BERLIN (dpa) — Die Sieben-Tage-Inzidenz geht hoch — den zehnten Tag in Folge. Beson­ders betrof­fen: Berlin, Hamburg und Bremen. Wissen­schaft­ler warnen vor einer mögli­chen von Schüle­rin­nen und Schülern getrie­be­nen vierten Welle.

Die Sieben-Tage-Inzidenz bei den Corona-Infek­tio­nen in Deutsch­land ist den zehnten Tag in Folge gestie­gen. Das Robert Koch-Insti­tut (RKI) gab den Wert am Samstag­mor­gen mit 9,4 an — am Vortag hatte er bei 8,6 gelegen.

Beim jüngs­ten Tiefst­stand am 6. Juli hatte die Sieben-Tage-Inzidenz 4,9 betra­gen. Insge­samt haben die Gesund­heits­äm­ter dem RKI binnen eines Tages 1608 Neuin­fek­tio­nen gemel­det, wie aus den Zahlen hervor­geht, die den Stand des RKI-Dashboards von 4.05 Uhr wieder­ge­ben. Zum Vergleich: Vor einer Woche waren es 952.

Arbeit­ge­ber­prä­si­dent Rainer Dulger warnte vor einem Nachlas­sen des Impftem­pos in Deutsch­land. «Wir müssen aufpas­sen, dass wir das Erreich­te nicht verspie­len», sagte der Präsi­dent der Bundes­ver­ei­ni­gung der Deutschen Arbeit­ge­ber­ver­bän­de (BDA) der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. «Wir müssen weiter impfen, impfen, impfen, damit sich die Lage weiter stabilisiert.»

Inzidenz steigt beson­ders in Stadtstaaten

Die Corona-Inzidenz, also die Zahl der Neuin­fek­tio­nen je 100.000 Einwoh­ner in einer Woche, steigt seit knapp zwei Wochen wieder an, zuletzt in den Stadt­staa­ten Berlin, Hamburg und Bremen beson­ders deutlich. Bei den Impfun­gen hatten erste Länder zuletzt deutli­che Einbrü­che gemeldet.

Dulger sagte, Arbeit­ge­ber und Gewerk­schaf­ten hätten an die Beschäf­tig­ten appel­liert, die Impf- und Testan­ge­bo­te weiter anzuneh­men und so zu einer hohen Durch­imp­fungs­ra­te beizu­tra­gen. «Wir Sozial­part­ner sind zuver­sicht­lich, dass wir mit einer gemein­sa­men Anstren­gung der natio­na­len Impfkam­pa­gne zum Erfolg verhel­fen und ein hohes Schutz­ni­veau errei­chen können.»

Deutsch­land­weit wurde nach Angaben des RKI vom Samstag binnen 24 Stunden 22 Todes­fäl­le verzeich­net. Vor einer Woche waren es 35. Das RKI zählte seit Beginn der Pande­mie 3.743.389 nachge­wie­se­ne Infek­tio­nen mit Sars-CoV‑2. Die tatsäch­li­che Gesamt­zahl dürfte deutlich höher liegen, da viele Infek­tio­nen nicht erkannt werden. Künftig sollen bei der Beurtei­lung der Lage neben der Inzidenz auch Werte wie Kranken­haus­ein­wei­sun­gen stärker berück­sich­tigt werden.

Wissen­schaft­ler rechnen mit vierter Welle

Anhand von Model­lie­run­gen erwar­tet eine Wissen­schaft­ler­grup­pe der Techni­schen Univer­si­tät Berlin (TU) eine vierte Welle, die auch an Kranken­häu­sern nicht vorbei­ge­hen wird. «Laut unseren Simula­tio­nen wird im Oktober ein exponen­ti­el­ler Anstieg bei den Kranken­haus­zah­len starten. Falls die derzei­ti­ge Entwick­lung anhält, wird dies sogar früher begin­nen, und sich im Oktober dann nochmal verstär­ken», heißt es im neuen Bericht der Gruppe um den Mobili­täts­for­scher Kai Nagel an das Bundes­mi­nis­te­ri­um für Bildung und Forschung.

Den Anstieg der Sieben-Tage-Inziden­zen wertet das Team wegen hohen relati­ven Zunah­men als «beunru­hi­gend». Nur wenn die Impfstof­fe gegen die Delta­va­ri­an­te deutlich besser wirkten als derzeit bekannt oder wenn eine Impfquo­te von 95 Prozent erreicht werde, bleibe eine vierte Welle in den Simula­tio­nen aus. Das Modell ergebe «unter allen derzeit realis­tisch erschei­nen­den Bedin­gun­gen eine vierte Welle bei den Erwach­se­nen, welche mit der Verla­ge­rung von Aktivi­tä­ten in Innen­räu­me im Herbst verstärkt werden wird.»

Die Simula­tio­nen zu Schulen zeigen laut dem Bericht, dass Lüftungs­sys­te­me und flächen­de­cken­der Einsatz von Schnell- und/oder PCR-Tests die Infek­ti­ons­dy­na­mik verrin­gern könnten. Würden solche Maßnah­men konse­quent umgesetzt, seien Schul­schlie­ßun­gen oder Wechsel­un­ter­richt nicht notwen­dig, hieß es. Die zwei Schnell­tests pro Woche, die derzeit typisch seien, halten die Wissen­schaft­ler ohne zusätz­li­che Maßnah­men aller­dings bei weitem nicht für ausreichend.

Schüle­rin­nen und Schüler könnten Erwach­se­ne anstecken

Würden die Schulen nach den Sommer­fe­ri­en ohne Schutz­maß­nah­men geöff­net, ergäbe sich laut Modell eine Infek­ti­ons­wel­le bei den Schüle­rin­nen und Schülern, die zu einer Welle bei Erwach­se­nen führe. Sachsens Minis­ter­prä­si­dent Micha­el Kretschmer (CDU) sprach sich strikt gegen erneu­te Schul­schlie­ßun­gen aus — und für die Impfung von Kindern und Jugend­li­chen. Offene Schulen und Kinder­gär­ten seien eine Frage der Bildungs­ge­rech­tig­keit, aber auch der psychi­schen Gesund­heit von Kindern und Famili­en, sagte er der «Rheini­schen Post» (Samstag).

Weltweit arbei­ten Wissen­schaft­ler mit verschie­de­nen Ansät­zen an Covid-19-Simula­tio­nen. Diese beruhen auf bestimm­ten Annah­men und sind mit Unsicher­hei­ten behaf­tet. Das Team um Profes­sor Nagel nutzt anony­mi­sier­te Berli­ner Mobil­funk­da­ten, um das Infek­ti­ons­ge­sche­hen zu model­lie­ren. Die Ergeb­nis­se sind ihm zufol­ge mindes­tens auf andere Großstäd­te übertragbar.