ROM (dpa) — Sie war ein Weltstar und erfüll­te etliche Klischees einer italie­ni­schen Diva. Gina Lollo­bri­gi­da hatte über viele Talen­te, auch in der Fotogra­fie und Bildhaue­rei. Im Privat­le­ben hatte sie wenig Glück.

Auf der Leinwand verdreh­te sie den Holly­wood-Stars reihum den Kopf, auf den roten Teppi­chen setzte sich Gina Lollo­bri­gi­da immer gern als große Diva in Szene. In ausge­fal­le­nen Abend­ro­ben, grell geschminkt und mit schril­ler Haarpracht war die Italie­ne­rin mit dem umständ­li­chen Nachna­men ein Unikum. Auf ein Metier ließ sie sich nie festle­gen. Sie war Kino-Ikone, Sexsym­bol, Fotojour­na­lis­tin, Bildhaue­rin und UN-Botschaf­te­rin — und in allem stets selbstständig.

Umso schmerz­haf­ter war es für ein ganzes Land, wie «Lollo» nach einem Famili­en­streit entmün­digt wurde und in den letzten Jahren nur noch um ihre Würde flehte. Nun ist Gina Lollo­bri­gi­da im Alter von 95 Jahren gestor­ben — Itali­en verliert einen seiner großen Stars.

1927 in dem Örtchen Subia­co östlich von Rom geboren, wird Gina schon als Dreijäh­ri­ge in einem Wettbe­werb zum schöns­ten Klein­kind gekürt. Nach dem Zweiten Weltkrieg geht sie in die Haupt­stadt, will Malerei und Bildhaue­rei studie­ren und schlägt sich mit Statis­ten­rol­len und Kohle­zeich­nun­gen von Gästen in den Lokalen durch.

Start in den 40er Jahren

Zum Film kommt sie zufäl­lig: 1946 wird sie auf der Straße entdeckt und 1947 vom Produ­zen­ten Mario Costa für den Film «Opern­rausch» engagiert. Nur ihr Name erscheint anfangs selbst den Regis­seu­ren zu schwer — sie wollen den vielver­spre­chen­den Jungstar «Diana Lori» nennen. Lollo­bri­gi­da sträubt sich: «Mein Onkel ist trotz unseres langen Namens ein bekann­ter Maler geworden.»

Lange gilt die brünet­te Darstel­le­rin in Anleh­nung an einen ihrer Filmti­tel als «die schöns­te Frau der Welt». In den 50er und 60er Jahren macht sie als umgarn­ter Männer­schwarm Furore. Doch hat Gina — eine Koseform des Namens Luigi­na — stets mehr zu bieten: In mehr als 60 Filmen wirkt sie mit und macht später noch mit der Fotoka­me­ra und als Bildhaue­rin eine zweite und dritte Karriere.

Bereits Anfang der 70er Jahre entschei­det sich «Gina nazio­na­le» zu dem Rollen­wech­sel vom Film zur Fotogra­fie — mit gutem Grund: «Ich habe es abgelehnt, mich auszu­zie­hen», erklärt sie später. Darauf­hin hätten die Filmpro­du­zen­ten sie links liegen lassen.

Von Pelé bis Dalí

Kein Problem für die selbst­be­wuss­te Italie­ne­rin, die sich kurzer­hand auf ihre andere Passi­on konzen­triert. Sie lichtet Promi­nen­te wie Fidel Castro, das brasi­lia­ni­sche Fußball­idol Pelé, Ronald Reagan, Paul Newman und Salva­dor Dalí ab. Selbst die deutsche Fußball­na­tio­nal­mann­schaft posiert vor ihrer Linse.

In den 1990er Jahren folgt die dritte Karrie­re. Lollo­bri­gi­da kehrt quasi zu ihren Anfän­gen zurück und nimmt Unter­richt bei dem bekann­ten Bildhau­er Giaco­mo Manzù. Später arbei­tet sie häufig in ihrem Atelier in Pietra­san­ta in der Toska­na, stellt Skulp­tu­ren in Moskau und Sevil­la aus. Neben­bei engagiert sie sich für eine besse­re Welt, wird zur Unicef- und FAO-Botschafterin.

«Der Glöck­ner von Notre-Dame»

Zu Gina Lollo­bri­gi­das Welterfol­gen zählen Filme wie «Fanfan, der Husar» und «Die Schönen der Nacht» sowie «Der Glöck­ner von Notre-Dame», wo sie an der Seite von «Quasi­mo­do» Antho­ny Quinn die umschwärm­te Esmeral­da spielt. Sie dreht an der Seite von Humphrey Bogart, Marcel­lo Mastroi­an­ni, Sean Connery, Alec Guinness, Burt Lancas­ter und Rock Hudson und arbei­tet mit Regis­seu­ren wie Howard Hughes und René Clair zusammen.

Einen Oscar, den ihre Lands­frau­en Sophia Loren und Anna Magna­ni bekamen, erhält Lollo­bri­gi­da jedoch nie. Dafür wird sie in Washing­ton von Präsi­dent Eisen­hower empfan­gen und erhält 1985 aus der Hand des franzö­si­schen Kultur­mi­nis­ters das «Offiziers­kreuz für Kunst und Wissenschaft».

Priva­te Turbulenzen

«Weniger Glück als andere» hat sie nach eigenen Angaben «in Herzens­an­ge­le­gen­hei­ten». 1949 heira­tet sie den jugosla­wi­schen Arzt Milko Skofic. Aus der Ehe, die 1971 geschie­den wird, geht Sohn Milko Jr. hervor. Anschlie­ßend sagt man «Lollo» zahlrei­che Affären etwa mit Milli­ar­där Howard Hughes und dem Politi­ker Henry Kissin­ger nach.

2006, mit 79 Jahren, macht sie noch einmal Schlag­zei­len, als sie den 34 Jahre jünge­ren Javier Rigau heira­ten will. Doch dazu kommt es nicht — der Spani­er stellt sich als Heirats­schwind­ler heraus.

In ihren letzten Jahren steht erneut ein junger Mann im Fokus, «mein großes Glück», wie Lollo­bri­gi­da sagt. Offizi­ell ist er ihr Assis­tent und wohnt mit seiner Familie bei der Schau­spie­le­rin. Sohn Milko behaup­tet, der Mann habe die Senio­rin manipu­liert. Deswe­gen und als Folge des Eklats um den spani­schen Betrü­ger erwirkt der Sohn, dass seiner Mutter ein Finanz­vor­mund vorge­setzt wurde. Lollo­bri­gi­da und ihr Anwalt meinen, Milko gehe es nur um das Vermö­gen der Mutter.

«Ich habe das Recht in Frieden zu leben, aber auch in Frieden zu sterben», sagt Lollo­bri­gi­da 2021 in einem TV-Inter­view. «In meinem Alter sollte ich eigent­lich ein bisschen Frieden haben. Aber den habe ich nicht. Ich bin müde. Man sollte mich in Frieden sterben lassen.»