BERLIN (dpa) — Kanzler Scholz unter­stützt, dass die Ukrai­ne schwe­re Waffen von Nato-Ländern erhält. Direkt aus Deutsch­land sollen sie aber nicht kommen. In der Ampel-Regie­rung knirscht es deshalb weiter.

Bundes­kanz­ler Olaf Scholz (SPD) steht trotz seiner jüngs­ten Ankün­di­gun­gen weiter auch in der eigenen Koali­ti­on wegen Rüstungs­hil­fen für die Ukrai­ne unter Druck.

Dem Grünen-Politi­ker Anton Hofrei­ter und der FDP-Politi­ke­rin Marie-Agnes Strack-Zimmer­mann gehen Scholz’ Äußerun­gen vom Diens­tag­abend nicht weit genug. Auch der ukrai­ni­sche Botschaf­ter Andrij Melnyk zeigte sich unzufrieden.

Scholz hat der Ukrai­ne zugesagt, direk­te Rüstungs­lie­fe­run­gen der deutschen Indus­trie zu finan­zie­ren. «Wir haben die deutsche Rüstungs­in­dus­trie gebeten uns zu sagen, welches Materi­al sie in nächs­ter Zeit liefern kann», sagte er am Diens­tag. «Die Ukrai­ne hat sich nun von dieser Liste eine Auswahl zu eigen gemacht, und wir stellen ihr das für den Kauf notwen­di­ge Geld zur Verfü­gung.» Darun­ter seien wie bisher Panzer­ab­wehr­waf­fen, Luftab­wehr­ge­rä­te, Muniti­on «und auch das, was man in einem Artil­le­rie­ge­fecht einset­zen kann».

Ruf nach schwe­ren Waffen

Melnyk kriti­sier­te im ZDF-«heute journal», auf der Liste mögli­cher Waffen­lie­fe­run­gen, die die Ukrai­ne vor einigen Woche aus Deutsch­land bekom­men habe, befän­den sich gar keine schwe­ren Waffen. «Die Waffen, die wir brauchen, die sind nicht auf dieser Liste.» Die Bundes­wehr wäre aber fähig, der Ukrai­ne die Waffen zu liefern, die das Land benöti­ge. Er nannte den Marder-Schützenpanzer.

«Die Bundes­wehr hat nach unseren Angaben über 400 an der Zahl, und nur ein gerin­ger Teil davon ist einge­bun­den in Missio­nen.» Die deutsche Rüstungs­in­dus­trie könne diese Panzer inner­halb weniger Wochen erset­zen. Die Ukrai­ne hoffe weiter, dass sie diese Waffen so schnell wie möglich bekomme.

Scholz hatte am Diens­tag jedoch nicht von einer direk­ten Liefe­rung schwe­rer Waffen aus Deutsch­land gespro­chen. Nato-Partner, die Waffen sowje­ti­scher Bauart in die Ukrai­ne liefern, könnten aber Ersatz aus Deutsch­land erhal­ten. «Das ist etwas, was wir mit vielen anderen zusam­men machen, die den gleichen Weg einschla­gen wie wir.» Sofor­ti­ge Einsetz­bar­keit und Verfüg­bar­keit seien bei den Waffen­lie­fe­run­gen wichtig. Liefe­run­gen aus Bundes­wehr­be­stän­den soll es laut Scholz dagegen kaum noch geben. «Hier müssen wir inzwi­schen erken­nen, dass die Möglich­kei­ten, die wir haben, an ihre Grenzen stoßen», sagte er.

Kritik auch aus Deutschland

Grünen-Politi­ker Hofrei­ter sagte dem Nachrich­ten­por­tal t‑online: «Die von Olaf Scholz angekün­dig­te Unter­stüt­zung unserer Partner­län­der bei den Waffen­lie­fe­run­gen in die Ukrai­ne ist ein weite­rer Schritt in die richti­ge Richtung, aber er reicht nicht aus». Auch dem Redak­ti­ons­netz­werk Deutsch­land sagte er, wirklich entschei­dend sei, dass die Ukrai­ne jetzt schnell auch schwe­re­re Waffen bekomme.

Die FDP-Vertei­di­gungs­po­li­ti­ke­rin Strack-Zimmer­mann begrüß­te auf Twitter, dass Scholz den Vorschlag aufgreift, für die Ukrai­ne sofort bedien­ba­re Waffen über osteu­ro­päi­sche Partner zu liefern, die Deutsch­land dann kompen­sie­re. «Um Freiheit und Menschen­rech­te muss man aber kämpfen, die bekommt man nicht geschenkt. Dafür kam heute noch zu wenig Konkre­tes.» Auch aus der opposi­tio­nel­len Union kam erneut Kritik. «Zu wenig — zu spät», das bleibe die bitte­re Bilanz nach der Presse­kon­fe­renz von Scholz, schrieb Vize-Unions­frak­ti­ons­chef Johann Wadephul (CDU) bei Twitter. «Deutsch­land liefert weiter keine schwe­ren Waffen, d.h. lässt die Ukrai­ne im Stich.»

Der vertei­di­gungs­po­li­ti­sche Sprecher der AfD-Bundes­tags­frak­ti­on, Rüdiger Lucas­sen, forder­te eine Entschei­dung des Parla­ments. Mit einer Liefe­rung schwe­rer Waffen werde «die Bundes­re­pu­blik völker­recht­lich zwar eindeu­tig nicht zur Kriegs­par­tei», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. «Es besteht aber das Risiko, dass Moskau dies anders sieht. Dieses erheb­li­che Risiko muss die Bundes­re­gie­rung kalku­lie­ren und eine Entschei­dung dieser Tragwei­te daher zwingend dem Deutschen Bundes­tag zur Abstim­mung vorlegen.»

Schlag­ab­tausch zwischen Melnyk und Gabriel

Die SPD-Vorsit­zen­de Saskia Esken will sich an diesem Mittwoch mit dem ukrai­ni­schen Botschaf­ter Melnyk treffen. «Gerade in Zeiten, in denen uns die Herzen schwer sind und die Debat­ten manch­mal hitzig, ist es umso wertvol­ler, das offene und vertrau­ens­vol­le Gespräch zu pflegen», schrieb sie zu dem Gespräch auf Twitter. Melnyk machte deutlich, dass er sich grünes Licht für die Liefe­rung schwe­rer Waffen an die Ukrai­ne erhof­fe. Außer­dem erwar­te er einen Liefer­stopp für russi­sches Gas und Öl. Einem generel­len Energie-Embar­go hat die gesam­te Bundes­re­gie­rung aus SPD, Grünen und FDP eine Absage erteilt.

Melnyk hatte in den vergan­ge­nen Wochen immer wieder mit schar­fen Worten den frühe­ren Russland-Kurs der SPD verur­teilt und mehr deutsche Waffen­lie­fe­run­gen an die Ukrai­ne gefor­dert. Am Wochen­en­de kam es zu einem harten Schlag­ab­tausch, als der ehema­li­ge Bundes­au­ßen­mi­nis­ter Sigmar Gabri­el (SPD) in einem Gastbei­trag für den «Spiegel» «geziel­te Angrif­fe» auf Bundes­prä­si­dent Frank-Walter Stein­mei­er kriti­sier­te und Melnyk «Verschwö­rungs­theo­rien» vorwarf.

Vor Eskens Treffen mit Melnyk hat sich SPD-Chef Lars Kling­beil unter­des­sen auch für eine klare EU-Beitritts­per­spek­ti­ve für die Ukrai­ne ausge­spro­chen. «Die Menschen in der Ukrai­ne sind Europäe­rin­nen und Europä­er. Sie kämpfen für unsere europäi­schen Werte und mit großer Entschlos­sen­heit gegen Putins bruta­le Truppen», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Die Ukrai­ne hatte kurz nach Beginn des russi­schen Angriffs­kriegs die Mitglied­schaft in der EU beantragt und dringt auf ein beschleu­nig­tes Verfah­ren. Bei einem frühe­ren Gespräch Eskens mit Melnyk am 6. April war auch Kling­beil dabei.