KOBLENZ/DÜSSELDORF (dpa) — Nach den Überschwem­mun­gen in Rhein­land-Pfalz und NRW werden immer mehr Tote gefun­den. Die hohe Zahl an Vermiss­ten gibt Anlass zu noch größe­rer Sorge. Die Rettungs­ar­bei­ten sind im vollen Gange.

Bei der Hochwas­ser­ka­ta­stro­phe im Westen Deutsch­lands steigt die Opfer­zahl weiter. Bis Freitag­mit­tag wurden 103 Tote als Folge der Überschwem­mun­gen gezählt. In Rhein­land-Pfalz kamen mindes­tens 60 Menschen ums Leben, in Nordrhein-Westfa­len waren es 43.

Militä­ri­scher Katastrophenalarm

Das Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um löste wegen der Notla­ge einen militä­ri­schen Katastro­phen­alarm aus. Damit könnten Entschei­dun­gen von den Verant­wort­li­chen an Ort und Stelle schnel­ler getrof­fen werden, erläu­ter­te ein Minis­te­ri­ums­spre­cher. Es seien bereits mehr als 850 Solda­ten im Einsatz.

In den Katastro­phen­ge­bie­ten gingen die Bergungs- und Aufräum­ar­bei­ten weiter. Zugleich deute­te sich bei sinken­den Pegel­stän­den in einigen Orten etwas Entspan­nung an. Über Hilfen für die betrof­fe­nen Menschen und Unter­neh­men berie­ten unter anderem die Landes­re­gie­run­gen von Rhein­land-Pfalz und Nordrhein-Westfa­len. Die Bundes­re­gie­rung will in der kommen­den Woche über Aufbau­hil­fen für Bürger und Kommu­nen entschei­den, wie ein Sprecher des Finanz­mi­nis­te­ri­ums sagte.

Lage vieler­orts unübersichtlich

In Erftstadt-Blessem südwest­lich von Köln kam es am Freitag zu Erdrut­schen von gewal­ti­gem Ausmaß, es bilde­ten sich riesi­ge Erdlö­cher. Häuser wurden unter­spült und stürz­ten ein. «Es gibt Todes­op­fer», sagte eine Spreche­rin der Bezirks­re­gie­rung Köln. Die Lage ist noch unübersichtlich.

Nach Polizei­an­ga­ben würden in Rhein­land-Pfalz knapp unter 100 Menschen vermisst, sagte Innen­mi­nis­ter Roger Lewentz am Morgen im Deutsch­land­funk. Stunden­lan­ger Stark­re­gen hatte zu den verhee­ren­den Überschwem­mun­gen in mehre­ren Regio­nen geführt. Die Regie­run­gen der beiden betrof­fe­nen Bundes­län­der kamen zu Sonder­sit­zun­gen zusammen.

In Nordrhein-Westfa­len sind nach Angaben des Bundes­am­tes für Bevöl­ke­rung und Katastro­phen­schutz (BBK) in Bonn 23 Städte und Landkrei­se von Überschwem­mun­gen betrof­fen. Das dorti­ge Innen­mi­nis­te­ri­um sprach von 43 Toten. Die Feuer­wehr rette­te am Donners­tag­abend im Kreis Heins­berg drei schwer verletz­te Menschen aus dem Fluss Wurm, die zu ertrin­ken drohten.

In Rhein­land-Pfalz ist der Kreis Ahrwei­ler Schwer­punkt der Katastro­phe. Allein im Dorf Schuld an der Ahr mit 700 Einwoh­nern wurden mehre­re Häuser von den Wasser­mas­sen mitge­ris­sen, zahlrei­che weite­re Gebäu­de teils schwer beschä­digt. Erheb­li­che Schäden gab es auch in weite­ren Regio­nen der Eifel sowie im Landkreis Trier-Saarburg.

Minis­ter­prä­si­den­tin Malu Dreyer (SPD) sagte, für den Aufbau der betrof­fe­nen Landstri­che sei auch die Hilfe des Bundes nötig. «Es ist ganz klar, dass diese Katastro­phe nicht allein durch das Land zu stemmen ist, erst recht nicht durch die Kommu­nen», beton­te sie im ZDF-«Morgenmagazin».

An den Flüssen und Seen in Baden-Württem­berg erwar­te­ten die Exper­ten für Freitag steigen­de Wasser­stän­de. In einigen Regio­nen wurden erneut Straßen gesperrt, im Allgäu stand ein Wohnge­biet unter Wasser. Der Deutsche Wetter­dienst warnte vor Stark­re­gen und Gewit­tern etwa in Oberschwa­ben. Vor allem in kleine­ren Gewäs­sern könne der Wasser­stand schnell ansteigen.

Das Landes­amt für Umwelt Rhein­land-Pfalz melde­te in seinem Frühwarn­sys­tem bis Samstag­mor­gen zwar für fast das ganze Bundes­land eine gerin­ge Hochwas­ser­ge­fähr­dung. In der Region rund um Alten­ahr sowie in Teilen der Eifel seien aber noch immer verein­zel­te Überflu­tun­gen möglich, hieß es.

In Nordrhein-Westfa­len wird mit fallen­den Wasser­stän­den gerech­net, dies werde aber teils nur langsam gesche­hen. Die Pegel­stän­de beweg­ten sich oft noch oberhalb der Warnschwel­len, etwa an Erft, Ruhr, Rur, Sieg und Weser, teilte das Landes­um­welt­amt mit.

Am Oberrhein wird das das anhal­tend starke Hochwas­ser die Schif­fe nach Einschät­zung des Wasser­stra­ßen- und Schiff­fahrts­amts (WSA) in Freiburg noch mehre­re Tage lang aus. «Nach derzei­ti­ger Lage ist mit einer Freiga­be für die Schiff­fahrt erst ab Anfang nächs­ter Woche zu rechnen», teilte die Behör­de am Freitag mit. Sie betreut die Wasser­stra­ße zwischen Weil am Rhein an der Grenze zur Schweiz und dem Bereich zwischen Mainz und Ginsheim (Hessen).

Zugver­kehr massiv eingeschränkt

Der Zugver­kehr in NRW und Rhein­land-Pfalz ist noch immer stark beein­träch­tigt. Zahlrei­che Strecken seien komplett gesperrt oder nur einge­schränkt befahr­bar, teilte die Deutsche Bahn am Freitag mit. «Die Wasser­mas­sen haben Gleise, Weichen Signal­tech­nik, Bahnhö­fe und Stell­wer­ke in vielen Landes­tei­len von NRW und Rhein­land-Pfalz stark beschä­digt.» Allein in Nordrhein-Westfa­len seien Gleise auf einer Länge von rund 600 Kilome­tern betrof­fen. Im Fernver­kehr ist unter anderem der Abschnitt Köln-Wupper­tal-Hagen-Dortmund derzeit den Angaben zufol­ge nicht befahrbar.

Minis­ter­prä­si­dent Laschet sagte am Vortag in der ZDF-Sendung «Maybrit Illner», es müssten Wege gefun­den werden, sehr schnell wieder Straßen, Brücken und andere Infra­struk­tur in Gang zu setzen. Das Land werde helfen, nötig sei aber auch «eine große natio­na­le Kraft­an­stren­gung, damit schnell die schlimms­ten Dinge besei­tigt werden».

Nachbar­län­der auch betroffen

Mit Hochwas­ser zu kämpfen haben auch Nachbar­län­der Deutsch­lands. In der Schweiz stiegen Fluss­pe­gel nach starken Regen­fäl­len stark an. Im Kanton Schaff­hau­sen überschwemm­ten laut der Nachrich­ten­agen­tur Keystone-sda angeschwol­le­ne Bäche die Dörfer Schleit­heim und Beggin­gen. Wasser­mas­sen flossen durch Straßen, in Keller, rissen Fahrzeu­ge mit und zerstör­ten kleine­re Brücken.

In Belgi­en wurden entlang der Maas vorbeu­gend Menschen aus einigen Gemein­den in Sicher­heit gebracht, wie die Nachrich­ten­agen­tur Belga meldete.