BERLIN (dpa) — Im Zuge des Klima­wan­dels werden in Deutsch­land immer mehr Arten heimisch, die lange nur in südli­che­ren Ländern lebten. Auch Mücken und Zecken zählen dazu. Das Problem: Mit den Plage­geis­tern wandern auch von ihnen übertra­ge­ne Krank­hei­ten ein.

Über lange Zeit waren Mücken­sti­che in Deutsch­land zumeist allen­falls lästig — inzwi­schen sind sie poten­zi­ell tödlich, wenn auch bisher nur in äußerst selte­nen Fällen.

Drei Jahre ist es her, dass vom Robert Koch-Insti­tut (RKI) erstmals Infek­tio­nen mit dem ursprüng­lich aus Afrika stammen­den West-Nil-Virus bei erkrank­ten Menschen in Deutsch­land erfasst wurden, die auf eine Übertra­gung durch heimi­sche Mücken zurück­gin­gen. Im Jahr 2020 wurde erstmals ein Todes­fall regis­triert. Wie die aktuel­le Saison verläuft, lässt sich noch nicht absehen.

Klar ist jeden­falls: Das West-Nil-Virus kann inzwi­schen in Stech­mü­cken in Deutsch­land überwin­tern. Infizie­ren können sich Menschen zudem über Bluttrans­fu­sio­nen. Schon bald könnte der Erreger größe­re saiso­na­le Erkran­kungs­wel­len verur­sa­chen. In süd- und südost­eu­ro­päi­schen Ländern gibt es schon seit Jahren solche Ausbrüche.

Viele unerkann­te Infek­tio­nen vermutet

Da nur etwa ein Prozent der Infek­tio­nen zu schwe­ren neuro­in­va­si­ven Erkran­kun­gen führen, ist schon für die vergan­ge­nen Jahre von Hunder­ten wegen ihres leich­ten Verlaufs nicht erkann­ten und damit auch nicht erfass­ten Infek­tio­nen in Deutsch­land auszu­ge­hen. Betrof­fen ist bisher vor allem das zentra­le östli­che Deutsch­land samt Berlin, zu Infek­tio­nen kommt es vor allem zwischen Mitte Juli und Mitte Septem­ber. Eine Auswei­tung des betrof­fe­nen Gebie­tes von Jahr zu Jahr sei insbe­son­de­re in wärme­ren Sommern möglich, hieß es kürzlich im «Epide­mio­lo­gi­schen Bulle­tin» des RKI.

«Wir können im Labor nachwei­sen, dass sich Viren in Stech­mü­cken schnel­ler vermeh­ren können, wenn die Tempe­ra­tu­ren höher sind. Da gibt es einen klaren kausa­len Zusam­men­hang zur Klima­er­wär­mung», sagt Jonas Schmidt-Chana­sit vom Bernhard-Nocht-Insti­tut für Tropen­me­di­zin (BNITM) in Hamburg.

Hinzu kommt, dass Mücken­ar­ten aus tropi­schen und subtro­pi­schen Gebie­ten sich in Deutsch­land immer wohler fühlen. Exper­ten des Leibniz-Zentrums für Agrar­land­schafts­for­schung (Zalf) und des Fried­rich-Loeff­ler-Insti­tuts (FLI) erfas­sen das Auftre­ten solcher Neuan­kömm­lin­ge. «Wir haben seit 2007 fünf neue Stech­mü­cken-Arten nachge­wie­sen, die sich in Deutsch­land angesie­delt haben», sagt Helge Kampen vom Insti­tut für Infek­ti­ons­me­di­zin des FLI.

Invasi­ve Mücken­ar­ten als Überträger

Neben zwei Arten, die nicht als Überträ­ger von Erregern gelten, seien das die Asiati­sche Tiger­mü­cke (Aedes albopic­tus) sowie die Japani­sche und die Korea­ni­sche Busch­mü­cke (Aedes japonicus und Aedes korei­cus). «Die Japani­sche Busch­mü­cke hat sich seit 2008 ganz massiv ausge­brei­tet. Sie kommt mittler­wei­le in fast ganz Süddeutsch­land weit verbrei­tet vor und dringt weiter nach Norden».

Busch­mü­cken können Krank­heits­er­re­ger übertra­gen, wie Labor­un­ter­su­chun­gen zeigen. «Sie sind in der Natur aber noch nicht als Überträ­ger aufge­fal­len», erklärt Kampen. Die Asiati­sche Tiger­mü­cke hinge­gen sei ein effizi­en­ter Überträ­ger vieler Viren — in Deutsch­land gebe es bisher noch keinen bekann­ten Fall.

Zu den gefähr­li­chen Erregern, die nicht von unseren heimi­schen Mücken­ar­ten, sehr wohl aber von Aedes-Mücken übertra­gen werden können, zählen Zika‑, Dengue- und Chikun­gu­nya-Virus. «Das sind drei Viren, die bereits zu humanen Infek­tio­nen in Europa, auch in unseren Nachbar­län­dern, geführt haben», sagt Schmidt-Chana­sit. Aus Südfrank­reich zum Beispiel wurden bereits mehrfach Zika-Infek­tio­nen durch dort heimi­sche Tiger­mü­cken gemeldet.

Anders als heimi­sche Mücken nutzen die Tiere häufig kleine Wasser­re­ser­voirs etwa in Unter­set­zern von Blumen­töp­fen und sind vor allem im urbanen Umfeld wie großen Städten verbrei­tet. So wurden erst kürzlich wieder in einer Berli­ner Klein­gar­ten­an­la­ge Asiati­sche Tiger­mü­cken nachge­wie­sen. Eine dauer­haf­te Ansied­lung sei zu befürch­ten, hieß es von der Senats­ver­wal­tung für Gesund­heit. Wie bei der Tiger­mü­cke gehen Exper­ten auch bei den beiden Busch­mü­cken-Spezi­es davon aus, dass sie in Deutsch­land nicht mehr auszu­rot­ten sind.

Auch gefähr­li­che Zecken­ar­ten wandern ein

Weltweit am zweit­häu­figs­ten übertra­gen Zecken krank­ma­chen­de Mikro­ben auf den Menschen — in Europa übertrump­fen sie die Mücken sogar. Und auch bei den Zecken wandern im Zuge der Erder­wär­mung Arten ein, die gefähr­li­che Krank­hei­ten übertra­gen können. Zum Beispiel die ursprüng­lich haupt­säch­lich in den Trocken- und Halbtro­cken­ge­bie­ten Afrikas, Asiens und Süd-Europas behei­ma­te­te Hyalom­ma-Zecke (Hyalom­ma rufipes).

Die bis zu zwei Zenti­me­ter große Riesen­ze­cke profi­tiert von den milde­ren Wintern und kann Infek­tio­nen wie Krim-Kongo-Fieber und Zecken-Fleck­fie­ber übertra­gen. Analy­sen der Univer­si­tät Hohen­heim zufol­ge trägt fast jede zweite in Deutsch­land gefun­de­ne Hyalom­ma-Zecke den Zecken-Fleck­fie­ber-Erreger. Bisher erfasst ist ein Verdachts­fall aus dem Jahr 2019, bei der ein Mann aus Nordrhein-Westfa­len nach dem Stich einer Hyalom­ma-Zecke vermut­lich an Zecken-Fleck­fie­ber erkrank­te. Eine Zecke mit dem Erreger des Krim-Kongo-Fiebers, das mit poten­zi­ell tödli­chen Blutun­gen einher­ge­hen kann, wurde hierzu­lan­de bisher nicht gefunden.

Mit den einwan­dern­den Arten und Erregern drohen Deutsch­land jeden­falls schlim­me neue Erkran­kungs­wel­len. «Wir haben zwei Fakto­ren, die uns zu schaf­fen machen. Der eine ist die Globa­li­sie­rung, der andere die Klima­er­wär­mung», sagt FLI-Exper­te Kampen. Im Zuge des weltwei­ten Trans­ports und der Reisen würden viele Erreger und Überträ­ger in Gebie­te verschleppt, in denen sie zuvor nicht heimisch waren.

Verbrei­tung durch Waren­han­del und Reiseverkehr

Auch zoono­ti­sche Viren wie Affen­po­cken oder das Corona­vi­rus breite­ten sich durch Waren­han­del und Reise­ver­kehr leich­ter aus, sagt Schmidt-Chana­sit. Ein Einfluss der Klima­er­wär­mung werde bei diesen Erregern noch diskutiert.

Impfstof­fe gegen Erreger wie das Zika-Virus gibt es zumeist noch nicht. Sie seien natür­lich in der Entwick­lung, sagt Schmidt-Chana­sit. «Aber ich gehe nicht davon aus, dass wir gegen das Chikun­gu­nya- und das Zika-Virus in den nächs­ten zwei, drei Jahren einen zugelas­se­nen Impfstoff haben werden.» Wichtig sei daher, die Bekämp­fung der Stech­mü­cken in Deutsch­land zu profes­sio­na­li­sie­ren. «Es muss eine geziel­te und nachhal­ti­ge Bekämp­fung der Stech­mü­cken geben, ohne andere Insek­ten dabei zu schädigen.»

Von Mona Wenisch, dpa