MÜNCHEN (dpa/lby) — Zwei Wochen nach der Blocka­de des Airports in Berlin kleben sich Aktivis­ten erneut auf Flugha­fen-Gelän­de fest — in München und in Berlin. Ein Flieger mit einem Passa­gier mit Verdacht Herzin­farkt an Bord landet verspä­tet. Für die Aktio­nen hagelt es Protest von allen Seiten.

Klima­ak­ti­vis­ten haben am Donners­tag die nördli­che Start- und Lande­bahn des Münch­ner Flugha­fens für 45 Minuten blockiert. Ein Flugzeug mit einem Notfall-Patien­ten konnte deshalb erst mit 20 Minuten Verspä­tung landen, wie der bayeri­sche Innen­mi­nis­ter Joachim Herrmann (CSU) sagte. Sein Zustand sei stabil. Insge­samt seien die Auswir­kun­gen der Aktion auf den Flugver­kehr gering gewesen, es habe keine Annul­lie­run­gen gegeben, sagte ein Flughafensprecher.

Vier Mitglie­der der Gruppe «Letzte Genera­ti­on» schnit­ten am Morgen ein Loch in den Zaun und klebten sich auf einem Rollfeld fest. Die Blocka­de der Südbahn durch drei andere Aktivis­ten habe die Polizei verhin­dert, sagte Herrmann. Deshalb konnte der Flugver­kehr über die Südbahn weiterlaufen.

Um 8.30 Uhr hatte eine Maschi­ne im Anflug auf München einen medizi­ni­schen Notfall gemel­det. «Ein 80-Jähri­ger Passa­gier klagte über Schmer­zen in der Brust», sagte der Minis­ter der Deutschen Presse-Agentur. Der Flieger sollte um 9.18 Uhr auf der Nordbahn landen, musste wegen der Blocka­de­ak­ti­on aber auf die Südbahn umgelei­tet werden, wo er erst um 9.38 Uhr landen konnte.

Herrmann forder­te eine Überprü­fung des Sicher­heits­kon­zepts am Flugha­fen. Solche Blocka­de­ak­tio­nen seien unver­ant­wort­lich und gefähr­lich: «Diese Aktivis­ten sind offen­bar so verbohrt, dass es ihnen egal ist, wenn andere Menschen zu Schaden kommen.»

Am Berli­ner Flugha­fen klebten sich Klima­ak­ti­vis­ten am Donners­tag schon zum zweiten Mal fest, aller­dings auf einem Vorfeld in der Nähe des Zaunes. Bis zum Rollfeld seien sie nicht gekom­men, sagte eine Spreche­rin der Bundes­po­li­zei. Der Flugbe­trieb sei diesmal nicht beein­träch­tigt worden, sagte ein BER-Sprecher.

Die Gruppe «Letzte Genera­ti­on» fordert mehr Klima­schutz, ein Tempo­li­mit von 100 Stunden­ki­lo­me­tern auf Autobah­nen und ein 9‑Euro-Bahnti­cket für ganz Deutsch­land. Erst am Diens­tag hatte sie auf Initia­ti­ve des evange­li­schen Landes­bi­schofs Heinrich Bedford-Strohm ein Gespräch mit Innen­mi­nis­ter Herrmann. Spreche­rin Aimée van Baalen sagte: «Aber was wir angesichts der drohen­den Klima­höl­le brauchen, sind Handlun­gen und nicht nur leere Worte».

Die Arbeits­ge­mein­schaft Deutscher Verkehrs­flug­hä­fen (ADV) kriti­sier­te die Blocka­den: «Es ist nicht hinnehm­bar, wenn die Sicher­heit des Luftver­kehrs gefähr­det wird», sagte Haupt­ge­schäfts­füh­rer Ralph Beisel. Bundes­ver­kehrs­mi­nis­ter Volker Wissing (FDP) sprach von «krimi­nel­len Machen­schaf­ten», die mit legiti­mem Protest nichts mehr zu tun hätten. «Eine Demokra­tie entschei­det aufgrund von Mehrhei­ten und lässt sich nicht erpres­sen.» Bundes­wirt­schafts­mi­nis­ter Robert Habeck (Grüne) sagte, Protest gegen Klima­zer­stö­rung sei richtig. «Aber er sollte so gewählt sein, dass Menschen nicht unnötig darun­ter leiden, damit die Akzep­tanz in der Bevöl­ke­rung für den Klima­schutz nicht gefähr­det wird.»

In München waren kurz nach 9 Uhr drei Männer und eine Frau durch einen aufge­schnit­te­nen Maschen­draht­zaun in den Sicher­heits­be­reich des Flugha­fens einge­drun­gen und hatten sich auf ein Rollfeld der nördli­chen Start- und Lande­bahn geklebt. Unter ihnen waren nach eigenen Angaben ein 59-jähri­ger und ein junger Mann, die wegen vorhe­ri­ger Aktio­nen in München bereits in Präven­tiv­ge­wahr­sam gewesen waren. Drei weite­re Aktivis­ten hinder­te die Polizei daran, auf ein anderes Rollfeld zu gelan­gen. Alle sieben kamen in Gewahr­sam. Ein Richter sollte noch am Donners­tag über die Dauer des Gewahr­sams entscheiden.

Bereits um 9.59 Uhr sei der Verkehr auf der Norbahn wieder normal gelau­fen, teilte der Flugha­fen mit. «Die letzte festge­kleb­te Person wurde um 11.09 Uhr von der Polizei und Flugha­fen­feu­er­wehr gelöst und in Gewahr­sam genom­men», teilte das Polizei­prä­si­di­um Oberbay­ern Nord mit.

Herrmann lobte, dass es der Polizei gelun­gen sei, weite­re «Klima­chao­ten» von der Südbahn fernzu­hal­ten. «Drei Perso­nen wurden dort vorläu­fig festge­nom­men. Diese werden zusam­men mit den Klimakle­bern auf der Nordbahn zunächst in Gewahr­sam genom­men», sagte er. Bei den Nordbahn-Klebern stehe der Verdacht eines gefähr­li­chen Eingriffs in den Luftver­kehr im Raum. Der Straf­rah­men liege bei bis zu zehn Jahren Freiheits­stra­fe. Es sei eine unver­fro­re­ne Rücksichts­lo­sig­keit, nicht nur laufend gegen Geset­ze zu versto­ßen, sondern mit irrsin­ni­gen Aktio­nen auch eine Vielzahl anderer Menschen poten­zi­ell zu gefähr­den, sagte der Innenminister.

Klima­ak­ti­vis­ten hatten in München und Berlin mehrfach Straßen und Autobah­nen blockiert. Bereits am 24. Novem­ber hatten sie den Berli­ner Flugha­fen für fast zwei Stunden lahmge­legt. Am Donners­tag klebten sich dort erneut zwei Aktivis­ten auf einem Vorfeld fest. Sechs weite­re Aktivis­ten seien nicht auf das Gelän­de vorge­drun­gen, teilte die Bundes­po­li­zei mit. Seit dem vergan­ge­nen Vorfall habe sie die Kräfte verstärkt.

CDU/C­SU-Frakti­ons­vi­ze Andrea Lindholz (CSU) fordert mehr Kompe­ten­zen für die Bundes­po­li­zei: «Die Bundes­po­li­zei sollte wie die bayeri­sche Polizei erwei­ter­te Befug­nis­se für einen Präven­tiv­ge­wahr­sam erhal­ten, um in Härte­fäl­len reniten­te Straf­tä­ter effek­tiv von Wieder­ho­lungs­ta­ten abhal­ten zu können», sagte sie den Zeitun­gen der Medien­grup­pe Bayern (Freitag). In Bayern waren am Donners­tag vier Mitglie­der der «Letzten Genera­ti­on» in Präven­tiv­ge­wahr­sam. Bei zwei von ihnen ordne­te ein Richter Gewahr­sam bis zum 5. Januar an.