BERLIN (dpa) — Das fragwür­di­ge Verhal­ten seines Top-Mitar­bei­ters Patrick Graichen hat Wirtschafts­mi­nis­ter Robert Habeck in die Bredouil­le gebracht. Jetzt zieht Habeck die Reißlei­ne — wegen weite­rer Vorwürfe.

Wirtschafts­staats­se­kre­tär Patrick Graichen muss als Ergeb­nis weite­rer inter­ner Prüfun­gen seinen Posten räumen. Das sagte Bundes­wirt­schafts­mi­nis­ter Robert Habeck (beide Grüne) in Berlin. Hinter­grund ist demnach die geplan­te finan­zi­el­le Förde­rung eines Projekts des BUND-Landes­ver­bands Berlin, in dessen Vorstand die Schwes­ter Graichens ist. Der Staats­se­kre­tär soll demnach in den einst­wei­li­gen Ruhestand versetzt werden.

Habeck sagte, er wisse seit Diens­tag vergan­ge­ner Woche von dem Vorgang. Eine erste kurso­ri­sche Einschät­zung sei aber entlas­tend ausge­fal­len — was sich mit einer gründ­li­che­ren Prüfung geändert habe. So habe Graichen im Novem­ber 2022 eine Liste mit «Projekt­skiz­zen» gebil­ligt. Bei einer davon sei es um ein Vorha­ben des Landes­ver­bands Berlin des Bundes für Umwelt und Natur­schutz (BUND) gegan­gen mit einer Summe von knapp 600.000 Euro. Verena Graichen sei bis Mai 2022 Landes­vor­sit­zen­de beim BUND in Berlin gewesen.

«Der eine Fehler zu viel»

Das Projekt sei als förder­wür­dig einge­stuft worden, eine finale Entschei­dung damit nur noch Formsa­che gewesen. Geld sei aber noch nicht geflos­sen, sagte Habeck. Der Vorgang hätte Graichen weder vorge­legt werden, noch hätte er ihn abzeich­nen dürfen. Es handle sich um einen Compli­ance-Verstoß, also einen Verstoß gegen inter­ne Ethik-Regeln.

«Es ist der eine Fehler zu viel», sagte Habeck. Deshalb habe er heute diese Entschei­dung getrof­fen. «Das ist eine weitrei­chen­de, schwe­re Entschei­dung — weitrei­chend für mein Haus, schwer für mich und sehr hart für Patrick Graichen. Es geht aber darum, das Vertrau­en in die Arbeit dieses Hauses als Insti­tu­ti­on zu schüt­zen. Es geht darum, die politi­sche Handlungs­fä­hig­keit zu wahren.»

Trauzeu­gen für Dena-Chefpos­ten ausgewählt

Graichen war zuletzt wegen seiner Betei­li­gung an der Auswahl seines Trauzeu­gen für den Chefpos­ten der bundes­ei­ge­nen Deutschen Energie-Agentur (Dena) in die Kritik geraten. Sowohl Graichen als auch Habeck sprechen mittler­wei­le von einem Fehler. Das Verfah­ren zur Perso­nal­aus­wahl soll neu aufge­rollt werden.

Nach einer gemein­sa­men Befra­gung in den Ausschüs­sen für Energie sowie Wirtschaft und Klima­schutz am vergan­ge­nen Mittwoch hatte Habeck noch an Graichen festge­hal­ten. «Ich habe entschie­den, dass Patrick Graichen wegen dieses Fehlers nicht gehen muss», hatte der Minis­ter nach der rund zweiein­halb­stün­di­gen Sitzung noch erklärt. Es laufe nun aller­dings eine beamten­recht­li­che Prüfung, denn gegen Vorga­ben des Wirtschafts­mi­nis­te­ri­ums sei «erkenn­bar versto­ßen worden».

Opposi­ti­ons­ver­tre­ter hatten sich nach der Sitzung unbeein­druckt gezeigt und weite­re offene Fragen gesehen. Auch Graichens Rücktritt wurde mehrfach gefor­dert. Vertre­ter der CDU/CSU hatten auch einen Unter­su­chungs­aus­schuss ins Spiel gebracht.

Kritik gibt es auch an perso­nel­len Verflech­tun­gen im Wirtschafts­mi­nis­te­ri­um. Graichens Schwes­ter, verhei­ra­tet mit dessen Staats­se­kre­tärs-Kolle­gen Micha­el Kellner, arbei­tet wie auch ihr Bruder beim Öko-Insti­tut — einer Forschungs­ein­rich­tung, die Aufträ­ge vom Bund bekommt. Das Minis­te­ri­um betont, Kellner und Graichen seien nicht an Ausschrei­bun­gen betei­ligt gewesen, auf die sich das Öko-Insti­tut hätte bewer­ben können.