OSNABRÜCK/BERLIN (dpa) — Kinder­kli­ni­ken sind vieler­orts am Limit — die Pande­mie ist nicht vorbei, dazu kursie­ren weite­re Infek­te. «Wir sind in einer gefähr­li­chen Situa­ti­on», warnt ein Ärztevertreter.

Kinder­ärz­te­prä­si­dent Thomas Fisch­bach befürch­tet eine Verschär­fung der angespann­ten Lage in den Kinder­kli­ni­ken, hält aber eine Masken­pflicht eher für kontraproduktiv.

«Wir sind in einer gefähr­li­chen Situa­ti­on für die Kinder, beson­ders für die Kleins­ten», sagte der Präsi­dent des Berufs­ver­ban­des der Kinder- und Jugend­ärz­te (BVKJ) angesichts der wegen Atemwegs­er­kran­kun­gen überfüll­ten Arztpra­xen und Kinder­kli­ni­ken der «Neuen Osnabrü­cker Zeitung» (NOZ). Und es könne noch schlim­mer kommen: «Denn norma­ler­wei­se stehen wir Anfang Dezem­ber erst am Beginn der Erkäl­tungs­sai­son. Die Spitze der Infek­ti­ons­wel­le steht also noch vor uns.»

Rufen nach einer Rückkehr der Masken­pflicht für Kinder und Eltern erteil­te Fisch­bach jedoch eine Absage. «Der Schrei nach Masken ist der übliche Reflex der Politik. Dabei ist die Masken­pflicht der zurück­lie­gen­den zwei Jahre ja ein wichti­ger Grund für die aktuel­le Krise», meinte er. Denn wegen der Masken seien weder die Immun­sys­te­me der Kinder noch der Eltern trainiert worden.

Gefähr­li­ches RS-Virus sorgt für Infektionswelle

Viele Kinder­pra­xen und Kinder­sta­tio­nen sind aktuell extrem überfüllt. Exper­ten berich­ten von einer enormen Welle an Infek­tio­nen mit dem Respi­ra­to­ri­schen Synzy­ti­al-Virus (RSV), das für Babys gefähr­lich sein kann.

Die Ankün­di­gung von Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter Karl Lauter­bach (SPD), Pflege­kräf­te aus dem Erwach­se­nen­be­reich zur Unter­stüt­zung in der Pädia­trie einzu­set­zen, nannte Fisch­bach «irrwit­zig». Ähnlich kritisch äußer­te sich dazu der Deutsche Pflege­rat (DPR). «Das kann man nur als Verzweif­lungs­tat bezeich­nen», sagte DPR-Präsi­den­tin Chris­ti­ne Vogler dem Redak­ti­ons­netz­werk Deutsch­land (RND).

«In den Klini­ken kann bereits jetzt nur die Minimal­ver­sor­gung gesichert werden. Wir haben keine Stati­on mehr, wo man Pflege­per­so­nal abzie­hen kann.» Pflege­kräf­ten aus anderen klini­schen Abtei­lun­gen hätten auch nicht automa­tisch die Quali­fi­ka­ti­on zu Versor­gung im pädia­tri­schen Intensivbereich.

Angesichts des Fachkräf­te­man­gels in Sozial- und Pflege­be­ru­fen plädier­te Vogler auch für ein verpflich­ten­des sozia­les Gesell­schafts­jahr für alle Schul­ab­gän­ger in Deutsch­land. «Wir müssen als Gesell­schaft wieder zusam­men­rü­cken und lernen, dass wir uns im Sozial­sys­tem wieder verstärkt den Kranken, den Kindern und Schwa­chen widmen müssen.» Das zeige nicht zuletzt die aktuel­le Situa­ti­on in den Klini­ken, sagte Vogler.