KIEW/MOSKAU (dpa) — Berich­te aus Großbri­tan­ni­en und den USA deuten an, dass Russland das Kriegs­ma­te­ri­al ausgeht. Die Lage am AKW Saporischschja bleibt weiter gefähr­lich. Die News im Überblick.

Die Lage rund um das ukrai­ni­sche Atomkraft­werk Saporischschja sorgt weiter für große Unsicher­heit. Am Diens­tag kam es erneut zu Artil­le­rie­be­schuss an dem von russi­schen Truppen besetz­ten AKW und zu einem Strom­aus­fall in der nahe gelege­nen Stadt Enerhodar.

Dem Besat­zungs­ver­tre­ter Wladi­mir Rogow zufol­ge soll es sieben Einschlä­ge im Bereich des Kraft­werk-Trainings­zen­trums gegeben haben. Die Inter­na­tio­na­le Atomener­gie­be­hör­de (IAEA) wollte noch am Diens­tag Bericht erstat­ten, was ihre Erkun­dungs­mis­si­on nach Saporischschja in der vergan­ge­nen Woche erbracht hat.

Kiew geht davon aus, dass die russi­sche Armee in dem seit mehr als sechs Monate anhal­ten­den Krieg mehr als 50 000 Solda­ten verlo­ren hat. Nach briti­scher Ansicht erschwert ein Mangel an Aufklä­rungs­droh­nen den russi­schen Truppen zuneh­mend die Einsät­ze. Eine in Finnland ansäs­si­ge Forschungs­or­ga­ni­sa­ti­on teilte mit, dass Russland mit dem Export von Öl, Gas und Kohle an Deutsch­land und andere Länder weiter Milli­ar­den verdient.

Immer wieder Artil­le­rie­be­schuss am AKW Saporischschja

Russlands Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um warf der Ukrai­ne am Diens­tag vor, Saporischschja inner­halb der vergan­ge­nen 24 Stunden 15 Mal mit Artil­le­rie beschos­sen zu haben. Im Gegen­zug macht Kiew die russi­schen Truppen, die das AKW bereits seit Anfang März beset­zen, immer wieder für Angrif­fe auf das Gelän­de verant­wort­lich. Die Angaben beider Seiten lassen sich in der Regel nicht unabhän­gig überprüfen.

Der gehäuf­te Artil­le­rie­be­schuss erhöh­te zuletzt inter­na­tio­nal die Sorge vor einer Atomka­ta­stro­phe rund um das größte Kernkraft­werk Europas. Am Montag hatte der ukrai­ni­sche Betrei­ber Enerhoatom zunächst mitge­teilt, dass es beim sechs­ten und letzten noch betrie­be­nen Block eine Notab­schal­tung gegeben habe. Später jedoch übermit­tel­te Kiew an die IAEA die Infor­ma­ti­on, der Strom­be­darf des Kraft­werks werde nach einer erzwun­ge­nen Trennung vom ukrai­ni­schen Netz weiter von einem im Betrieb befind­li­chen Reaktor gedeckt.

Gehen Russland Drohnen und Muniti­on aus?

Der russi­sche Angriffs­krieg dauert inzwi­schen seit 195 Tagen an. In dieser Zeit seien 50 150 russi­sche Solda­ten getötet worden, teilte der ukrai­ni­sche General­stab am Diens­tag per Facebook mit. Zudem will die ukrai­ni­sche Armee 2077 Panzer, 4484 gepan­zer­te Fahrzeu­ge, 236 Flugzeu­ge und 207 Hubschrau­ber abgeschos­sen haben. Es gibt keine unabhän­gi­gen Bestä­ti­gun­gen für diese Angaben.

Das briti­sche Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um geht von etwa 25.000 getöte­ten russi­schen Solda­ten aus. Russland selbst hat seit langem keine Angaben mehr zu eigenen Gefal­le­nen gemacht. Auch die Ukrai­ne macht selten Angaben über eigene Verlus­te, zuletzt sprach Kiew von 9000 getöte­ten (Stand 22. August) und 7000 vermiss­ten (Stand Juli) ukrai­ni­schen Soldaten.

Das briti­sche Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um geht davon aus, dass Russland bei seiner takti­schen Lagebe­ur­tei­lung und seinen Einsät­zen zuneh­mend einge­schränkt wird, weil es dem russi­schen Militär an Aufklä­rungs­droh­nen mange­le. Das werde verschärft durch die mittels inter­na­tio­na­ler Sanktio­nen hervor­ge­ru­fe­ne Verknap­pung an Ersatz­tei­len, teilte das Minis­te­ri­um mit. In den vergan­ge­nen Tagen sei die Zahl der Drohnen­ein­sät­ze westlich des Flusses Dnipro zurück­ge­gan­gen. Auch mehre­re Abschüs­se seien gemel­det worden.

Die «New York Times» berich­te­te, dass Russland angesichts von Liefer­eng­päs­sen Millio­nen Geschos­se von Nordko­rea kaufen wolle. Die Zeitung berief sich auf US-Geheim­dienst­in­for­ma­tio­nen. Demnach geht es um Artil­le­rie-Muniti­on und Raketen mit kurzer Reichweite.

EU-Kommis­si­on prüft Möglich­kei­ten für Gaspreisdeckel

Die EU-Kommis­si­on prüft derzeit Maßnah­men, um den Gaspreis zu deckeln. Es geht dabei zum einen um die Möglich­keit, sich auf einen Höchst­be­zugs­preis für russi­sches Gas zu verstän­di­gen, wie aus einem inter­nen Papier hervor­geht, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Eine andere Option ist demnach, den Preis an europäi­schen Handels­plät­zen unter bestimm­ten Voraus­set­zun­gen zu deckeln. Vor allem mit der zweiten Option könnten als Notmaß­nah­me weite­re Preis­stei­ge­run­gen verhin­dert werden. Die erste könnte vor allem dazu führen, die Einnah­men Russlands durch Energie­ge­schäf­te zu begrenzen.

Nach einem deutli­chen Anstieg zu Wochen­be­ginn fiel der Preis für europäi­sches Erdgas wieder spürbar. Am frühen Nachmit­tag koste­te der Termin­kon­trakt TTF für nieder­län­di­sches Erdgas etwa 220 Euro je Megawatt­stun­de. Das waren rund zehn Prozent oder 25 Euro weniger als am Vortag. Der TTF-Kontrakt gilt als Richt­schnur für das europäi­sche Preis­ni­veau am Erdgasmarkt.
Türkei: Rund 2,5 Millio­nen Tonnen Getrei­de verschifft

Seit Wieder­auf­nah­me der Getrei­de­aus­fuhr aus der Ukrai­ne haben rund 100 Schif­fe mit 2,5 Millio­nen Tonnen Agrar­pro­duk­ten an Bord das Land verlas­sen. Das sagte der türki­sche Vertei­di­gungs­mi­nis­ter Hulusi Akar am Diens­tag der staat­li­chen Nachrich­ten­agen­tur Anado­lu zufolge.

Agrar­ex­por­te über die ukrai­ni­schen Schwarz­meer­hä­fen waren wegen des russi­schen Angriffs­kriegs monate­lang blockiert. Die Kriegs­geg­ner Ukrai­ne und Russland unter­zeich­ne­ten dann am 22. Juli unter UN-Vermitt­lung jeweils getrennt mit der Türkei ein Abkom­men, um von drei Häfen Getrei­de­aus­fuh­ren aus der Ukrai­ne zu ermög­li­chen. Die Ukrai­ne gehör­te vor Kriegs­be­ginn am 24. Febru­ar zu den größten Getrei­de­ex­por­teu­ren weltweit.

EU könnte Visaer­leich­te­rung für Russen ab Montag aufheben

Das zwischen der EU und Russland geschlos­se­ne Abkom­men zur Erleich­te­rung der Visa-Verga­be könnte bereits ab kommen­dem Montag ausge­setzt werden. Die EU-Kommis­si­on schlug den Schritt am Diens­tag offizi­ell in Brüssel vor, nachdem die EU-Staaten zuletzt eine Grund­satz­ei­ni­gung darüber erzielt hatten. Sie sei zuver­sicht­lich, dass der Rat der EU-Staaten den Vorschlag in dieser Woche formell anneh­men werde, sagte EU-Innen­kom­mis­sa­rin Ylva Johans­son. «Das bedeu­tet, dass wir am Montag­mor­gen eine neue gemein­sa­me Visare­ge­lung für Russland haben werden.»