STUTTGART/BADEN-BADEN (dpa/lsw) — U‑Bahnen, Busse, Straßen­bah­nen, sogar eine Bergbahn und die Schif­fe am Boden­see — fast alles steht seit dem Morgen in Baden-Württem­bergs größten Städten still. Die Gewerk­schaft will damit den Druck für mehr Geld für die Staats­die­ner erhöhen. Es ist nicht der einzi­ge Streik.

In mehre­ren baden-württem­ber­gi­schen Großstäd­ten haben am frühen Freitag­mor­gen Warnstreiks im öffent­li­chen Perso­nen­nah­ver­kehr begon­nen und vor allem Pendler auf die Gedulds­pro­be gestellt. Wer mit dem öffent­li­chen Nahver­kehr zur Arbeit oder in die Schule will, der muss sich in Stutt­gart, Freiburg, Mannheim und Heilbronn, in Ulm, Esslin­gen, Konstanz, Baden-Baden und Karls­ru­he eine Alter­na­ti­ve überle­gen. In diesen Städten sind die Beschäf­tig­ten der kommu­na­len Nahver­kehrs­un­ter­neh­men den ganzen Freitag über aufge­ru­fen, die Arbeit nieder­zu­le­gen. Ähnli­che Aktio­nen gibt es in fünf weite­ren Bundesländern.

Die Gewerk­schaft Verdi, die damit den Druck im Tarif­kon­flikt im öffent­li­chen Dienst des Bundes und der Kommu­nen erhöhen will, zeigte sich sehr zufrie­den mit dem Start in den Streik-Freitag. «Es sind alle dabei», sagte Reiner Geis aus dem Verdi-Bezirk Südba­den Schwarz­wald. Dort werden die Verkehrs­be­trie­be Freiburg ebenso bestreikt wie die Konstan­zer Stadt­wer­ke. Nicht nur Busse und Bahnen bleiben in den Depots, auch die Bergbahn Schau­ins­land und die Fähre der Weißen Flotte am Boden­see zwischen Konstanz und Meers­burg fahren nicht.

Im Verdi-Bezirk Rhein-Neckar machten sich die Verant­wort­li­chen wenig Sorgen, dass der Warnstreik den Protes­ten der Klima-Aktivis­ten am selben Tag in die Quere kommen könnte. «Im Gegen­teil», sagte Geschäfts­füh­re­rin Kathrin Biro. «Wir haben das gemein­sa­me Ziel. Und Klima­ak­ti­vis­ten sind flexi­bel, wenn es um Mobili­tät geht.» Auch in Heilbronn ist kein Bus unter­wegs, S‑Bahnen fahren nicht durch das Stadt­ge­biet, sondern halten am Hauptbahnhof.

In Stutt­gart fahren S‑Bahnen dagegen trotz des Streiks. Sie werden von der Deutschen Bahn bedient. Erstma­lig in der Geschich­te des Karls­ru­her Verkehrs­ver­bun­des sind in der Fächer­stadt die Albtal­ver­kehrs­ge­sell­schaft AVG (Solida­ri­täts­streik) und die Verkehrs­be­trie­be Karls­ru­he VBK gemein­sam zum Arbeits­kampf aufgerufen.

Bereits seit Wochen bekom­men viele Bürge­rin­nen und Bürger Warnstreiks im öffent­li­chen Dienst zu spüren. Verdi und der Beamten­bund dbb wollen damit ihre Forde­run­gen in der laufen­den Tarif­run­de für die Kommu­nen und den Bund untermauern.

Die Arbeit­ge­ber hatten bei den bundes­wei­ten Verhand­lun­gen in Potsdam in der zweiten Runde vergan­ge­ne Woche zwar ein Angebot vorge­legt. Die Gewerk­schaf­ten wiesen es aber umgehend zurück. Das Angebot umfasst unter anderem eine Entgelt­er­hö­hung von insge­samt fünf Prozent in zwei Schrit­ten und Einmal­zah­lun­gen in Höhe von insge­samt 2500 Euro. Verdi und der Beamten­bund dbb fordern 10,5 Prozent mehr Einkom­men, mindes­tens aber 500 Euro mehr im Monat. Die Arbeit­ge­ber­sei­te hatte die Forde­run­gen als «nicht leist­bar» abgelehnt.

Für Ende März ist die wohl entschei­den­de dritte Runde angesetzt. Verdi-Chef Frank Werne­ke hatte bereits gesagt, eine Urabstim­mung über einen regulä­ren Streik sei «auf der Agenda», falls die dritte Runde keinen Durch­bruch bringt.

Die Verdi-Aktion soll gemein­sam mit den Klima­ak­ti­vis­ten von Fridays for Future statt­fin­den, die für diesen Freitag zu Protes­ten für mehr Klima­schutz aufge­ru­fen hat. Hefti­ge Kritik an Verdi kam deshalb von der Bundes­ver­ei­ni­gung der Deutschen Arbeit­ge­ber­ver­bän­de (BDA). Die Koope­ra­ti­on sei «eine gefähr­li­che Grenz­über­schrei­tung», sagte der BDA-Haupt­ge­schäfts­füh­rer Steffen Kampe­ter der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. «Streiks sind zuläs­sig, um Tarif­ver­trä­ge zu errei­chen, die Arbeits­be­din­gun­gen regeln.» Wer aber Arbeits­kämp­fe und allge­mein­po­li­ti­sche Ziele mitein­an­der vermi­sche, gerate schnell auf ein Spiel­feld jenseits der deutschen Tarif­au­to­no­mie. Politi­sche oder quasi politi­sche Streiks seien in Deutsch­land rechtswidrig.

Allein im Südwes­ten rechnet Fridays for Future mit Tausen­den Teilneh­me­rin­nen und Teilneh­mern bei Demons­tra­tio­nen in mehr als 40 Städten. Die größte Kundge­bung ist in Stutt­gart mit 5000 angemel­de­ten Teilneh­men­den geplant, in Freiburg werden 4000 und in Karls­ru­he 3000 Menschen erwar­tet. Unter dem Motto «#Tomor­ro­wIs­Too­La­te» (Morgen ist zu spät) sind nach Angaben der Veran­stal­ter Protes­te unter anderem in Stutt­gart, Biber­ach und Geislin­gen, Freiburg, Reutlin­gen, Wiesloch, Heiden­heim und Ludwigs­burg geplant. Auch in Heidel­berg und Mannheim wird zu Demons­tra­tio­nen eingeladen.