BERLIN (dpa) — Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter Lauter­bach warnt vor einer «Killer­va­ri­an­te» und wird dafür kriti­siert. Inten­siv­me­di­zi­ner Kluge rechnet eher mit einer Varian­te, die zu einer höheren Krank­heits­schwe­re führen wird. Die Aussa­ge Lauter­bachs findet er unpassend.

Der Leiter der Klinik für Inten­siv­me­di­zin am Univer­si­täts­kli­ni­kum Hamburg-Eppen­dorf, Stefan Kluge, hält die weite­re Entwick­lung des Corona­vi­rus für ungewiss.

«Keine Exper­tin und kein Exper­te kann derzeit sicher sagen, welche Varian­te wir im Herbst bekom­men», sagte Kluge, der auch Präsi­di­ums­mit­glied der Deutschen Inter­dis­zi­pli­nä­ren Verei­ni­gung für Inten­siv- und Notfall­me­di­zin (DIVI) ist, der Funke Medien­grup­pe. «Wir sollten aber darauf vorbe­rei­tet sein, dass noch einmal eine Varian­te kommen kann, die zu einer höheren Krank­heits­schwe­re führt, als dies derzeit bei der Omikron-Varian­te der Fall ist.»

Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter Karl Lauter­bach (SPD) hatte mit Warnun­gen vor einer mögli­chen «Killer­va­ri­an­te» des Corona­vi­rus Kritik auf sich gezogen. Kluge meinte dazu: «Eine Corona-Varian­te als “Killer­va­ri­an­te” zu bezeich­nen, ist unpas­send.» Es gebe andere Infek­tio­nen, bei denen die Sterb­lich­keit deutlich höher liege als dies bei Covid-19 bisher der Fall gewesen sei. Dazu zähle etwa eine schwe­re bakte­ri­el­le Sepsis (Blutver­gif­tung). «Die Varian­te Omikron führt derzeit zu sehr wenigen schwe­ren Covid-19-Verläu­fen», erklär­te Kluge. «Wir haben aktuell bei Omikron eine Sterb­lich­keit von unter 0,1 Prozent, vergleich­bar mit der Grippe.»

Kluge riet dazu, mit einer Kampa­gne zu versu­chen, ungeimpf­te Menschen über 60 Jahren zum Impfen gegen das Corona­vi­rus zu bewegen. «Eine größe­re Grund­im­mu­ni­sie­rung in der Bevöl­ke­rung würde uns deutlich helfen. Zudem müssen die Impfstof­fe fortent­wi­ckelt werden.» Nach Daten des Robert Koch-Insti­tuts vom Montag haben 76,1 Prozent der Menschen in Deutsch­land einen Grund­schutz erhal­ten, für den in der Regel zwei Sprit­zen nötig sind. 59,1 Prozent haben zusätz­lich eine Auffri­schungs­imp­fung bekommen.

Kluge mahnte aber auch, genug Impfstoff und Corona-Tests vorzu­hal­ten, um bei Bedarf die Impf- und Testzen­tren schnell wieder hochfah­ren zu können. «Auch die Digita­li­sie­rung muss voran­ge­trie­ben werden, in vielen Berei­chen des Gesund­heits­we­sens fehlen uns wichti­ge Daten», sagte er. «Es braucht auch ausrei­chend Schutz­ma­te­ria­li­en wie beispiels­wei­se FFP2-Masken für Kranken­häu­ser und andere vulnerable Berei­che.» Zudem müsse die Bundes­re­gie­rung das Thema Fachkräf­te­man­gel in der Pflege, in den Gesund­heits­äm­tern und bei den Ärzten auf dem Land stärker angehen.