STUTTGART (dpa) — Vor einem Jahr ist die Ampel-Koali­ti­on angetre­ten, um Deutsch­land zu moder­ni­sie­ren. Dann brach der Krieg aus, das Dreier­bünd­nis musste die Krise managen. Einem Streit ging das Bündnis dabei oft nicht aus dem Weg. Das ist auch Baden-Württem­bergs Minis­ter­prä­si­dent Kretsch­mann aufgefallen.

Ein Jahr nach ihrem Amtsan­tritt muss die Ampel­ko­ali­ti­on aus Sicht von Baden-Württem­bergs Minis­ter­prä­si­dent Winfried Kretsch­mann vor allem an ihrer Streit­kul­tur arbei­ten. «Dass es in einer Koali­ti­on auch Strei­te­rei­en gibt, ist normal», sagte der Chef des grün-schwar­zen Bündnis­ses im Südwes­ten. «Die Ampel sollte sich nur abgewöh­nen, den Streit dauernd vor statt hinter den Kulis­sen zu führen. In einer Krise öffent­lich zu strei­ten, das kann niemand gut finden.»

Die Regie­rung aus SPD, Grünen und FDP hatte vor einem Jahr unter dem Motto «Mehr Fortschritt wagen» ihre Arbeit aufge­nom­men, Olaf Scholz hatte am 8. Dezem­ber 2021 seinen Amtseid als neuer Bundes­kanz­ler geleis­tet, am selben Tag war auch das Kabinett verei­digt worden. Seitdem hat die Dreier-Koali­ti­on unter anderem über die Laufzeit der Atomkraft­wer­ke, über die Gasum­la­ge, das 9‑Euro-Ticket und die Masken­pflicht gestrit­ten, nicht selten öffent­lich und über die sozia­len Medien.

Auch die zwischen­zeit­lich ins Holpern gerate­ne deutsch-franzö­si­sche Bezie­hung sollte aus Sicht Kretsch­manns wieder in die Spur gebracht und ausge­baut werden. «Ich erwar­te mir im nächs­ten Jahr eine engere und auch sicht­ba­re­re Koope­ra­ti­on mit Frank­reich», sagte der Minis­ter­prä­si­dent der Deutschen Presse-Agentur. «Wir müssen in Europa wieder eine sicht­ba­re Führungs­rol­le übernehmen.»

Bis in den Herbst hinein hatte es gewal­tig geknirscht in den deutsch-franzö­si­schen Bezie­hun­gen. Den bishe­ri­gen Höhepunkt im liefer­te der franzö­si­sche Staats­prä­si­dent Emmanu­el Macron, als er Deutsch­land beim EU-Gipfel im Oktober vor einer Isola­ti­on in Europa warnte. Auch eine gemein­sa­me Kabinetts­sit­zung beider Regie­run­gen war kurzfris­tig auf einen unbestimm­ten Zeitpunkt verscho­ben worden — ein sehr ungewöhn­li­cher Schritt bei so engen Partnern. Zuletzt waren beide Seiten um Bezie­hungs­pfle­ge bemüht.

Kretsch­mann stell­te der Koali­ti­on dennoch ein gutes Zeugnis aus. «Die Ampel ist weit besser als ihr Ruf», lobte er. «In der größten Heraus­for­de­rung der Nachkriegs­zeit, in der schwers­ten Krise, die wir jemals hatten, hat die Ampel beson­nen und zielfüh­rend agiert.» Es gehe nur um einzel­ne strit­ti­ge Themen oder Entschei­dun­gen wie zum Beispiel die Gasum­la­ge. «Darüber fallen dann alle her», vertei­dig­te Kretsch­mann die Koali­ti­on. «Aber das sind nur Ex-Post-Besserwisser.»