KARLSRUHE (dpa) — Ein fünfjäh­ri­ges Mädchen stirbt angeket­tet in der iraki­schen Mittags­hit­ze — auch weil eine deutsche IS-Frau nichts unter­nimmt, um der Tochter der jesidi­schen Hausskla­vin zu helfen. Ein Verbre­chen, das es in den Augen des BGH nicht verdient, Milde walten zu lassen.

Die IS-Rückkeh­re­rin Jenni­fer W. sah taten­los zu, als ihr Mann ein versklav­tes jesidi­sches Mädchen in der iraki­schen Mittags­hit­ze sterben ließ — dafür droht ihr nun eine härte­re Strafe. Das Oberlan­des­ge­richt (OLG) München hatte die Frau aus Nieder­sach­sen im Oktober 2021 zu zehn Jahren Haft verur­teilt. Dieses Urteil hob der Bundes­ge­richts­hof (BGH) am Donners­tag teilwei­se auf. Es begeg­ne durch­grei­fen­den recht­li­chen Beden­ken, dass das OLG hier einen minder­schwe­ren Fall angenom­men habe, sagte der Vorsit­zen­de Richter Jürgen Schäfer bei der Urteils­ver­kün­dung in Karlsruhe.

Ein anderer Straf­se­nat des Münch­ner Gerichts muss nun noch einmal neu über die Höhe der Strafe entschei­den. Damit hatte die Revisi­on der Bundes­an­walt­schaft Erfolg. In den übrigen Punkten ist das Urteil gegen die 31-Jähri­ge jetzt rechts­kräf­tig. Auch sie hatte Revisi­on einge­legt. Diese wurde von den obers­ten Straf­rich­te­rin­nen und ‑richtern des BGH als «offen­sicht­lich unbegrün­det» verworfen.

Die deutsche Frau aus Lohne hatte sich mit 23 Jahren der Terror­mi­liz Islami­scher Staat (IS) angeschlos­sen. Gehei­ra­tet hatte sie in Syrien vor einem IS-Gericht. Die Dschi­ha­dis­ten hatten seiner­zeit weite Gebie­te im Osten Syriens und im Irak erobert.

Ihr Ex-Mann bekam lebens­läng­li­che Haft

W.’s iraki­scher Ex-Mann, der die Fünfjäh­ri­ge damals an ein Gitter im Hof geket­tet hatte, war in einem eigenen Prozess in Frankfurt/Main zu lebens­lan­ger Haft verur­teilt worden, auch wegen Völker­mor­des. Dieses Urteil hat der BGH bereits bestä­tigt. Der Mann hatte das Mädchen und dessen Mutter als Sklavin­nen gekauft, nachdem beide von der Terror­mi­liz Islami­scher Staat (IS) verschleppt worden waren.

Das kleine Mädchen starb an einem Tag im August 2015, als in der iraki­schen Stadt Fallud­scha Höchst­tem­pe­ra­tu­ren von mehr als 50 Grad im Schat­ten erreicht wurden. Der Mann wollte das kranke Kind dafür bestra­fen, dass es sich auf einer Matrat­ze einge­nässt hatte. Dafür fessel­te er es in der prallen Sonne mit den Händen in Kopfhö­he so an ein Fenster­git­ter, dass es mit den Füßen in der Luft hing. Bis er das Mädchen wieder losband, hatte es einen tödli­chen Hitzschlag erlitten.

Bei der Urteils­ver­kün­dung am OLG hatte der Vorsit­zen­de Richter Joachim Baier gesagt, die Angeklag­te habe «von Anfang an damit rechnen müssen, dass das in der Sonnen­hit­ze gefes­sel­te Kind sich in Lebens­ge­fahr befand». Trotz­dem sei sie nicht eingeschritten.

Die Münch­ner Richter hatten zwei Einzel­stra­fen verhängt: Wegen der Mitglied­schaft beim IS bekam Jenni­fer W. zweiein­halb Jahre Haft und dann noch einmal neun Jahre unter anderem wegen Verbre­chens gegen die Mensch­lich­keit durch Verskla­vung mit Todes­fol­ge. Aus diesen beiden Strafen wurde eine Gesamt­frei­heits­stra­fe von zehn Jahren gebildet.

BGH-Kritik an Urteil des Oberlandesgerichtes

Die Beanstan­dun­gen des BGH bezie­hen sich ausschließ­lich auf die zweite Einzel­stra­fe. Hier hätte das OLG keinen minder­schwe­ren Fall anneh­men dürfen. Ohne diese Einschrän­kung sind bei Sklave­rei mit Todes­fol­ge mindes­tens zehn Jahre oder lebens­lan­ge Haft zu verhängen.

Schäfer bezeich­ne­te es als «zumin­dest bedenk­lich», dass das OLG die menschen­ver­ach­ten­den Beweg­grün­de und Ziele der Angeklag­ten unberück­sich­tigt gelas­sen habe. Sie habe die Absicht der Terror­mi­liz Islami­scher Staat gekannt und gebil­ligt, die Jesiden als religiö­se Gruppe zu zerstören.

Er erinner­te unter anderem daran, dass Mutter und Tochter in dem Haushalt islami­sche Gebets­ri­ten befol­gen mussten. Das Kind durfte nur noch mit einem neuen musli­mi­schen Namen angespro­chen werden. Jenni­fer W. habe mit ihren Beschwer­den dazu beigetra­gen, dass beide regel­mä­ßig von ihrem damali­gen Mann misshan­delt wurden. Als die Frau um ihre tote Tochter weinte, habe W. ihr eine Pisto­le an den Kopf gehal­ten und gedroht, sie zu erschie­ßen, wenn sie nicht damit aufhöre.

Jesiden sind Kurden aus dem Irak, Syrien, der Türkei und dem Iran. Sie bilden eine religiö­se Minder­heit. Der IS hatte 2014 die Region um das Sindschar-Gebir­ge im Nordirak überrannt. Die Dschi­ha­dis­ten töteten mehr als 5000 Angehö­ri­ge dieser Religi­ons­ge­mein­schaft. Frauen und Mädchen wurden verschleppt, versklavt und verge­wal­tigt. Der Bundes­tag hatte die Verbre­chen im Januar als Völker­mord anerkannt.