BERLIN (dpa) — Viel und schnell testen: Die Bundes­re­gie­rung will es den Bürgern leicht machen, einen Corona-Schnell­test zu bekom­men und übernimmt deshalb die Kosten. Das hat zu einem wahren Boom an neuen Testzen­tren geführt — nicht allen geht es allein um das Wohl der Bürger.

Ob in Bäcke­rei­en, in Kiosks oder in umgerüs­te­ten Lastwa­gen-Anhän­gern: Wer einen Corona-Schnell­test fürs Einkau­fen oder den Restau­rant­be­such braucht, muss zumin­dest in den Ballungs­ge­bie­ten nicht lange nach einer Teststel­le suchen.

Seit der Einfüh­rung der sogenann­ten Bürger­tests schie­ßen die Zentren gefühlt an jeder Ecke aus dem Boden. Und längst tummeln sich auf dem Markt auch Anbie­ter, die sonst wenig mit dem Gesund­heits­we­sen zu tun haben. Nicht alle haben dabei offen­bar ausschließ­lich das Wohl der Bürger im Blick.

Bundes­wei­te Zahlen zu Testzen­tren in Deutsch­land gibt es keine — zumin­dest liegen dazu dem Gesund­heits­mi­nis­te­ri­um eigenen Angaben zufol­ge keine Erkennt­nis­se vor, wie eine Spreche­rin mitteil­te. Für die Einrich­tun­gen seien die Länder zustän­dig. Allein in Berlin gebe es derzeit rund 1400 Teststel­len, sagte der Berli­ner Amtsarzt Patrick Larscheid am Freitag. «Sie wachsen schnel­ler aus dem Boden, als wir infor­miert werden, wo überhaupt eine ist.»

Beschwer­den über zweifel­haf­te Tests

Dabei beschwer­ten sich immer mehr Bürger über zweifel­haf­te Tests und Ergeb­nis­se. Das Reini­cken­dor­fer Gesund­heits­amt gehe Beschwer­den nach und prüfe pro Tag 10 bis 15 Schnell­test-Stellen, sagte Larscheid. «Unsere Befürch­tung ist eher, dass es eine ideale Möglich­keit ist, ohne jeden Nachweis vom Staat Geld in relevan­ten Größen­ord­nun­gen abzukassieren.»

Dass so mancher Betrei­ber mit krimi­nel­ler Energie unter­wegs ist, legen auch Recher­chen von «Süddeut­sche Zeitung», WDR und NDR nahe. Es würden vieler­orts deutlich mehr Tests bei den Kassen­ärzt­li­chen Verei­ni­gun­gen abgerech­net als tatsäch­lich durch­ge­führt worden seien, heißt es dort. Der Bericht verweist auf mangeln­de Kontroll­mög­lich­kei­ten seitens der Behörden.

Kontrol­len seitens der Gesund­heits­äm­ter sind schon deshalb schwie­rig, weil die Namen und Adres­sen der Testwil­li­gen für die Abrech­nung aus Daten­schutz­grün­den nicht weiter­ge­ge­ben werden dürfen.

18 Euro pro Test

Seit März sieht die Corona-Testver­ord­nung der Bundes­re­gie­rung die Bürger­tests vor, im April rechne­ten die Kassen­ärzt­li­chen Verei­ni­gun­gen (KV) erstmals die Kosten beim Bundes­amt für Sozia­le Siche­rung ab. 18 Euro erhal­ten die Teststel­len pro Test. 660 Millio­nen Euro seien in den Monaten April und Mai insge­samt überwie­sen worden, heißt es von dort auf Anfrage.

Aller­dings sind darin nicht nur die Kosten für die Bürger­tests enthal­ten, sondern generell für alle vom Bund bezahl­ten Point-of-Care-Antigen­tests (PoC) — also Schnell­tests, für die die Proben nicht extra in ein Labor geschickt werden müssen. Neben den Bürger­tests sind das etwa auch solche «für Bewoh­ne­rin­nen und Bewoh­ner von Unter­neh­men und Einrich­tun­gen des Gesund­heits- und Sozial­we­sens», wie das Bundes­amt mitteil­te. Eine genaue­re Aufglie­de­rung erfol­ge nicht. Allein im April seien rund 10,2 Millio­nen PoC-Antigen­tests abgerech­net worden, heißt es aus Gesundheitskreisen.

Spahn: «Nicht akzeptabel»

So oder so kostet die Teststra­te­gie den Steuer­zah­ler somit viel Geld. Gesund­heits­mi­nis­ter Jens Spahn (CDU) verur­teil­te am Freitag daher die krimi­nel­le Energie mancher Test-Anbie­ter. «Wir haben ja ausdrück­lich eine Zulas­sung der Testzen­tren durch die Behör­den vor Ort vorge­se­hen, auch Länder und KVen haben Kontroll­mög­lich­kei­ten», sagte er der «Bild»-Zeitung. «Wenn einzel­ne Akteu­re diese schein­bar krimi­nell unter­lau­fen, ist das nicht akzeptabel.»

Nachdem die Markt­prei­se inzwi­schen gesun­ken sind, plane der Bund, die Vergü­tun­gen ebenfalls zu senken. «Bei der Gelegen­heit werden wir auch stärke­re Kontroll­me­cha­nis­men prüfen», sagte Spahn. Sein Sprecher wies auf der Bundes­pres­se­kon­fe­renz am Freitag zudem auf die Möglich­keit nachträg­li­cher Kontrol­len hin. «Die Daten, die für die Kontrol­le der korrek­ten Leistungs­er­brin­gung nötig sind, müssen bis zum 31. Dezem­ber 2024 aufbe­wahrt werden», sagte er. Somit sei auch eine anschlie­ßen­de Rechnungs­prü­fung möglich. Die Verant­wor­tung dafür liege bei den Kassen­ärzt­li­chen Vereinigungen.

Mancher Exper­te erwar­tet aber ohnehin, dass sich das Thema im Laufe des Sommers erledi­gen könnte — dann nämlich, wenn immer mehr Menschen geimpft sind und auch ohne Test ins Restau­rant gehen können.