NÜRNBERG (dpa) — Die drama­ti­schen Preis­stei­ge­run­gen haben das Einkaufs­ver­hal­ten verän­dert. Immer häufi­ger greifen Kunden zu den preis­wer­te­ren Eigen­mar­ken der Handels­ket­ten. Premi­um­ar­ti­kel haben das Nachsehen.

Immer mehr Menschen müssen angesichts der hohen Infla­ti­on auf jeden Cent achten. Das hat inzwi­schen starke Auswir­kun­gen auf das Einkaufs­ver­hal­ten. Immer öfter greifen die Verbrau­che­rin­nen und Verbrau­cher zu den preis­güns­ti­ge­ren Eigen­mar­ken des Einzel­han­dels und lassen die Marken­ar­ti­kel in den Regalen liegen.

«Die Handels­mar­ken gewin­nen spürbar Markt­an­tei­le», sagte der Handels­exper­te Robert Kecskes vom Markt­for­schungs­un­ter­neh­men GfK der Deutschen Presse-Agentur. Ganz beson­ders stark legten nach seinen Worten in den vergan­ge­nen zwei Monaten die beson­ders günsti­gen Eigen­mar­ken­an­ge­bo­te im Preis­ein­stiegs­seg­ment zu. Aller­dings hat die Sache eine Haken: Auch die Eigen­mar­ken der Handels­ket­ten werden teurer — und die Preis­stei­ge­run­gen waren hier zuletzt sogar höher als bei den Markenprodukten.

Marken­her­stel­ler büßen Milli­ar­den ein

Sie heißen «Ja», «Gut & Günstig», «Milbo­na» oder «Gut Bio»: Die Eigen­mar­ken mit denen die Handels­ket­ten den Marken­her­stel­lern Konkur­renz machen. Was einst mit einer Handvoll billi­ger No-Name-Produk­te begann, hat sich mittler­wei­le zu einer ganzen Produkt­welt entwi­ckelt. Neben den preis­güns­ti­gen Einstiegs­mar­ken wie «Ja» von Rewe oder «Gut & Günstig» von Edeka, mit denen die Super­markt­ket­ten den Discoun­tern Paroli bieten wollen, gibt es mittler­wei­le auch viele Eigen­mar­ken-Angebo­te für höhere Ansprü­che: Bio-Produk­te, Veggie- und Vegan-Offer­ten, regio­na­le Produk­te und Premi­um-Angebo­te für Feinschme­cker. Allen ist gemein­sam, dass sie preis­lich in der Regel unter den Angebo­ten der bekann­ten Marken­her­stel­ler positio­niert sind. Und dass sie im Moment an Beliebt­heit gewinnen.

Nach den Zahlen der GfK sank der Markt­an­teil der Marken­her­stel­ler, der im vergan­ge­nen Jahr noch bei über 59 Prozent lag, im Juni 2022 auf nur noch 56,5 Prozent. Daran konnte auch eine Zunah­me der Rabatt­ak­tio­nen nichts ändern. Die Marken­her­stel­ler büßten damit Milli­ar­den­um­sät­ze ein.

Es ist ein harter Einbruch für die Marken­ar­tik­ler, hatten sie doch in der Corona-Pande­mie zu den großen Gewin­nern gehört. Damals wollten sich viele angesichts geschlos­se­ner Restau­rants und abgesag­ter Urlaubs­rei­sen zumin­dest in den eigenen vier Wänden etwas gönnen und griffen in den Super­märk­ten häufi­ger als sonst zu teuren Marken­ar­ti­keln. Das bescher­te den Herstel­lern Rekord­um­sät­ze. Doch die Zeiten haben sich geändert.

«Der Trend geht aktuell zu den Preis­ein­stiegs-Eigen­mar­ken. Das ist ein deutli­ches Anzei­chen, wie groß die Verun­si­che­rung in der Bevöl­ke­rung ist», meinte Kecskes. Nach dem «Konsum­mo­ni­tor Preise 2022» des Handels­ver­ban­des Deutsch­land (HDE) und des Insti­tuts für Handels­for­schung Köln (IFH) haben mittler­wei­le mehr als ein Viertel der Menschen in Deutsch­land große Angst, mit ihrem Geld nicht auszu­kom­men. Bei den Perso­nen mit einem Netto-Haushalts­ein­kom­men unter 2000 Euro ist es sogar fast die Hälfte. Die Menschen achten deshalb beim Einkau­fen wieder stärker auf den Preis, greifen häufi­ger zu Sonder­an­ge­bo­ten, gehen öfter zum Discoun­ter statt in den Super­markt oder greifen zu günsti­ge­ren Handels­mar­ken statt zu Markenartikeln.

Sparmög­lich­kei­ten nicht mehr so groß

Erleich­tert wird der Wechsel durch das hohe Ansehen, dass sich viele Eigen­mar­ken inzwi­schen erarbei­tet haben. Nach dem «Handels­mar­ken­mo­ni­tor 2022» sehen knapp zwei Drittel (65 Prozent) der Verbrau­che­rin­nen und Verbrau­cher die Eigen­mar­ken des Handels quali­ta­tiv auf Augen­hö­he mit den Marken­ar­ti­keln. Und 8 Prozent sehen sie sogar als überle­gen an. Über die Hälfte (57 Prozent) billigt ihnen dabei zu, preis­güns­tig zu sein. Gut jeder zweite Befrag­te sieht deshalb den Wechsel zur Handels­mar­ke als ein gutes Mittel, um beim Einkauf Geld zu sparen.

Aller­dings hat die Sache einen Haken. Denn die Sparmög­lich­kei­ten durch den Wechsel vom Marken­pro­dukt zur Händler­mar­ke sind längst nicht mehr so groß wie noch vor einem Jahr. Die Preis­ab­stän­de seien in diesem Jahr «tenden­zi­ell gerin­ger gewor­den», beobach­te­te die GfK.

Das Branchen­fach­blatt «Lebens­mit­tel Zeitung» berich­te­te kürzlich gestützt auf den Daten­pool der Preis-App Smhagg­le: «Den ausge­wer­te­ten Kassen­bons von Smhagg­le-Nutzern zufol­ge haben Edeka und Rewe von Januar bis August die Preise ihrer Eigen­mar­ken­pro­duk­te im Preis­ein­stiegs­seg­ment «Gut & Günstig» respek­ti­ve «Ja» um knapp 100 Prozent stärker verteu­ert als das bei den ebenfalls im Preis gestie­ge­nen Marken­pro­duk­ten der Fall war.» Auch bei den großen Discoun­tern stiegen demnach die Preise der Eigen­mar­ken deutlich stärker als die der angebo­te­nen Markenprodukte.

Die Entwick­lung an sich sei eigent­lich nicht unbedingt verwun­der­lich, meinte die GfK. «Bei den im Schnitt preis­güns­ti­ge­ren Handels­mar­ken schla­gen höhere Kosten aus Herstel­lung und Trans­port prozen­tu­al stärker auf die Preise durch als bei den ohnehin höher­prei­si­gen Marken.» Auch die Zunah­me der Sonder­an­ge­bo­te bei Marken­ar­ti­keln mache sich hier bemerk­bar. Doch am Ende ist es für preis­be­wuss­te Shopper dennoch eine schlech­te Nachricht: Die Handels­mar­ke verliert als letzte Rettung im Kampf gegen die Infla­ti­on an Kraft.

Von Erich Reimann, dpa