WIESBADEN (dpa) — Ein Preis­schub belas­tet die Budgets der Verbrau­cher in Deutsch­land. Vor allem höhere Energie­kos­ten heizen die Infla­ti­on an. Eine schnel­le Entspan­nung scheint nicht in Sicht.

Nach einem Sprung der Infla­ti­on auf den höchs­ten Stand seit fast 30 Jahren können die Menschen in Deutsch­land Exper­ten zufol­ge zunächst nicht auf eine rasche Entspan­nung hoffen.

Im Schnitt des vergan­ge­nen Jahres erhöh­ten sich die Verbrau­cher­prei­se um 3,1 Prozent. Das Statis­ti­sche Bundes­amt bestä­tig­te am Mittwoch eine erste Schät­zung. Ein stärke­rer Anstieg der Jahres­teue­rung war zuletzt 1993 mit 4,5 Prozent gemes­sen worden. Im Corona-Krisen­jahr 2020 waren es 0,5 Prozent. Viele Ökono­men rechnen angesichts von Liefer­eng­päs­sen und vergleichs­wei­se hohen Energie­prei­sen auch in diesem Jahr im Schnitt mit einer 3 vor dem Komma.

Der finan­zi­el­le Spiel­raum schrumpft

Eine höhere Infla­ti­on schwächt die Kaufkraft von Verbrau­chern, weil sie sich für einen Euro dann weniger kaufen können als zuvor. Auch an mickrig verzins­ten Erspar­nis­sen nagt eine höhere Teuerung. Jeder neunte Deutsche kann nach eigenen Angaben kaum noch seine Lebens­hal­tungs­kos­ten bezah­len, wie eine YouGov-Befra­gung im Auftrag der Postbank ergab. «Da sich Lebens­mit­tel, Energie und Kraft­stof­fe erheb­lich verteu­ert haben, die Einkom­men mit der Preis­ent­wick­lung aber nicht Schritt halten können, schrumpft der finan­zi­el­le Spiel­raum», erläu­ter­te Postbank-Chefvolks­wirt Marco Bargel.

Im Dezem­ber stiegen die Verbrau­cher­prei­se dem Bundes­amt zufol­ge zum Vorjah­res­mo­nat um 5,3 Prozent. Die monat­lich gemes­se­ne Infla­ti­ons­ra­te erreich­te damit den höchs­ten Stand des vergan­ge­nen Jahres. «Damit dürfte der Höhepunkt der deutschen Infla­ti­on nun überschrit­ten sein», meinte Sebas­ti­an Dulli­en, wissen­schaft­li­cher Direk­tor des gewerk­schafts­na­hen Insti­tuts für Makro­öko­no­mie und Konjunk­tur­for­schung. Gegen­über dem Vormo­nat legten die Preise um 0,5 Prozent zu.

Die Infla­ti­on wird nur langsam zurückgehen

Angeheizt wurde die Teuerung in Europas größter Volks­wirt­schaft vor allem von rasant gestie­ge­nen Energie­prei­sen im Zuge der weltwei­ten Konjunk­tur­er­ho­lung nach der Corona-Krise 2020. Energie­pro­duk­te verteu­er­ten sich gegen­über dem Vorjahr im Schnitt um 10,4 Prozent, nach einem Rückgang um 4,8 Prozent im Jahr 2020. Vor allem für Heizöl (41,8 Prozent) und Kraft­stof­fe (22,6 Prozent) mussten Verbrau­cher tiefer in die Tasche greifen.

Hinzu kamen die Rücknah­me der vorüber­ge­hen­den Mehrwert­steu­er­sen­kung, Liefer­eng­päs­se sowie die Einfüh­rung der CO2-Abgabe Anfang 2021 von 25 Euro je Tonne Kohlen­di­oxid, das beim Verbren­nen von Diesel, Benzin, Heizöl und Erdgas entsteht.

Auch wenn der Mehrwert­steu­er­ef­fekt in diesem Jahr entfällt, erwar­ten viele Ökono­men zunächst keine rasche Entspan­nung. Sie verwei­sen unter anderem auf Liefer­eng­päs­se, die Herstel­lungs­kos­ten erhöhen. Auch zeigte die Preis­kur­ve beim Erdöl zuletzt steil nach oben.

«Die Infla­ti­on wird im Verlauf dieses Jahres nur langsam zurück­ge­hen», sagte Ifo-Konjunk­tur­ex­per­te Timo Wollmers­häu­ser. Die Unter­neh­men geben dem Wirtschafts­for­schungs­in­sti­tut zufol­ge die gestie­ge­nen Kosten für Energie sowie bei der Beschaf­fung von Vorpro­duk­ten und Handels­wa­ren weiter. Selbst wenn sich der Anstieg der Energie­prei­se in den kommen­den Monaten nicht fortsetz­ten sollte, sorge das noch eine Weile für hohe Infla­ti­ons­ra­ten. Anzei­chen für eine gefähr­li­che Spira­le aus steigen­den Preisen und steigen­den Löhnen sieht Wollmers­häu­ser bislang dagegen nicht.

Der neue Bundes­bank-Präsi­dent Joachim Nagel sieht die gestie­ge­nen Teuerungs­ra­ten mit Sorge. Er sehe «derzeit eher die Gefahr, dass die Infla­ti­ons­ra­te länger erhöht bleiben könnte als gegen­wär­tig erwar­tet», sagte Nagel jüngst. «Bei aller Unsicher­heit ist eines ganz klar: Wenn es die Preis­sta­bi­li­tät erfor­dert, muss der EZB-Rat handeln und seinen geldpo­li­ti­schen Kurs anpas­sen.» Nagel ist Mitglied in dem obers­ten Entschei­dungs­gre­mi­um der Europäi­schen Zentralbank.

Eine Zinser­hö­hung ist im Euroraum nicht in Sicht

Die Infla­ti­on ist ein wichti­ger Gradmes­ser für die Geldpo­li­tik der europäi­schen Währungs­hü­ter. Die Noten­bank strebt eine jährli­che Teuerungs­ra­te von 2 Prozent an und ist zumin­dest zeitwei­se bereit, ein modera­tes Über- oder Unter­schrei­ten zu akzep­tie­ren. Kriti­ker werfen der EZB vor, mit ihrer ultra­lo­cke­ren Geldpo­li­tik die Teuerung anzuhei­zen, die sie eigent­lich im Zaum halten will.

Eine Zinser­hö­hung ist im Euroraum anders als in den USA nicht in Sicht. EZB-Direk­to­rin Isabel Schna­bel warnte jüngst vor schnel­len Erhöhun­gen. In den Progno­sen sinke die Infla­ti­on mittel­fris­tig sogar unter 2 Prozent, sagte die Volks­wir­tin jüngst der «Süddeut­schen Zeitung». «Darum dürfen wir die Zinsen nicht zu früh erhöhen. Denn das könnte dazu führen, dass der Aufschwung abgewürgt wird.» Die Währungs­hü­ter würden aber schnell und entschlos­sen reagie­ren, wenn sie zum Schluss kämen, dass sich die Infla­ti­on doch oberhalb der 2 Prozent festset­zen könnte.

Die Wirtschafts­wei­se Monika Schnit­zer sieht die EZB nicht unter Zugzwang, ihre Nullzins-Politik zu beenden. «Mittel­fris­tig geht man nicht davon aus, dass die Preise weiter steigen werden. Das hängt ganz stark von den Löhnen ab. Wie werden die Lohnstei­ge­run­gen sein? Und da sehen wir bisher eine ganz modera­te Entwick­lung», sagte Schnit­zer im Bayeri­schen Rundfunk.

Von Friede­ri­ke Marx, dpa