HANNOVER (dpa) — Corona und Liefer­ket­ten-Chaos hatten die Hanno­ver Messe drei Jahre lang ausge­bremst. Wirtschafts­ver­tre­ter befürch­ten, dass die deutsche Schlüs­sel­bran­che Maschi­nen­bau an Attrak­ti­vi­tät verliert.

Nach drei Jahren mit Corona-Einschrän­kun­gen läuft die weltgröß­te Indus­trie­schau Hanno­ver Messe wieder in ihrem vollen Format. Bundes­kanz­ler Olaf Scholz, der Präsi­dent des Partner­lan­des Indone­si­en, Joko Widodo, und Vertre­ter aus Wirtschaft und Politik eröff­ne­ten die Ausstellung.

Mit rund 4000 Teilneh­mern will die Messe an die Zeit vor der Pande­mie anknüp­fen. Bis zum Freitag (21. April) werden auf ihr Neuhei­ten aus Maschi­nen- und Anlagen­bau, Elektro­tech­nik und Klima­schutz-Techno­lo­gien gezeigt.

Scholz erhofft sich Impul­se für eine wettbe­werbs­fä­hi­ge Indus­trie und den Umbau in Richtung CO2-Neutra­li­tät. «Ich bin sehr froh, dass es wieder los geht mit der Hanno­ver Messe», sagte der SPD-Politi­ker. Sie war 2020 ausge­fal­len und hatte ihr Programm danach stark verklei­nern müssen.

In der aktuel­len, größe­ren Aufla­ge gehe es nun um etliche zentra­le Themen, «die etwas zu tun haben mit dem indus­tri­el­len Aufbruch, den wir in Deutsch­land vorha­ben», so Scholz — und mit «dem Aufschwung, der möglich ist, wenn wir all die Inves­ti­tio­nen voran­brin­gen, die notwen­dig sind, damit wir eine führen­de Indus­trie­na­ti­on bleiben».

Aus der Wirtschaft kam Kritik, dass manche EU-Länder wie die Bundes­re­pu­blik an Attrak­ti­vi­tät als Stand­or­te einbüß­ten. Dies liegt aus Sicht der Indus­trie etwa an zu hohen Energie­prei­sen, zu viel Bürokra­tie und zu langen Geneh­mi­gungs­ver­fah­ren. Scholz beton­te, es sei wichtig, dass «wir dabei sind, wenn es darum geht, CO2-neutral zu wirtschaf­ten, und gleich­zei­tig auch möglich zu machen, dass gute Arbeits­plät­ze hier im Lande möglich sind». Weite­re Schwer­punk­te in Hanno­ver sind Techno­lo­gien zur effizi­en­te­ren Nutzung von Energie, der Umgang mit Künst­li­cher Intel­li­genz und die Wasserstoffwirtschaft.

Klima-Umbau «wird ein Kraftakt»

Scholz beton­te, dass es vor allem bei der Umset­zung der Energie­wen­de schnel­ler voran­ge­hen müsse: «In den vergan­ge­nen Jahren ist so viel liegen­ge­blie­ben. Aber das holen wir jetzt auf.» Um die Klima­schutz­zie­le zu errei­chen, müssten in Deutsch­land täglich im Schnitt bis zu fünf Windrä­der sowie Solar­an­la­gen auf einer Fläche von über 40 Fußball­fel­dern instal­liert werden. «Das wird ein Kraftakt.»

Das erhöh­te Tempo bei der Planung und Einrich­tung der ersten Termi­nals für verflüs­sig­tes Erdgas (LNG) nach dem Kriegs­be­ginn in der Ukrai­ne solle nun «der Maßstab» sein, sagte Scholz. Ein Problem sei jedoch ebenso der Fachkräf­te­man­gel gerade in techni­schen Berufen, zu dessen Linde­rung es auch mehr Exper­ten aus dem Ausland brauche.

Bundes­for­schungs­mi­nis­te­rin Betti­na Stark-Watzin­ger (FDP) nannte das Techno­lo­gie­ab­kom­men mit Taiwan als Beispiel für gute inter­na­tio­na­le Zusam­men­ar­beit. «Gehen wir solche Schrit­te immer, wo sie möglich sind, trauen wir uns in der Forschung und in der Wirtschaft!», sagte sie. China, das Anspruch auf Taiwan erhebt, hatte ihren Besuch in Taipeh im März scharf kriti­siert. Aber auch in Deutsch­land «müssen wir unsere Hausauf­ga­ben machen und ein attrak­ti­ver Partner bleiben», so Stark-Watzin­ger. Der globa­le Wettbe­werb sei härter geworden.

Der Chef des deutschen Elektro- und Digital­ver­bands ZVEI, Gunther Kegel, forder­te die Politik zu mehr Innova­ti­ons­för­de­rung und einem entschlos­se­ne­ren Bürokra­tie­ab­bau auf. «Die Unter­neh­men haben drama­tisch an digita­ler Kompe­tenz hinzu­ge­won­nen», sagte er. Überre­gu­lie­rung und allzu detail­lier­te Vorga­ben stell­ten aber «gerade für unsere kleine­ren und mittle­ren Unter­neh­men mittler­wei­le eine kaum zu stemmen­de Last dar». Scholz räumte ein: «Wir brauchen weniger Bürokra­tie und schnel­le­re Verfah­ren.» Nieder­sach­sens Minis­ter­prä­si­dent Stephan Weil (SPD) sagte, es sei «eine Zeit, in der Innova­tio­nen dringend notwen­dig sind und gebraucht werden».

Partner­land Indonesien

Widodo kündig­te an, auch sein Land — die größte Volks­wirt­schaft Südost­asi­ens — wolle in den kommen­den Jahren schritt­wei­se auf eine «grüne» Energie­ver­sor­gung umstel­len. Schäden am Regen­wald und Waldbrän­de gingen bereits zurück, bis 2050 sollen sämtli­che indone­si­schen Kohle­kraft­wer­ke vom Netz sein. Inves­to­ren aus Deutsch­land seien «einge­la­den, diese “grüne” Wirtschaft mit aufzu­bau­en». Scholz sagte, er setze sich dafür ein, dass das seit langem disku­tier­te Freihan­dels­ab­kom­men zwischen der EU und Indone­si­en bald Gestalt anneh­me. «So würde auf einen Schlag ein gemein­sa­mer Wirtschafts­raum mit weit über 700 Millio­nen Menschen entstehen.»

Vor dem Kongress­zen­trum in Hanno­ver demons­trier­ten Menschen­recht­ler aus Indone­si­en und Vertre­ter von Amnes­ty Inter­na­tio­nal. Mit einer Mahnwa­che kriti­sier­ten sie, oft würden die Rechte von Einwoh­nern von Rohstoff-Abbau­ge­bie­ten und Bergbau­re­gio­nen verletzt.