STUTTGART (dpa/lsw) — Ausge­rech­net Baden-Württem­berg mit seinem grünen Minis­ter­prä­si­den­ten ist beim Ausbau der Windkraft bislang nicht so recht aus den Start­blö­cken gekom­men. Das wird sich nun ändern, verspricht Regie­rungs­chef Kretsch­mann. Die Branche ist da skeptischer.

Zumin­dest ein bisschen steiler ist sie ja gewor­den, die «Kretsch­mann-Kurve» in der Windkraft. Angesichts der jüngs­ten Zahlen zum Ausbau der Windener­gie sieht sich der baden-württem­ber­gi­sche Minis­ter­prä­si­dent trotz einer bislang ernüch­tern­den Bilanz für die vergan­ge­nen Jahre weiter auf dem richti­gen Weg. «Wir sehen an den Zahlen aus dem ganzen Land: Der Wind hat sich gedreht. Die Trend­wen­de bei der Windkraft ist da», sagte Regie­rungs­chef Winfried Kretsch­mann am Montag bei einem Besuch des Windpark-Projekts Sulzbach-Laufen (Kreis Schwäbisch-Hall).

Nach den jüngs­ten Projekt­zah­len wurden rund 100 Anlagen geneh­migt, sind aktuell aber noch nicht am Netz. Weite­re 133 Anlagen befin­den sich im Geneh­mi­gungs­ver­fah­ren. Derzeit würden zudem 178 Windrä­der den Geneh­mi­gungs­be­hör­den vorge­stellt, sagte Kretsch­mann. «Das sind zusam­men über 400 Windkraft­an­la­gen, die aktuell in der Pipeline sind.»

Der Regie­rungs­chef äußer­te sich aber nicht dazu, bis wann sich diese Räder auch drehen werden. «Natür­lich werden davon nicht alle in den kommen­den beiden Jahren gebaut», sagte er. «Und natür­lich kann auch mal ein Vorha­ben wegfal­len. Aber das Gros wird grünen Strom in unser Netz einspei­sen. Und darauf kommt es an.»

Nach Angaben des Staats­mi­nis­te­ri­ums liegen zwischen Geneh­mi­gung und Bau einer Anlage im Schnitt zwei Jahre. Das geplan­te Rad in Sulzbach-Laufen wurde nach Angaben des Landes nur acht Monate nach der Antrag­stel­lung geneh­migt. Ab Sommer 2024 soll der Windpark mit insge­samt sieben Windrä­dern betrie­ben werden.

Es dürfte nach Ansicht der Branche aber noch ein weiter Weg werden, bis Baden-Württem­berg tatsäch­lich ein «Muster­länd­le» für erneu­er­ba­re Energien sei, wie es Kretsch­mann vor weit mehr als einem Jahrzehnt verspro­chen habe. Nach Einschät­zung der Branche wird zumin­dest in den kommen­den beiden Jahren wenig Bewegung zu sehen sein. «Man kann zwar einen neuen Schwung sehen bei den Projek­tie­rern», sagte Franz Pöter, der Geschäfts­füh­rer der Platt­form Erneu­er­ba­re Energien, der Dachor­ga­ni­sa­ti­on der Branchen­ver­bän­de und Organi­sa­tio­nen. «Gleich­wohl konnte es auch nicht viel schlech­ter werden als bislang.»

Die Zahlen zur Windkraft würden nur dann steigen, wenn die genann­ten Anträ­ge auch schnel­ler geneh­migt würden. Und bei 300 der 400 genann­ten Anlagen sei dies derzeit noch nicht der Fall. «Das heißt, sie gehen auch nicht vor 2025 an den Start», sagte Pöter der Deutschen Presse-Agentur.

Im vergan­ge­nen Herbst hatte Kretsch­mann das Ziel ausge­ge­ben, im Jahr 2024 mindes­tens 100 neue Windkraft­an­la­gen im Land zu errei­chen. Auch hier hat die Branche ihre Zweifel: «Wir gehen eher davon aus, dass es in den kommen­den zwei Jahren deutlich weniger Räder gebaut werden.» Und selbst die nun genann­ten reich­ten bei weitem nicht aus für eine erfolg­rei­che Energiewende.

Umwelt­mi­nis­te­rin Thekla Walker wirbt für das Konzept des Landes zum Aufbau: «Das Poten­zi­al für die kommen­den Jahre ist groß», sagte die Grüne, die den Minis­ter­prä­si­dent nach Sulzbach beglei­te­te. «Man erkennt, dass erneu­er­ba­re Energien ein zentra­ler Wirtschafts­zweig mit regio­na­ler Wertschöp­fung für unser Land werden können: ein starkes Rückgrat unserer Wirtschaft.» Bei den Projek­tie­rern herrsche eine Aufbruchs­stim­mung. «Diese Aufbruchs­stim­mung tragen wir nun auch in die Behör­den», versprach sie.

Die blanken Zahlen für das vergan­ge­ne Jahr stützen ihren Optimis­mus bislang nicht: Laut Bundes­netz­agen­tur wurden im Jahr 2022 in Baden-Württem­berg nur 41 Windkraft­an­la­gen geneh­migt. In Nieder­sach­sen waren es hinge­gen 196 neue Räder, in Nordrhein-Westfa­len 184. Im selben Zeitraum wurden im Südwes­ten auch nur 9 neue Windkraft­an­la­gen errich­tet, in NRW hinge­gen 68 und in Nieder­sach­sen 67.

Die Landes­re­gie­rung macht die geänder­ten Ausschrei­bungs­be­din­gun­gen für das vergleichs­wei­se dürfti­ge Abschnei­den verant­wort­lich. Die damali­ge Bundes­re­gie­rung habe 2017 einen Windkraft-Deckel und restrik­ti­ve Ausschrei­bungs­re­geln einge­führt. Das habe den Windkraft- Ausbau hart ausge­bremst, sagte Kretschmann.

Die politi­sche Opposi­ti­on lässt dennoch kein gutes Haar am grün-schwar­zen Ausbau: «Anders als die Milch­mäd­chen­rech­nung des Minis­ter­prä­si­den­ten sprechen die aktuel­len Geneh­mi­gungs­zah­len eine andere Sprache», sagte FDP-Frakti­ons­chef Hans-Ulrich Rülke. Im ersten Quartal 2023 sei nur ein einzel­nes Windrad geneh­migt worden. Für die SPD kriti­sier­te deren energie­po­li­ti­sche Sprecher Gernot Gruber: «Wenn neue Windrä­der bei uns so selten sind, dass jeder Neubau vom Minis­ter­prä­si­den­ten persön­lich begrüßt wird, spricht das Bände.» Die Landes­re­gie­rung mache einen «riesi­gen Spagat zwischen Wollen und Werden».