Fritz Keller ist bald seit einem Jahr im Amt. Der DFB-Präsi­dent hatte viel zu tun — auch ohne die Corona-Krise. Einen Skandal hofft der 63-Jähri­ge bald aufklä­ren zu können.

Die Corona-Krise stellt den Deutschen Fußball-Bund vor enorme Heraus­for­de­run­gen. Dazu muss Keller alte Konflik­te moderie­ren. Im Inter­view der Deutschen Presse-Agentur berich­tet der frühe­re Clubchef des SC Freiburg von Erfol­gen und Nöten.

Am kommen­den Sonntag jährt sich Ihre Wahl zum DFB-Präsi­den­ten? Hätte Ihnen jemand vor einem Jahr gesagt, was alles auf Sie zukommt, hätten Sie das Amt dann übernommen?

Fritz Keller: Ich würde es immer wieder machen, weil ich glaube, dass der Fußball ein wunder­ba­res Instru­ment ist, um Positi­ves in der Welt zu schaf­fen und Lebens­freu­de zu vermit­teln. Selbst oder gerade in der Corona-Krise. Die hervor­ra­gen­de Zusam­men­ar­beit des gesam­ten deutschen Fußballs hat dazu geführt, dass wir in der ganzen Welt als positi­ves Beispiel genannt worden sind. Unser Umgang mit dieser beispiel­lo­sen Krise war vorbild­lich. Mittler­wei­le darf teilwei­se wieder Publi­kum in die Stadi­en, die Freude am Fußball kehrt zurück. Natür­lich hätten wir alle in dieser Zeit auch gerne noch ein paar andere Dinge weiter voran­ge­bracht. Beim Länder­spiel gegen Itali­en in Nürnberg waren im März etwa erstmals seit mehr als 20 Jahren wieder Stehplät­ze erlaubt — dann kam Corona. Anderer­seits hat der Fußball zeigen können, dass er in der Lage ist, auch mal einen Schritt zur Seite zu treten. Denn es gibt viel Wichti­ge­res, vor allem, wenn es um die Gesund­heit geht.

Gibt es einen Punkt auf Ihrer Agenda, der Ihnen persön­lich beson­ders wichtig ist?

Keller: Der Bereich Umwelt ist in der Abtei­lung gesell­schaft­li­che Verant­wor­tung nun fest veran­kert, zudem ist dieses so wahnsin­nig wichti­ge Thema wieder Aufga­be des Präsi­di­ums. Wenn man sein Leben lang so dicht an und mit der Natur arbei­tet, wie ich es als Winzer getan habe, dann weiß man, was die letzten zwei Genera­tio­nen angerich­tet haben. Eine unserer wichtigs­ten Aufga­ben ist es, die Welt zu bewah­ren für die nächs­te Genera­ti­on. Da haben wir noch viel zu tun. Wir müssen aufklä­ren, überzeu­gen und es selbst vorle­ben. Das ist meine Devise. Außer­dem ist es mir sehr wichtig, mehr Frauen für den Fußball und den DFB zu gewin­nen. Wir bekom­men jetzt eine neue Medien­di­rek­to­rin und haben erstmals in der Geschich­te des DFB eine stell­ver­tre­ten­de Generalsekretärin.

Wie fällt Ihre Zwischen­bi­lanz aus?

Keller: Wir setzen den einge­lei­te­ten Kultur­wan­del konse­quent fort. Wir reden mehr, offener und zielori­en­tier­ter mitein­an­der. Wir haben zum ersten Mal einen Vergü­tungs- und Beratungs­aus­schuss, der unabhän­gig und trans­pa­rent arbei­tet. Dass entspre­chen­de Vergü­tun­gen offen­ge­legt werden, zum Beispiel auch meine, ist für mich heute das Normals­te der Welt. Die Compli­ance-Regeln, die wir haben, sind mit die schärfs­ten, die ich aus der Indus­trie kenne. Neu ist auch, dass die DFB-Kommis­si­on gesell­schaft­li­che Verant­wor­tung eine Diskus­si­on führt, wie künftig mit politi­schen Botschaf­ten im Stadi­on umzuge­hen ist. Der DFB war mit der erste Verband, der erklärt hat, dass sich Spiele­rin­nen und Spieler zu unseren Werten beken­nen dürfen müssen. Das ist ein hochkom­ple­xes Thema. Wir müssen gemein­sa­me Leitplan­ken erarbei­ten und einen Missbrauch des Sports verhin­dern. Das Beispiel zeigt: Wir müssen bereit sein, uns ständig zu hinter­fra­gen. Wir sind, was die Lehren aus der Corona-Krise betrifft, im Dialog mit der UEFA, der Politik, den Top-Clubs und natür­lich auch mit den Fans. Wir sind aber noch lange nicht dort, wo wir hinwollen.

In der UEFA vertritt Ihr Vize Rainer Koch den DFB, im FIFA-Rat ist der deutsche Fußball nicht vertre­ten? Schlie­ßen Sie für sich aus, sich um einen Sitz beim Weltver­band zu bewerben?

Keller: Wir werden uns zusam­men­set­zen und überle­gen, was das Beste für den deutschen Fußball ist und welcher Weg der beste ist, um die UEFA und den europäi­schen Fußball dort angemes­sen vertre­ten zu können. Auf jeden Fall wäre es sinnvoll, wenn der deutsche Fußball und der DFB auch dort präsent wären. Ich persön­lich habe genügend Arbeit und vertre­te den DFB schon inter­na­tio­nal, ohne in diesen Gremi­en zu sitzen.

Bei aller Anstren­gung in den vergan­ge­nen Monaten — ein Bild der Natio­nal­mann­schaft im Flugzeug oder der Bayern-Chefeta­ge im Stadi­on dicht an dicht reicht, um die Diskus­si­on über den abgeho­ben Fußball wieder zu entfa­chen. Ärgern Sie sich persön­lich über diese Momente?

Keller: Das Thema Flug ist erledigt. Aber ich bin auch dankbar, wenn so etwas passiert. Dann kann man das intern bespre­chen und daraus lernen. So wie auch die Bayern sicher aus dieser Situa­ti­on die richti­gen Konse­quen­zen ziehen werden. Das Hygie­ne­kon­zept des Fußballs ist eben in bestimm­ten Dingen härter als das mancher Bundesländer.

Sie haben angekün­digt, dass sich eine Kommis­si­on erneut mit der Aufklä­rung der ungeklär­ten Millio­nen­zah­lun­gen rund um die WM 2006 befasst. Wie zuver­sicht­lich sind Sie, dass dies gelingt?

Keller: Es wird etwas Neues geben. Wir appel­lie­ren aber weiter­hin an alle, die etwas zur Aufklä­rung beisteu­ern können, sich zu betei­li­gen. Damals herrsch­te zugege­be­ner­ma­ßen ein anderer Zeitgeist. Trotz­dem sind hier große Fehler gemacht worden, und es ist jetzt an der Zeit, diesem Jahr 2006, diesem Leucht­turm des deutschen Fußballs, den letzten Schat­ten zu nehmen. Wir alle hoffen sehr, dass uns das gelingt. Wie mir berich­tet wird, sind wir ganz nah dran.