TEL AVIV/GAZA (dpa) — Seit einer Woche herrsch­te eine Waffen­ru­he zwischen Israel und militan­ten Paläs­ti­nen­sern im Gazastrei­fen. Jetzt kamen überra­schend massi­ve Angrif­fe Israels in dem Küsten­ge­biet — mit zwölf Toten.

Israel hat drei rangho­he Mitglie­der der militan­ten Paläs­ti­nen­ser­or­ga­ni­sa­ti­on Islami­scher Dschi­had im Gazastrei­fen gezielt getötet. Nach Angaben des paläs­ti­nen­si­schen Gesund­heits­mi­nis­te­ri­ums kamen bei den Luftan­grif­fen in der Nacht zu Diens­tag in der Stadt Gaza und in Rafah insge­samt zwölf Menschen ums Leben, darun­ter auch Frauen und Kinder. Rund 20 weite­re seien verletzt worden.

Die israe­li­sche Armee begrün­de­te die Opera­ti­on «Schild und Pfeil» mit Raketen­an­grif­fen aus dem Gazastrei­fen auf das israe­li­sche Grenz­ge­biet in den vergan­ge­nen Wochen. Der massi­ve Angriff kam aller­dings überra­schend, weil seit knapp einer Woche eine Waffen­ru­he herrschte.

Die israe­li­sche Armee teilte mit, bei den drei Dschi­had-Mitglie­dern hande­le es sich um Chalil Bahitini, einen Komman­deur im nördli­chen Teil des Gazastrei­fens, der für die jüngs­ten Raketen­an­grif­fe auf Israel verant­wort­lich gewesen sei, Dscha­hed Ahnam, Leiter des Militär­rats sowie um Tarek Az Aldin, der Anschlä­ge im Westjor­dan­land koordi­niert habe. Außer­dem seien Waffen­fa­bri­ken zur Herstel­lung von Raketen in Chan Junis sowie weite­re Einrich­tun­gen des Dschi­had angegrif­fen worden.

Dutzen­de Raketen auf Israel

In der vergan­ge­nen Woche hatten militan­te Paläs­ti­nen­ser im Gazastrei­fen nach dem Tod eines paläs­ti­nen­si­schen Häftlings Dutzen­de Raketen und mehre­re Mörser­gra­na­ten auf Israel abgefeu­ert. Dabei wurden mehre­re Menschen verletzt. Chader Adnan, rangho­hes Mitglied des Islami­schen Dschi­had, war nach fast drei Monaten Hunger­streik in israe­li­scher Haft gestor­ben. Adnan war laut Gefäng­nis­be­hör­de wegen mutmaß­li­cher Mitglied­schaft in einer Terror­or­ga­ni­sa­ti­on sowie Unter­stüt­zung von Terror und Hetze inhaf­tiert gewesen.

Der israe­li­sche Armee­spre­cher Richard Hecht sagte während eines Gesprächs mit Journa­lis­ten, insge­samt seien 40 Flugzeu­ge an den Angrif­fen betei­ligt gewesen. Die Armee habe ihre Ziele erreicht. Das Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um habe das Militär aller­dings angewie­sen, sich auf die mögli­che Mobili­sie­rung von Reser­vis­ten vorzubereiten.

Zu dem Tod von Frauen und Kindern sagte Hecht, man prüfe die Berich­te. «Wir zielten auf die Terro­ris­ten ab. Falls es einige tragi­sche Todes­fäl­le gab, werden wir das prüfen.» Die Angrif­fe seien seit vergan­ge­ner Woche geplant gewesen. Zu der Frage mögli­cher Vergel­tungs­an­grif­fe aus dem Gazstrei­fen und vielleicht auch aus den nördli­chen Nachbar­län­dern Libanon und Syrien sagte Hecht, man sei «an allen Schau­plät­zen» bereit. «Wir hoffen, dass dies so schnell wie möglich beendet ist.»

Umfang­rei­che Sicherheitsmaßnahmen

Die Zivil­be­völ­ke­rung im Süden Israels wurde angewie­sen, bis Mittwoch in der Nähe eines ausge­wie­se­nen Schutz­raums zu bleiben. Die Grenz­über­gän­ge zum Gazastrei­fen wurden nach Medien­be­rich­ten geschlos­sen, auch Schulen blieben geschlos­sen. Der Zugver­kehr in die Grenz­stadt Sderot wurde in Erwar­tung mögli­cher Gegen­an­grif­fe gestoppt. Die israe­li­sche Nachrich­ten­sei­te ynet berich­te­te, Israel habe der im Gazastrei­fen herrschen­den islamis­ti­schen Hamas die Botschaft übermit­telt, sie sei «nicht im Visier».

Ein Hamas-Sprecher sagte nach den Luftan­grif­fen Israels, das paläs­ti­nen­si­sche Volk wisse, wie es auf das «Verbre­chen» der geziel­ten Tötung der Dschi­had-Mitglie­der zu reagie­ren und «die Besat­zungs­macht anzugrei­fen» habe. Ein Dschi­had-Sprecher sagte, Israel habe «alle Initia­ti­ven der Vermitt­ler ignoriert». Man werde den Tod der drei Führungs­mit­glie­der rächen.

Israel hat in der Vergan­gen­heit bereits mehrfach Dschi­had-Anfüh­rer im Gazastrei­fen gezielt getötet. Im August vergan­ge­nen Jahres kam etwa Militär­chef Chalid Mansur bei einem Luftan­griff Israels ums Leben. Dabei wurden zwei weite­re Dschi­had-Mitglie­der getötet, darun­ter auch Mansurs Stell­ver­tre­ter. Damals kam es zu massi­ven Raketen­an­grif­fen aus dem Paläs­ti­nen­ser­ge­biet und weite­ren israe­li­schen Luftan­grif­fen. Nach drei Tagen trat dann eine von Ägypten vermit­tel­te Waffen­ru­he in Kraft.

Schlech­te Lebensbedingungen

Im Gazastrei­fen leben etwa zwei Millio­nen Menschen unter sehr schlech­ten Bedin­gun­gen. Die Hamas hatte dort 2007 gewalt­sam die Macht an sich geris­sen. Israel verschärf­te darauf­hin eine Blocka­de des Küsten­ge­biets, die von Ägypten mitge­tra­gen wird.

Die Hamas und der Islami­sche Dschi­had werden von den USA, der EU und Israel als Terror­or­ga­ni­sa­tio­nen einge­stuft. Beide Gruppie­run­gen haben sich die Zerstö­rung Israels auf die Fahne geschrie­ben. Der Islami­sche Dschi­had gilt aller­dings als noch radika­ler als die Hamas. Nach Angaben des «CIA World Factbook» wird die Anzahl der Dschi­had-Kämpfer auf zwischen 1000 und mehre­ren Tausend geschätzt. Die Hamas gilt als militä­risch deutlich stärker, die Zahl der Kämpfer wird den Angaben zufol­ge auf 25.000 geschätzt. Anders als die Hamas hat der Islami­sche Dschi­had kein Inter­es­se an einer Regie­rungs­be­tei­li­gung, sondern konzen­triert sich auf den bewaff­ne­ten Wider­stand gegen Israel.