«Unter den Toten befindet sich im übrigen auch ein ungeborenes Kind im Alter von sieben Monaten, das im Mutterleib getroffen wurde», sagte Grote. Er bezeichnete den Vorfall als Amoklauf. «Eine Amoktat dieser Dimension — das kannten wir bislang nicht. Das ist die schlimmste Straftat, das schlimmste Verbrechen in der jüngeren Geschichte unserer Stadt.» Auch die Polizei stufte nach Informationen aus Sicherheitskreisen die Tat als Amoklauf ein.
Vier Männer, zwei Frauen und ein Fötus
Bei den Todesopfern handelt es sich um vier Männer, zwei Frauen und einen weiblichen Fötus im Alter von 28 Wochen. Die Männer und Frauen seien zwischen 33 und 60 Jahre alt, sagte der Leiter des Staatsschutzes der Polizei, Thomas Radszuzweit. «Alle Todesopfer sind deutscher Staatsangehörigkeit und starben jeweils durch Schusseinwirkung.»
Darüber hinaus seien sechs Frauen und zwei Männer im Alter zwischen 23 und 46 Jahren verletzt worden, mindestens vier von ihnen lebensbedrohlich, «teils mit multiplen Schusswunden», sagte Radszuzweit. Sechs der Verletzten seien deutsche Staatsangehörige, je eine Frau ist ugandischer beziehungsweise ukrainischer Staatsangehörigkeit, teilte Radszuzweit mit.
Polizei war binnen Minuten am Tatort
Die Hamburger Polizei war binnen weniger Minuten am Tatort. Die Tat habe sich am Donnerstag gegen 21.00 Uhr ereignet, sagte Grote. Um 21.04 seien die ersten Notrufe eingegangen. «Um 21.08 Uhr waren erste Kräfte vor Ort.» Nur eine Minute später, um 21.09 Uhr, sei die Unterstützungsstreife für erschwerte Einsatzlagen (USE) am Tatort gewesen.
Diese Einheit für Einsatzlagen, die eine erhöhte Gefährdung für die eingesetzten Beamtinnen und Beamten erwarten lassen, habe sich um 21.11 Uhr Zutritt zum Gebäude verschafft und das Tatgeschehen unterbrochen. «Wir können davon ausgehen, dass sie damit vielen Menschen das Leben gerettet haben», sagte Grote.
Die tödlichen Schüsse hatten zu einem Großeinsatz geführt. Bis in den Vormittag waren die Ermittler zur Spurensuche am Tatort unterwegs. Die ersten Leichen wurden mittlerweile abtransportiert.
Amokschütze war ehemaliges Mitglied der Gemeinde
Der mutmaßliche Todesschütze von Hamburg ist ein 35 Jahre alter Deutscher. Philipp F. sei ein ehemaliges Mitglied der Hamburger Gemeinde der Zeugen Jehovas gewesen und habe diese vor eineinhalb Jahren freiwillig, aber offensichtlich nicht im Guten verlassen. Das teilten Polizei, Staatsanwaltschaft und Innenbehörde am Freitag mit.
Der mutmaßliche Todesschütze kam nach dpa-Informationen aus Bayern. Der Mann wuchs demnach im Regierungsbezirk Schwaben auf und ist seit dem Jahr 2015 in Hamburg gemeldet. Den Informationen zufolge beantragte er dort im vergangenen Jahr eine Waffenbesitzkarte. Mehrere Medien hatten über die Herkunft des Täters berichtet.
Als Extremist war der mutmaßliche Schütze demnach nicht bekannt. Dass sein Name dennoch in den Datenbanken der Sicherheitsbehörden auftauchte, hat dem Vernehmen nach auch keinen kriminellen Hintergrund, sondern damit zu tun, dass er eine waffenrechtliche Erlaubnis beantragt haben soll. Dafür ist immer auch eine Abfrage der Zuverlässigkeit nötig, bei der Bezüge zu Straftaten und Extremismus geprüft werden.
Steinmeier reagierte «mit großem Entsetzen»
Zahlreiche nationale und internationale Politiker reagierten schockiert und betroffen auf den tödlichen Vorfall. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sprach in einem Post auf Twitter von «schrecklichen Nachrichten aus Hamburg». Er richtete das Beileid Frankreichs an die Angehörigen der Opfer und an alle unsere deutschen Freunde aus. «Unsere Gedanken sind bei ihnen.»
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier reagierte «mit großem Entsetzen». «Meine Gedanken sind bei den Toten und ihren Familien. Ihnen gilt meine tiefe Anteilnahme an diesem Tag des Schmerzes», teilte das Staatsoberhaupt über seine Sprecherin auf Twitter mit. Steinmeier bedankte sich bei den Einsatzkräften vor Ort und wies auf die Anteilnahme der Bevölkerung hin: «Ich bin sicher, viele Menschen in Deutschland empfinden in diesen Stunden aufrichtiges Mitgefühl. Den Verletzten wünsche ich baldige Genesung.»
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bezeichnete die tödlichen Schüsse als brutale Gewalttat. «Schlimme Nachrichten aus #Hamburg. Mehrere Mitglieder einer Jehova-Gemeinde sind gestern Abend einer brutalen Gewalttat zum Opfer gefallen», postete er über den Regierungsaccount auf Twitter. «Meine Gedanken sind bei ihnen und ihren Angehörigen. Und bei den Sicherheitskräften, die einen schweren Einsatz hinter sich haben.» Die Polizei äußerte sich bislang noch nicht detailliert zu den Opfern.
Die Zeugen Jehovas zeigten sich «tief betroffen». «Unser tiefes Mitgefühl gilt den Familien der Opfer sowie den traumatisierten Augenzeugen. Die Seelsorger der örtlichen Gemeinde tun ihr Bestes, ihnen in dieser schweren Stunde Beistand zu leisten», hieß es in einem Statement auf der Website der Gemeinschaft.
Mitarbeiter der Spurensicherung arbeiten am Morgen am Tatort.
Foto: Christian Charisius/dpa
Am frühen Morgen sicherte die Polizei vor, hinter und in dem dreigeschossigen Gebäude noch weiter Spuren. An der Außenseite des Gebäudes haben die Ermittler noch in der Nacht zahlreiche kleine Nummerntafeln aufgestellt, um Spuren der Gewalttat zu markieren. Am Morgen war auch ein 3D-Scanner im Einsatz, um den Tatablauf zu dokumentieren. Der Eingang zu dem Gebäude der Zeugen Jehovas war am Morgen mit einem Sichtschutz abgedeckt.
Von den dpa-Korrespondenten