Manche Klini­ken haben wenige Covid-Inten­siv-Patien­ten, andere können sich kaum retten. Diese Schief­la­ge soll ein Cluster­kon­zept besei­ti­gen. Die ersten Kranken­häu­ser machen Erfah­run­gen damit.

Diese auch von anderen Bundes­län­dern mit Inter­es­se beobach­te­te Strate­gie legt sechs Versor­gungs­ge­bie­te im Südwes­ten fest — Stuttgart/Ludwigsburg, Karls­ru­he und die Regio­nen um die Unikli­ni­ken in Tübin­gen, Freiburg, Ulm und Heidel­berg. «Das hat gut funktio­niert und uns sehr gehol­fen», sagt Ingo Matheus, Sprecher des Klinik­ver­bun­des mit Sitz in Sindel­fin­gen. Die beiden Corona-Patien­ten seien Anfang Dezem­ber aus Nagold und Calw per Hubschrau­ber in die badische Metro­po­le gebracht worden. Das für den mittle­ren Oberrhein und Nordba­den zustän­di­ge Karls­ru­her Klini­kum hat insge­samt vier auswär­ti­ge Patien­ten aufge­nom­men und hatte zumin­dest vergan­ge­ne Woche kein Inten­siv­bett mehr frei.

Patien­ten wurden auch von Esslin­gen nach Schwä­bisch Hall, von Sindel­fin­gen nach Stutt­gart und von Ostfil­dern nach Ludwigs­burg verlegt, weiß Götz Geldner, Anästhe­sist der Ludwigs­bur­ger RKH-Klini­ken und Koordi­na­tor für alle Versorgungsgebiete.

Das Betten-Manage­ment basiert nach seinen Worten auf einem EDV-Tool, dem Ressour­ce Board, in das jedes der teilneh­men­den 120 Kranken­häu­ser im Südwes­ten bis 9 Uhr morgens die Zahl der beleg­ten und freien Betten auf der Normal- und der Inten­siv­sta­ti­on eingibt. «Wir wollen eine ausge­wo­ge­ne Vertei­lung errei­chen, bei der etwa 50 Prozent der Kapazi­tä­ten eines Hauses für die Notfall­ver­sor­gung, 25 Prozent für nicht verschieb­ba­re Eingrif­fe und weite­re 25 Prozent für Covid-Patien­ten zur Verfü­gung stehen», erläu­tert Geldner. Auch in den RKH-Klini­ken ist die Lage sehr angespannt: Im Ludwigs­bur­ger Haus konnten bis vor kurzem nur noch zwei Inten­siv-Patien­ten aufge­nom­men werden, bevor das Limit von 61 Betten erreicht war.

In solchen Situa­tio­nen sollen die Cluster Entlas­tung bringen. Der medizi­ni­sche Geschäfts­füh­rer des Karls­ru­her Klini­kums, Micha­el Geißler, gibt als Ziel eine flächen­de­cken­de, gleich­mä­ßi­ge Versor­gungs­si­cher­heit für Covid- und Nicht-Covid Patien­ten an. Das Ressour­ce Board bringt den Ärzten mehr Klarheit und Sicher­heit. Die Zeiten, in denen sie als Bittstel­ler stunden­lang am Telefon verbrach­ten, um Plätze für die Kranken zu finden, sind vorbei.

Das von Vertre­tern des Gesund­heits­we­sens unter Feder­füh­rung des Gesund­heits­mi­nis­te­ri­ums erarbei­te­te Konzept sieht in den Schwer­punkt­kran­ken­häu­sern der sechs Versor­gungs­ge­bie­te jeweils einen Leiter vor, der sich um Aufnah­men und Verle­gun­gen zunächst im eigenen Cluster kümmert. Alle betei­lig­ten Kranken­häu­ser nennen den jewei­li­gen Leitern einen Ansprechpartner.

Die Kranken­häu­ser seien sehr koope­ra­tiv, heißt es im Gesund­heits­mi­nis­te­ri­um unter Berufung auf die ersten Erfah­run­gen der regio­na­len Leiter. «Die Belegungs­si­tua­ti­on ist zwar insge­samt angespannt, auch weil in einzel­nen Kranken­häu­sern sich Perso­nal infiziert hat und entwe­der krank ist oder sich in Quaran­tä­ne befin­det.» Verle­gun­gen in nennens­wer­tem Umfang habe es aber noch nicht gegeben.

Etwa 440 von 2520 Inten­siv­bet­ten im Südwes­ten sind laut dem Inten­siv-Regis­ter der Deutschen Inter­dis­zi­pli­nä­ren Verei­ni­gung für Inten­siv- und Notfall­me­di­zin (DIVI/Stand Sonntag) noch frei. Corona-Kranke belegen um die 530 Betten. Hinzu kommen 1472 Inten­siv-Reser­ve­bet­ten, die inner­halb von sieben Tagen aufge­stellt werden können. Engpäs­se entste­hen vor allem durch Perso­nal­not; während die Infek­ti­ons­zah­len steigen, sinkt die Zahl der einsatz­be­rei­ten Ärzte und Pfleger. So fielen im Klinik­ver­bund Südwest 280 Mitar­bei­ter im Oktober und Novem­ber infol­ge von Quaran­tä­ne und Covid-Erkran­kun­gen aus. Hunder­te von Schich­ten konnten nicht besetzt werden.

Indes beklag­te die Corona Task Force von Deutscher Krebs­hil­fe, Deutschem Krebs­for­schungs­zen­trum (DKFZ) und Deutscher Krebs­ge­sell­schaft (DKG) Lücken in der Versor­gung Krebs­kran­ker. «Immer mehr onkolo­gi­sche Eingrif­fe werden verscho­ben, diagnos­ti­sche Unter­su­chun­gen und Nachsor­ge teilwei­se stark zurück­ge­fah­ren», kriti­sier­te der Zusam­men­schluss. Zugleich appel­lier­ten die Fachleu­te an die Bevöl­ke­rung, unbedingt die Corona-Schutz­maß­nah­men einzu­hal­ten, damit sich die Zahl der Neuin­fek­tio­nen schnell verrin­gert. Ziel sei es, das Gesund­heits­sys­tem vor einem Kollaps zu bewahren.

Dieses leidet auch unter den unvor­her­seh­ba­ren Verläu­fen der Covid-Erkran­kun­gen. Sprecher Matheus vom Klinik­ver­bund Südwest sagt: «Wir müssen auf Sicht fahren, fast stünd­lich schau­en wir nach der Belegung der Inten­siv­bet­ten und der Zahl von Covid-Patien­ten mit schwe­ren Sympto­men, die in abseh­ba­rer Zeit inten­siv behan­delt werden müssen.» Das Tücki­sche an Corona sei, dass sich der Zustand eines Patien­ten binnen weniger Stunden drama­tisch verschlech­tern kann und er rasch Beatmung oder die nur selten angebo­te­ne High-Tech-Thera­pie ECMO braucht. Der Überblick mittels des Ressour­ce Boards hilft, den Patien­ten in solchen Notfäl­len schnell die adäqua­te Behand­lung zukom­men zu lassen.