti­on nicht nur um einzel­ne Objek­te geht. Sie ist vielmehr Teil des Versuchs, Gerech­tig­keit für die Überle­ben­den des Kolonia­lis­mus zu errei­chen.» Entschei­den müsse nicht das Museum, sondern die Politik. «Aber hinter jedem politi­schen Amt steht ein Mensch», sagte Njobati. «Und wenn dieser ein Empfin­den entwi­ckeln kann für unsere Motiva­ti­on, dann gibt es eine große Chance, dass wir unsere Gegen­stän­de zurück­be­kom­men.» Zweifels­oh­ne seien diese damals den Deutschen nicht geschenkt, sondern unter Druck überge­ben oder geraubt worden.

Das schließt auch Museums­lei­te­rin de Castro nicht aus: «Wir vermu­ten bei einigen Objek­ten, dass sie durch den Überfall der Deutschen entwen­det wurden und unter verwerf­li­chen Umstän­den in die Sammlung kamen», sagte sie der dpa. Der Forde­rung aus Kamerun stehe das Museum sehr offen gegenüber.

Als Kolonie war Kamerun von 1884 bis 1916 ein Teil des Deutschen Reiches. Die zunächst freund­li­chen Kontak­te zwischen den Nso und den deutschen Expedi­ti­ons­trup­pen wurden aller­dings zuneh­mend feind­lich. Letzt­lich wurden sämtli­che Aufstän­de und Wider­stän­de der Nso von den Europä­ern nieder­ge­schla­gen, die Bevöl­ke­rung musste ein neues System der Besteue­rung, Verwal­tung und Arbeit erdulden.