BERLIN (dpa) — In kaum einer Apothe­ke in Deutsch­land ist noch Fieber­saft zu bekom­men. Gerade für Kinder fehlen Medika­men­te. Bringen nun die Maßnah­men der Bundes­re­gie­rung die Wende?

Hausärz­te und Apothe­ker rechnen trotz der angekün­dig­ten Gegen­maß­nah­men mit einem anhal­ten­den Medika­men­ten­man­gel in den kommen­den Monaten. «Die jetzt disku­tier­ten Maßnah­men werden in der hausärzt­li­chen Versor­gung kurzfris­tig nur bedingt helfen», sagte Nicola Buhlin­ger-Göpfarth, stell­ver­tre­ten­de Bundes­vor­sit­zen­de des Deutschen Hausärz­te­ver­ban­des, der «Rheini­schen Post».

«Die Liefer­eng­päs­se sind in den Hausarzt­pra­xen sehr deutlich zu spüren. Die Hausärz­tin­nen und Hausärz­te müssen inzwi­schen sehr viel Zeit inves­tie­ren, um, sofern dies überhaupt möglich ist, Medika­tio­nen umzustellen.»

Liefer­pro­ble­me könnten auch 2023 anhalten

Auch der Apothe­ker­ver­band Nordrhein erwar­tet lang anhal­ten­de Liefer­schwie­rig­kei­ten bei Medika­men­ten. «Es wird viele Monate dauern, bis die Versor­gungs­si­tua­ti­on besser wird. Wir gehen davon aus, dass die Liefer­pro­ble­me auch 2023 anhal­ten und noch weite­re Arznei­mit­tel betrof­fen sein werden», sagte Verbands­chef Thomas Preis der Zeitung. «Täglich werden neue Medika­men­te knapp: Aktuell fehlen Mittel zur Desen­si­bi­li­sie­rung von Aller­gi­kern, die sollen erst im Mai kommen — wenn die Pollen­sai­son schon begon­nen hat — dann kann man aber nicht mehr desen­si­bi­li­sie­ren.» Die Pläne von Gesund­heits­mi­nis­ter Karl Lauter­bach (SPD) seien nur «ein Tropfen auf den heißen Stein».

Lauter­bach will das Angebot wichti­ger Arznei­mit­tel beson­ders für Kinder besser gegen Liefer­eng­päs­se absichern. Eckpunk­te für ein Gesetz sehen unter anderem neue Preis­re­geln vor. Das soll Liefe­run­gen für Anbie­ter wirtschaft­lich attrak­ti­ver machen. Im ZDF-«heute journal» sagte der Minis­ter am Diens­tag (20. Dezem­ber): «Wir sehen das Problem schon lange. Wir müssen einen Teil der wichti­gen Wirkstof­fe wieder in Europa produ­zie­ren lassen. Und da hilft nur der Zwang, dass die Kranken­kas­sen dann auch aus Europa kaufen müssen.»

Verteil­pro­ble­ma­tik und viele Atemwegsinfektionen

Das Bundes­in­sti­tut für Arznei­mit­tel und Medizin­pro­duk­te sieht einen Grund der aktuel­len Knapp­heit darin, dass sich manche Apothe­ken und Großhänd­ler das Lager zu voll machten und die Arznei­en andern­orts fehlten. Es sei von einer Verteil­pro­ble­ma­tik auszu­ge­hen, teilte es vor einigen Tagen mit. Eine weite­re Ursache sei, dass es derzeit so viele Atemwegs­in­fek­tio­nen bei Kindern gebe, wodurch die Nachfra­ge steige. Apothe­ken und Gewerk­schaf­ten sehen zudem wirtschaft­li­chen Druck und die Produk­ti­on in kosten­güns­ti­gen Ländern als Faktoren.

Der Deutsche Städte­tag appel­lier­te angesichts der Überfül­lung von Klini­ken an die nieder­ge­las­se­nen Ärztin­nen und Ärzte, ihre Praxen länger geöff­net zu halten. «Bitte prüfen Sie, Ihre Praxen auch noch nach 18.00 Uhr, am Samstag und Sonntag und an den Feier­ta­gen offen zu halten», sagte Haupt­ge­schäfts­füh­rer Helmut Dedy den Zeitun­gen der Funke Medien­grup­pe (Mittwoch). Bei einfa­chen Erkran­kun­gen sollten Patien­tin­nen und Patien­ten die Nummer der ambulan­ten Notfall­ver­sor­gung der nieder­ge­las­se­nen Ärzte, 116117, wählen und nicht die Nummer 112 des örtli­chen Rettungs­diens­tes. Diese sei nur für echte Notfäl­le gedacht.

Derzeit sorgen neben Corona auch andere Atemwegs­er­kran­kun­gen wie bei Kindern die RS-Viren für viele schwe­re Infek­te und überlas­te­te Klini­ken. Fast jeder zehnte Klinik­mit­ar­bei­ter ist zudem laut der Deutschen Kranken­haus­ge­sell­schaft aktuell selbst erkrankt.