Es war befürch­tet worden: In einer Freibur­ger Kita hat sich eine Corona-Mutan­te stark verbrei­tet. Die Landes­re­gie­rung musste sich die Frage stellen, ob sie die baldi­ge Öffnung von Schulen und Kitas überhaupt noch verant­wor­ten kann. Die Antwort ist eindeutig.

STUTTGART/FREIBURG (dpa/lsw) — Nach dem Ausbruch einer mutier­ten Corona­vi­rus-Varian­te in einer Freibur­ger Kita verzich­tet Baden-Württem­berg auf eine frühe­re Öffnung von Kitas und Grund­schu­len. Minis­ter­prä­si­dent Winfried Kretsch­mann (Grüne) entschied am Donners­tag, den Corona-Lockdown auch in Kitas und Schulen bis Mitte Febru­ar fortzu­set­zen. «Die Diskus­sio­nen um weite­re Locke­run­gen sind erstmal gegen­stands­los gewor­den», sagte der Grünen-Politi­ker. Kitas und Grund­schu­len blieben zunächst bis nach den Fastnachts­fe­ri­en, also bis zum 21. Febru­ar, geschlos­sen. Bei 18 Kindern und Erzie­hern aus der Freibur­ger Kita Immer­grün wurde die Corona-Mutan­te inzwi­schen nachgewiesen.

Kretsch­mann warb um Verständ­nis für die kurzfris­ti­ge Absage. «Es tut mir wirklich außer­or­dent­lich leid, dass wir unseren Plan, die Kitas und Grund­schu­len zu öffnen, jetzt nicht umset­zen können.» Nach dem Ausbruch der Corona-Mutati­on in der Kita sei das Risiko einfach zu groß. «Ich sehe, was das an Belas­tung für die Famili­en und die Kleinen bringt.» Er wisse, dass sich die Menschen über sprung­haf­te Entschei­dun­gen der Politik ärger­ten. Aber: «Pande­mien sind einfach nicht die Zeit der Verläss­lich­keit», sagte Kretsch­mann. «Ich bitte weiter einfach um ihr Vertrauen.»

Mittler­wei­le sei klar, dass sich 18 von infizier­ten 25 Perso­nen in der Freibur­ger Kita mit einer Corona-Mutati­on angesteckt hätten. Diese Mutati­on stamme aus Südafri­ka, erklär­te der Regie­rungs­chef. Die zunächst in Südafri­ka (B.1.351) nachge­wie­se­ne Varian­te gilt als hochan­ste­ckend. Nach Angaben des Landes­ge­sund­heits­amts ist diese Virus­va­ri­an­te seit Ende Dezem­ber im Südwes­ten verein­zelt nachge­wie­sen worden. Der Fall in Freiburg ist aber der erste Ausbruch in einer Kita. «Die Mutan­ten sind nicht vor der Tür, sie sind leider schon da», sagte Kretschmann.

Der Gesund­heits­amts­lei­ter in Freiburg, Oliver Kappert, sagte, zu den 25 Infizier­ten kämen neun enge Kontakt­per­so­nen. Hinter­grund der Funde ist demnach, dass Labore seit einigen Tagen im Auftrag des Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­te­ri­ums positi­ve Corona-Proben grob auf eine bestimm­te Virus­mu­ta­ti­on unter­su­chen. Diese komme bei den Corona-Varian­ten aus Großbri­tan­ni­en, Südafri­ka und Brasi­li­en vor. Wegen der geziel­ten Suche nach mutier­ten Viren seit einigen Tagen sei zu erwar­ten gewesen, dass nun auch mehr Fälle auftauch­ten, erklär­te Kappert. Das mutier­te Virus sei also nicht neu hier. «Sondern es ist schon da und wir machen es gerade sichtbar.»

Auch mehre­re andere Landrats­äm­ter vermel­de­ten am Donners­tag Nachwei­se mutier­ter Viren. Wie viele es in ganz Baden-Württem­berg gibt, vermoch­te das Landes­ge­sund­heits­amt zunächst aber nicht zu sagen.

In der Kita Immer­grün waren die Corona-Fälle seit dem 17. Januar bekannt und die Betrof­fe­nen in Quaran­tä­ne. Daher habe keine Brisanz bestan­den, als die Behör­de am Mittwoch vom Nachweis der Mutati­on erfuhr, sagte Kappert. Inzwi­schen seien 11 Kinder und 14 Erzie­her infiziert. Das ist ein Kind mehr als nach Angaben vom Mittwoch. Die Krank­heits­ver­läu­fe der Infizier­ten waren nach Angaben der Diako­nie Baden moderat. Der Ausbruch gehe nach Erkennt­nis­sen des Trägers auf einen Erzie­her zurück, der zunächst keine Sympto­me hatte.

Kultus­mi­nis­te­rin Susan­ne Eisen­mann (CDU) hatte kurz vor Kretsch­manns Entschei­dung noch gewarnt, «vorschnel­le Konse­quen­zen» aus dem Freibur­ger Fall zu ziehen. Die CDU-Spitzen­kan­di­da­tin zur Landtags­wahl am 14. März hatte massiv auf eine Öffnung zum 1. Febru­ar gedrun­gen. Für Eisen­mann ist die erneu­te Verschie­bung ein Rückschlag. Sie wollte Kitas und Grund­schu­len im Sinne der Kinder eigent­lich schon nach den Weihnachts­fe­ri­en öffnen — «unabhän­gig von den Inziden­zen». Eine Öffnung war dann noch einmal für den 18. Januar angedacht, doch diese hatte Kretsch­mann wegen zu hoher Infek­ti­ons­zah­len verhindert.

Vor Baden-Württem­berg hatte schon Rhein­land-Pfalz wegen der Mutati­on in der Freibur­ger Kita entschie­den, den ebenfalls für Montag geplan­ten Start in den Wechsel­un­ter­richt an Grund­schu­len zu verschie­ben. Nun bleiben auch im Südwes­ten die meisten Schulen noch mindes­tens bis nach den Fastnachts­fe­ri­en zu. Es gibt aber weiter Notbe­treu­ung und Ausnah­men für Abschluss­klas­sen. In Baden-Württem­berg gehen etwa 450 000 Kinder in Kitas und rund 382 000 zur Grundschule.

Gesund­heits­mi­nis­ter Manne Lucha (Grüne) forder­te Eisen­mann in einem Brief auf, auch die Notbe­treu­ung einzu­schrän­ken. «Nicht zuletzt angesichts der aufge­tre­te­nen Mutati­on in einer Kinder­ta­ges­stät­te in Freiburg sind Sie jetzt dazu aufge­ru­fen, die Gruppen in der Notbe­treu­ung in Schulen und Kinder­ta­ges­stät­ten wirklich klein zu halten.» Bei SWR Aktuell forder­te Lucha, «dass die Betreu­ung der Kinder über Homeschoo­ling im Primar­be­reich nochmal besser wird».

Eisen­mann hielt dagegen und forder­te das Gesund­heits­mi­nis­te­ri­um und das Landes­ge­sund­heits­amt auf, den genau­en Sachver­halt bei der Kita in Freiburg zunächst «lücken­los» aufzu­klä­ren. Luchas Forde­rung nach einer Einschrän­kung der Notbe­treu­ung wies Eisen­mann entschie­den zurück: «Famili­en sind in beson­de­rer Weise von den Einschrän­kun­gen der Corona-Maßnah­men betrof­fen.» Sie fügte hinzu: «Es irritiert deshalb, dass Famili­en­mi­nis­ter Lucha die Lebens­wirk­lich­keit der Famili­en verkennt.»

Auch über die Teststra­te­gie an Kitas und Schulen sind sich die Minis­ter nicht einig. Lucha bot an, kurzfris­tig Schnell­tests für das verblei­ben­de Perso­nal in der Notbe­treu­ung aus der Notre­ser­ve des Landes zur Verfü­gung zu stellen. So könne mehrmals pro Woche ein Test durch­ge­führt werden. «Sie sind jedoch dafür verant­wort­lich, die Struk­tu­ren in den Kinder­ta­ges­stät­ten und Schulen nun wirklich auch kurzfris­tig zu organi­sie­ren, um das Angebot der Testun­gen umset­zen zu können», mahnte er. Eisen­mann teilte mit, sie begrü­ße es, wenn sich Lucha «nun bewegt und mehr Schnell­tests zur Verfü­gung stellen möchte». Sie erwar­te aber von Lucha eine Gesamt­stra­te­gie, wie im Land bei Schulen, Kitas, Polizei, Einzel­han­del und bei alten und kranken Menschen zu Hause massen­haft getes­tet werden könne.