KIEW (dpa) — Die bislang folgen­schwers­te Notla­ge am von Russland besetz­ten AKW Saporischschja vergrö­ßert Sorgen vor einer nuklea­ren Katastro­phe. Kiew warnt vor weite­ren Krisen. Die News im Überblick.

Nach der zwischen­zeit­li­chen Abschal­tung des von Russland besetz­ten Atomkraft­werks Saporischschja hat der ukrai­ni­sche Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj vor weite­ren Notla­gen gewarnt. «Ich möchte betonen, dass die Situa­ti­on sehr riskant und gefähr­lich bleibt», sagte Selen­skyj in seiner nächt­li­chen Videoansprache.

Am Donners­tag waren die beiden zuletzt noch betrie­be­nen Reakto­ren an dem immer wieder beschos­se­nen AKW notfall­mä­ßig herun­ter­ge­fah­ren worden. Mittler­wei­le sind der Darstel­lung aus Kiew zufol­ge beide Blöcke wieder ans Strom­netz angeschlossen.

Zweiter Reaktor in Saporischschja wieder am Netz

Selen­skyj bekräf­tig­te seine Forde­rung nach einem baldi­gen Besuch inter­na­tio­na­ler Exper­ten sowie nach dem Rückzug der russi­schen Truppen von dem AKW-Gelän­de. «Jede Wieder­ho­lung (…) wird das Kraft­werk erneut an den Rand einer Katastro­phe bringen», sagte er mit Blick auf den Vorfall am Donnerstag.

Kurz zuvor hatte der staat­li­che Betrei­ber Enerhoatom mitge­teilt, dass auch der zweite Reaktor­block wieder am Netz sei. «Heute um 21.15 Uhr (20.15 Uhr MESZ) ist der zweite der gestern gestopp­ten Blöcke ans Strom­netz angeschlos­sen worden», heißt es in der Mittei­lung. Die Blöcke werden demnach jetzt wieder auf volle Leistung gebracht.

Grund für die zwischen­zeit­li­che Notab­schal­tung zweier Reakto­ren war nach Angaben beider Seiten eine beschä­dig­te Hochspan­nungs­lei­tung. Die Ukrai­ne nannte russi­schen Artil­le­rie­be­schuss als Ursache. Die Besat­zer sprachen von einem Brand als Auslö­ser eines Kurzschlus­ses. Was den Brand verur­sach­te, sagten sie nicht.

Mit insge­samt sechs Blöcken ist Saporischschja das größte Atomkraft­werk Europas. Im März wurde es von Russlands Truppen erobert. Seitdem werfen sich Moskau und Kiew immer wieder gegen­sei­tig Beschuss der Anlage vor. Inter­na­tio­nal wachsen die Sorgen vor einer Atomkatastrophe.

Ex-Kreml­chef Medwe­dew vertei­digt Krieg

Unter­des­sen hat der frühe­re russi­sche Präsi­dent Dmitri Medwe­dew dem franzö­si­schen Fernseh­sen­der LCI ein Inter­view gegeben und darin den Angriffs­krieg gegen die Ukrai­ne gerecht­fer­tigt. «Es wird sogar eine militä­ri­sche Spezi­al­ope­ra­ti­on durch­ge­führt, damit es nicht zum Dritten Weltkrieg kommt», sagte Medwe­dew in dem viertel­stün­di­gen Gespräch. Ungeach­tet der vielen zivilen Opfer nannte der jetzi­ge Vizechef des natio­na­len Sicher­heits­rats das Vorge­hen Russlands in der Ukrai­ne «maximal schonend und gemäßigt».

Beharr­lich stellt Russland den Krieg gegen die Ukrai­ne, den es Ende Febru­ar selbst begon­nen hat, als angeb­lich notwen­di­ge Maßnah­me zum Schutz der eigenen Bevöl­ke­rung dar. Medwe­dew, der immer wieder mit abfäl­li­gen Aussa­gen über das Nachbar­land auffällt, bekräf­tig­te Vorwür­fe gegen die Nato und westli­che Staaten, «einen sogenann­ten Stell­ver­tre­ter­krieg gegen die Russi­sche Födera­ti­on» zu führen. Russland habe derzeit nicht vor, Atomwaf­fen einzu­set­zen. Der 56-Jähri­ge gilt als Vertrau­ter von Kreml­chef Wladi­mir Putin. Er ist ein glühen­der Verfech­ter des Kriegs.

Baerbock kompro­miss­be­reit bei Einreisebeschränkungen

In der Debat­te über eine Beschrän­kung der Einrei­se russi­scher Touris­ten in die EU hat Bundes­au­ßen­mi­nis­te­rin Annale­na Baerbock Kompro­miss­be­reit­schaft signa­li­siert. Bundes­kanz­ler­amt und Auswär­ti­ges Amt seien sich einig über das Ziel, «dass wir gemein­sam in Europa eine Lösung finden, die die berech­tig­ten Sorgen und Anlie­gen von allen zuein­an­der bringt», sagte Baerbock auf einer gemein­sa­men Presse­kon­fe­renz mit ihrem dänischen Amtskol­le­gen Jeppe Kofod in Kopenhagen.

Die an Russland grenzen­den EU-Länder Estland, Litau­en und Lettland, aber auch Tsche­chi­en haben die Einrei­se von russi­schen Touris­ten bereits einge­schränkt. Finnland will im Septem­ber folgen. Auch andere Länder wie Polen sind für die Beschrän­kung der Visa-Verga­be. Bundes­kanz­ler Olaf Scholz hat sich bisher skeptisch geäußert.

Das wird heute wichtig

In der Südukrai­ne dürfte die Lage um das Atomkraft­werk Saporischschja weiter angespannt bleiben. Darüber hinaus berich­tet der ukrai­ni­sche General­stab von anhal­ten­den russi­schen Angrif­fen im östli­chen Gebiet Donezk.