Kein anderer Jazz-Musiker wurde so oft mit dem Grammy ausge­zeich­net wie Chick Corea. Mit 79 Jahren ist das Genie gestor­ben. Die Musik­welt trauert um den begna­de­ten Künst­ler, der selbst während der Corona-Pande­mie die Leiden­schaft für Live-Konzer­te nicht verlor.

NEW YORK (dpa) — Der hochde­ko­rier­te US-Jazz-Künst­ler Chick Corea ist tot. Der 79-jähri­ge Kompo­nist und Pianist starb bereits am Diens­tag an einer selte­nen Krebs-Erkran­kung, wie auf Coreas offizi­el­ler Facebook-Seite sowie seiner Websei­te mitge­teilt wurde.

Den Musik­preis Grammy gewann er nach Angaben der Akade­mie 23 Mal, so oft wie kein anderer Jazz-Musiker. Nominiert wurde er 67 Mal.

Corea sei «unbestrit­ten einer der unglaub­lichs­ten Jazz-Innova­to­ren aller Zeiten», schrieb die Grammy-Akade­mie nach dem Bekannt­wer­den seines Todes auf Twitter. Er habe über fünf Jahrzehn­te das Regel­werk des Jazz umgeschrie­ben, hieß es weiter.

«Durch seine Arbeit und die Jahrzehn­te, die er damit verbracht hat, die Welt zu berei­sen, hat er das Leben von Millio­nen Menschen berührt und inspi­riert», sagte seine Familie in ihrer Stellung­nah­me. Der briti­sche Künst­ler Yusuf/Cat Stevens bezeich­ne­te Corea als einen der «innova­tivs­ten Musiker», mit dem er jemals gearbei­tet habe.

In einem BBC-Inter­view zuletzt beschrieb sich Corea als Kompo­nist, Innova­tor und Pianist. Fanta­sie bezeich­ne­te er dabei als sein Werkzeug. Der Künst­ler öffne­te am elektri­schen Piano in den Ensem­bles von Miles Davis ab Ende der 60er die Tür für die Ära der Fusion aus Jazz und Rock. Trotz allem blieb Corea aber auch immer dem Akustik-Klavier verbunden.

Auf seiner Websei­te wurde auch eine letzte Botschaft Coreas übermit­telt: Die Welt brauche mehr Künst­ler, wurde er darin zitiert. «Meine Missi­on war es immer, die Freude am Gestal­ten zu bringen, wo immer ich konnte, und dies mit all den Künst­lern zu tun, die ich so sehr bewun­de­re — das war der Reich­tum meines Lebens.»

Nachdem der als Arman­do Antho­ny Corea gebore­ne Sohn eines Trompe­ters und Bassis­ten bereits mit vier Jahren am Klavier geses­sen und früh Unter­richt genos­sen hatte, spiel­te er in jungen Jahren mit Saxofon­le­gen­de Stan Getz und Dizzy Gille­spie zusam­men. Beein­flusst wurde er sowohl von Herbie Hancock und Thelo­nious Monk als auch von latein­ame­ri­ka­ni­schen Rhyth­men. Star-Trompe­ter Davis erkann­te Coreas Talent und nahm ihn statt Hancock mit auf Tour — mit dem Corea später aller­dings auch noch auf eine Welttour­nee gehen sollte.

Als seien all diese Namen nicht genug, begann Corea musika­lisch auch Ausflü­ge in andere Genres, etwa im brasi­lia­nisch angehauch­ten Album «Light as a Feather», auf dem er mit «500 Miles High» und «Spain» brillier­te. Ob mit E‑Gitarrist Bill Connors, Flamen­co-Klängen im Album «My Spanish Heart» oder seinem rocki­gen Elektro-Jazz der 80er und 90er Jahre: Während Coreas Finger über die Tasten schweb­ten, verwan­del­te sich sein Jazz in ein musika­li­sches Kalei­do­skop. Nicht umsonst taufte er sein 1992 gegrün­de­tes Label «Stretch Records», das Grenzen dehnen und Kreati­vi­tät anstel­le von Genres stellen sollte.

Publi­kum wie Kriti­ker faszi­nier­te, dass dem Locken­kopf selbst die vielsei­ti­ge und wandel­ba­re Musik­rich­tung des Jazz offen­bar nicht genug Raum ließ. Hinzu kam eine unver­kenn­ba­re Liebe zum Spiel über fünf Jahrzehn­te, in denen Corea als Bandlea­der und Solist mehr als 100 Alben veröf­fent­lich­te. Wie verbun­den er der Musik war, zeigte sich schon daran, dass er nach einem gelun­ge­nen Konzert oft stunden­lang allein weiter­spiel­te, anstatt sich an einer Bar unters Volk zu mischen.

Den gern kolpor­tier­ten Gegen­satz von klassi­scher Musik und Jazz verkehr­te Corea mit seinem Spiel oft ins Gegen­teil, etwa mit seinem Album «The Mozart Sessi­ons», das er mit Bobby McFer­rin und dem Saint Paul Chamber Orches­tra aus Minne­so­ta aufnahm. Unver­ges­sen dürfte die Auffüh­rung seines zweiten Klavier­kon­zerts «The Conti­nents» im Wiener Mozart­jahr 2006 bleiben.

2020 arbei­te­te der überzeug­te Scien­to­lo­gy-Anhän­ger an einer 45-minüti­gen Hommage an den ungari­schen Kompo­nis­ten Bela Bartok. Aber die Corona-Pande­mie durch­kreuz­te seine Pläne, seine neue Kompo­si­ti­on in Budapest live aufzu­füh­ren. Er begann darauf­hin sein Klavier­spiel live über Facebook zu übertra­gen. Diese Erfah­rung brach­te ihm nach eigenen Angaben in den letzten Monaten sehr viel Freude. Anstatt nur in Konzert­hal­len zu spielen, könne er so seine Live-Musik direkt in die Häuser der Menschen bringen, sagte Corea der BBC.