TEHERAN (dpa) — Die 22-jähri­ge Mahsa Amini starb im Septem­ber nach der Festnah­me durch die Sitten­po­li­zei. Danach brachen im Iran landes­wei­te Protes­te aus.

Im Iran ist nach Angaben des General­staats­an­walts die Sitten­po­li­zei aufge­löst worden, die bislang haupt­säch­lich für die Einhal­tung der Kleidungs­vor­schrif­ten von Frauen zustän­dig war.

«Die Sitten­po­li­zei wurde aufge­löst, aber die Justiz­be­hör­de wird sich weiter­hin mit dieser gesell­schaft­li­chen Heraus­for­de­rung ausein­an­der­set­zen», zitier­te die Tages­zei­tung «Shargh» den General­staats­an­walt Moham­med-Dscha­far Monta­se­ri. Weite­re Details zu den Umstän­den und der Umset­zung der Auflö­sung gab es nicht.

Reaktio­nen auf die Auflösung

Kriti­ker der politi­schen Führung reagier­ten verhal­ten auf die Ankün­di­gung. Das Problem sei nicht die Sitten­po­li­zei, sondern die Aufhe­bung des Kopftuch­zwangs, schrieb ein irani­scher Aktivist auf Twitter. «Frauen müssen überall ohne Kopftuch verkeh­ren können», forder­te er. Und dies sei «nur der erste Schritt.»

Beobach­tern zufol­ge würde die Auflö­sung der Sitten­po­li­zei zwar kein Ende des Kopftuch­zwangs für Frauen bedeu­ten, aber einen wichti­gen Teilerfolg der Frauen­be­we­gung im Iran darstellen.

Die Sitten­po­li­zei war der Auslö­ser der seit über zwei Monaten andau­ern­den system­kri­ti­schen Aufstän­de in dem Land. Mitte Septem­ber verhaf­te­ten die islami­schen Sitten­wäch­ter die 22-jähri­ge Mahsa Amini. Unter ihrem Kopftuch sollen ein paar Haarsträh­nen hervor­ge­tre­ten sein. Amini starb wenige Tage später im Gewahr­sam der Sitten­po­li­zei. Seitdem protes­tie­ren im Iran Menschen gegen das islami­sche System und dessen Geset­ze und Vorschriften.

Seit dem Ausbruch der Protes­te werden der Kopftuch­zwang und die islami­schen Kleider­vor­schrif­ten von vielen Frauen, beson­ders in Großstäd­ten, zuneh­mend ignoriert. Laut islami­schen Geset­zen müssen Frauen in der Öffent­lich­keit ein Kopftuch sowie einen langen, weiten Mantel tragen, um Haare und Körper­kon­tu­ren zu verhül­len. Dieses Gesetz ist seit über 40 Jahren Teil der gesell­schafts­po­li­ti­schen Doktrin des islami­schen Systems um, wie es heißt, «Land und Volk vor der westli­chen Kultur­inva­si­on zu retten».

Hunder­te von Toten

Seit Beginn der Demons­tra­tio­nen wurden nach Einschät­zung von Menschen­recht­lern rund 470 Demons­tran­ten getötet, darun­ter 64 Kinder und 60 Sicher­heits­kräf­te. Die offizi­el­len Angaben diesbe­züg­lich sind wider­sprüch­lich. Der Sicher­heits­rat spricht von 200, ein Komman­deur der Revolu­ti­ons­gar­den von 300 Toten.

Außer­dem wurden in den vergan­ge­nen mehr als zwei Monaten Tausen­de verhaf­tet, unter ihnen Studen­ten, Journa­lis­ten, Sport­ler sowie Künst­ler. Einige Demons­tran­ten wurden von Revolu­ti­ons­ge­rich­ten auch bereits zum Tode verur­teilt. Ab Montag sind landes­weit weite­re Protes­te — und laut Opposi­ti­ons­krei­sen auch Streiks — geplant.