BERLIN (dpa) — Vor dem Wochen­en­de noch schnell in den Laden, Gras kaufen. Bis das in Deutsch­land Reali­tät wird, dauert es wohl noch ein wenig. Viele prakti­sche Fragen sind noch offen — auch aus Sicht der Polizei.

Vor seinem Einzug in den Bundes­tag im Jahr 2013 war Uli Grötsch bayeri­scher Polizist. Dort habe der heuti­ge SPD-Innen­po­li­ti­ker erlebt, wie jungen Menschen, die mit Canna­bis erwischt wurden, der Weg in den Staats­dienst verbaut wurde, sagt er.

Für ihn habe sich das falsch angefühlt. «Wir arbei­ten seit Jahren daran, Canna­bis zu legali­sie­ren, das war überfäl­lig», sagt Grötsch.

Durch den von der neuen Regie­rung von SPD, Grünen und FDP geplan­ten Canna­bis-Verkauf in lizen­zier­ten Verkaufstel­len und die Entkri­mi­na­li­sie­rung der Konsu­men­ten könnten bei der Schutz­po­li­zei und der Krimi­nal­po­li­zei Kapazi­tä­ten frei werden, ist Grötsch überzeugt. Ressour­cen, die man nutzen könnte, um verstärkt gegen den Handel mit harten Drogen wie Heroin oder Chrys­tal Meth vorzu­ge­hen. Grötsch erwar­te­tet auch, dass der bislang nur für medizi­ni­sche Zwecke erlaub­te Anbau von Hanfpflan­zen «auch für deutsche Landwir­te inter­es­sant sein wird».

Die am häufigs­ten konsu­mier­te illega­le Droge

Canna­bis ist die am häufigs­ten konsu­mier­te illega­le Droge in Deutsch­land. «Wir tragen der Lebens­rea­li­tät von Millio­nen von Deutschen Rechnung», sagt Grötsch. Die Ampel-Koali­ti­on ist sich einig. Sie plant eine «kontrol­lier­te Abgabe von Canna­bis an Erwach­se­ne zu Genuss­zwe­cken in lizen­zier­ten Geschäf­ten». Dadurch würden «die Quali­tät kontrol­liert, die Weiter­ga­be verun­rei­nig­ter Substan­zen verhin­dert und der Jugend­schutz gewähr­leis­tet», heißt es im Koali­ti­ons­ver­trag. Auf der Haben­sei­te stehen bei diesem in der Gesell­schaft umstrit­te­nen Thema außer­dem die zu erwar­ten­den Steuer­ein­nah­men in Milliardenhöhe.

Stephan Thomae, Innen­po­li­ti­ker der FDP, betont, die Koali­tio­nä­re seien sich zwar, was das Ziel angehe, einig. Ein «Schnell­schuss» sei hier aber nicht zu erwar­ten. Angestrebt werde vielmehr eine «gründ­li­che, durch­dach­te Gesetz­ge­bung», auch um mögli­che unerwünsch­te Neben­ef­fek­te und Spätfol­gen auszuschließen.

Nieder­lan­de kein Vorbild

Ein Blick auf die Nieder­lan­de zeige, dass das dort über Jahrzehn­te prakti­zier­te Konzept, den Verkauf in sogenann­ten Coffee­shops zu erlau­ben, Anbau und Großhan­del aber zu verbie­ten, kein Vorbild sein könne, sagt Thomae. Denn das spiele Drogen­ban­den in die Hände. Für den FDP-Politi­ker ist daher wichtig: «Wir müssen auch eine legale Liefer­ket­te schaffen.»

Wird es demnächst also «Haschisch made in Germa­ny», womög­lich in Bio-Quali­tät geben? Über die Details wird in der Koali­ti­on sicher noch zu reden sein. Die Grünen können jedoch zumin­dest geltend machen, schon vertieft über das Klein­ge­druck­te nachge­dacht und im Bundes­tag mehre­re erfolg­lo­se Vorstö­ße dazu gemacht zu haben. Ihr Entwurf eines «Canna­bis­kon­troll­ge­set­zes» von 2018 hat immer­hin 72 Seiten.

«Es wird weiter­hin Dealer geben»

Die Gewerk­schaft der Polizei (GdP) bleibt skeptisch. Dass sich durch eine kontrol­lier­te Abgabe von Canna­bis an Erwach­se­ne der Schwarz­markt austrock­nen lasse, gehört nach Einschät­zung ihres Bundes­vor­sit­zen­den Oliver Malchow ins Reich der Fanta­sie. Er ist überzeugt: «Es wird weiter­hin Dealer geben, weil Jugend­li­che in den lizen­zier­ten Shops nicht einkau­fen dürfen und weil das Canna­bis dort, wo Laden­mie­te bezahlt wird und Steuern abgeführt werden, teurer sein wird.»

Da der Straßen­ver­kauf illegal bleibe, glaube er auch nicht an eine Entlas­tung der Polizei durch das geplan­te Gesetz, sagt Malchow. Am meisten störe ihn aber, dass durch die Legali­sie­rung vor allem an Jugend­li­che das falsche Signal gesen­det werde, nämlich «dass Canna­bis nicht so gefähr­lich sei». Wer hier auf Erfolg durch Präven­ti­on setze, sei reali­täts­fern, denn Aufklä­rung über Drogen gebe es in den Schulen heute schon.

Wie gefähr­lich ist Cannabis?

«Canna­bis­kon­sum erhöht das Risiko für körper­li­che und vor allem für psychi­sche Störun­gen, kann zumin­dest vorüber­ge­hend die Hirnleis­tung beein­träch­ti­gen und führt in jedem zehnten Fall zu einer Abhän­gig­keit», heißt es in einer Broschü­re des Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­te­ri­ums. Gerade für Kinder und Jugend­li­che könne Canna­bis gefähr­lich werden.

Dass Argument der Ampel-Koali­tio­nä­re, bei einer kontrol­lier­ten Abgabe, könne die Quali­tät der Droge überprüft werden, will Peter Pytlik, Landes­vor­sit­zen­der der GdP in Bayern, nicht gelten lassen. Er meint, wer den Effekt des legal angebo­te­nen Stoffs mögli­cher­wei­se zu wenig berau­schend finde, lande am Ende vielleicht doch auf dem Schwarz­markt, wo Haschisch mit einem höheren Wirkstoff­ge­halt zu haben sei. Er sieht auch ein Problem an den Schulen, «wo dann der 18-Jähri­ge für den 15- oder 16-Jähri­gen Canna­bis im Geschäft einkau­fen geht».

Die Deutsche Polizei­ge­werk­schaft warnt in einem Positi­ons­pa­pier: «Wäre Canna­bis für alle problem­los verfüg­bar, würden aller Voraus­sicht nach auch mehr Menschen die Droge konsu­mie­ren — und mehr Menschen abhän­gig werden.» Der Bund Deutscher Krimi­nal­be­am­ter kann den Legali­sie­rungs­plä­nen dagegen etwas abgewinnen.

Unions­frak­ti­on strikt gegen Cannabis

Die Unions­frak­ti­on ist strikt gegen Canna­bis an der Laden­the­ke. Ihr innen­po­li­ti­scher Sprecher, Alexan­der Throm (CDU), meint: «Die Hoffnung, mit der Legali­sie­rung von Canna­bis die Polizei zu entlas­ten, dürfte sich als Trugschluss heraus­stel­len.» Schließ­lich habe die Canna­bis-Freiga­be in den Nieder­lan­den «zu einem starken Anstieg Organi­sier­ter Krimi­na­li­tät geführt». Da eine Legali­sie­rung der Droge vermut­lich auch mehr Konsum nach sich ziehen würde, sei ein Rückgang des Schwarz­markt­han­dels kaum zu erwarten.

Zu den Fragen, die vor der geplan­ten Legali­sie­rung noch geklärt werden müssen, gehört auch die der Verkehrs­tüch­tig­keit. SPD-Politi­ker Grötsch sieht da keine Hürde. Er sagt, analog zur Promil­le-Grenze beim Alkohol müssten hier halt THC-Grenz­wer­te im Nanogramm-Bereich festge­legt werden. Die Links­frak­ti­on hatte in der zurück­lie­gen­den Wahlpe­ri­ode in einem Antrag ausge­führt, der «meist angewen­de­te Grenz­wert von 1,0 ng THC pro ml Blutse­rum» sei so niedrig, dass dieser oft noch Tage nach dem Canna­bis­kon­sum überschrit­ten werde, wenn keine Beein­träch­ti­gung der Fahrtüch­tig­keit mehr bemerk­bar sei.

Dass die Ampel-Koali­ti­on mit ihren Legali­sie­rungs­plä­nen Neuland betritt und auch Risiken eingeht, ist den drei Partei­en wohl bewusst. Schließ­lich heißt es im Koali­ti­ons­ver­trag: «Das Gesetz evalu­ie­ren wir nach vier Jahren auf gesell­schaft­li­che Auswirkungen.»

Von Anne-Beatri­ce Clasmann, dpa