DÜSSELDORF (dpa) — In Deutsch­land gibt es wieder mehr Raucher — auch unter Jugend­li­chen. Studi­en­au­toren mahnen, dass bei der Sucht­prä­ven­ti­on hierzu­lan­de noch viel Luft nach oben sei. Der Gesund­heits­mi­nis­ter gelobt Besserung.

In Deutsch­land greifen einer Befra­gung zufol­ge wieder deutlich mehr Jugend­li­che zur Zigaret­te. Der Anteil der Rauche­rin­nen und Rauchern bei den 14- bis 17-Jähri­gen stieg 2022 auf mehr als 15 Prozent, wie aus neuen Zahlen der regel­mä­ßig durch­ge­führ­ten Deutschen Befra­gung zum Rauch­ver­hal­ten (Debra) hervor­geht. Der Schnitt der sechs Vorjah­re hatte gut zehn Prozent betra­gen. Zuvor hatte «Spiegel Online» darüber berichtet.

Für Debra wird alle zwei Monate eine reprä­sen­ta­ti­ve Stich­pro­be der Bevöl­ke­rung ab 14 Jahren zu ihrem Tabak­kon­sum befragt. Insge­samt wurden 2022 mehr als 12.000 Perso­nen befragt, darun­ter 434 Jugend­li­che. In dieser Alters­grup­pe seien statis­ti­sche Abwei­chun­gen möglich, sagte Debra-Leiter Daniel Kotz.

Da man seit Jahren die gleiche Metho­dik verwen­de, könne man Verän­de­run­gen im Vergleich zum Vorjahr aber gut abbil­den. 2022 gaben 15,9 Prozent der befrag­ten 14- bis 17-Jähri­gen an, täglich oder nicht täglich Zigaret­ten oder Tabak in anderer Form zu konsu­mie­ren. 2021 waren es noch 8,7 Prozent gewesen. Bei den jungen Erwach­se­nen zwischen 18 und 24 Jahren stieg der Anteil von 36,1 auf 40,8 Prozent an.

Lauter­bach: Grund zur Sorge

Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter Karl Lauter­bach (SPD) sagte «Spiegel Online», die Studi­en­ergeb­nis­se seien ein sehr großer Grund zur Sorge. Die Daten müssten jetzt genau analy­siert werden. Dann müsse man sich Maßnah­men für einen besse­ren Jugend­schutz überlegen.

Kotz, der an der Uni-Klinik Düssel­dorf am Centre for Health and Socie­ty den Sucht-Forschungs­schwer­punkt leitet, kriti­sier­te, die von der Weltge­sund­heits­or­ga­ni­sa­ti­on WHO empfoh­le­nen Tabak­kon­troll­maß­nah­men würden von der Politik bislang nur unzurei­chend umgesetzt. Beson­ders wichtig seien Tabak­steu­er­erhö­hun­gen, um Rauchen so teuer zu machen, dass Jugend­li­che gar nicht mehr auf die Idee kämen.

Derzeit bekom­me man außer­dem an jeder Tankstel­le, in jedem Kiosk oder Super­markt Tabak attrak­tiv angebo­ten. Die Produk­te müssten aus dem Sicht­feld verschwin­den und nur mehr auf expli­zi­te Nachfra­ge zu bekom­men sein. Außer­dem sollten «tabak­freie Lebens­wel­ten» geschaf­fen werden, sagte Kotz. Bei Bildungs- und Gesund­heits­ein­rich­tun­gen oder Sport­stät­ten müsste das ganze Gelän­de rauch­frei sein.

Lauter­bach räumte gegen­über «Spiegel Online» ein, dass Deutsch­land bei der Tabak­prä­ven­ti­on deutlich hinter den skandi­na­vi­schen Ländern, Großbri­tan­ni­en oder den Nieder­lan­den zurück­lie­ge. «Wir haben keine Einheits­ver­pa­ckun­gen, an Verkaufs­or­ten sind Zigaret­ten­schach­teln und Werbung noch überall zu sehen und im Kino ist Tabak­wer­bung noch immer erlaubt. Umso mehr müssen wir auf den Jugend­schutz achten», sagte er.

Welchen Einfluss haben Corona und der Ukraine-Krieg?

Dass wieder mehr junge Leute Tabak rauchen, ist laut der Inter­pre­ta­ti­on von Debra-Leiter Kotz mögli­cher­wei­se auch einem Zeitgeist während Corona- und Energie-Krise sowie Krieg in der Ukrai­ne geschul­det. Stress angesichts finan­zi­el­ler Sorgen oder den Erfah­run­gen der Corona-Zeit könnte demnach begüns­ti­gen, dass mit dem Rauchen angefan­gen werde. Zudem stieg der Anteil der Raucher laut der Befra­gung in allen Alters­grup­pen an. Wenn Erwach­se­ne verstärkt rauch­ten, zeige sich das zeitver­zö­gert bei Jugend­li­chen, sagte Kotz.

Auch der Konsum von E‑Zigaretten und ähnli­chen Produk­ten stieg der Studie zufol­ge bei jungen Leuten deutlich an. Der Anteil stieg bei den 14- bis 17-Jähri­gen von 0,5 Prozent (2021) auf 2,5 Prozent (2022), bei den 18- bis 24-Jähri­gen von 2,4 auf 4,0 Prozent. Beson­ders deutlich war der Anstieg bei Einweg-E-Zigaret­ten. Kotz sagte, die Tabak­in­dus­trie habe mit diesen Produk­ten eindeu­tig junge Leute im Fokus. Sie machten angesichts des hohen Nikotin­ge­halts sehr schnell abhän­gig. Der Weg zu einem Tabak­pro­dukt sei dann kurz.