KIEW (dpa) — Kurz nach Russlands Teilrück­zug kommt es in der Ostukrai­ne zu Explo­sio­nen und einem großflä­chi­gen Strom­aus­fall. Kiew wittert eine Rache Moskaus für die jüngs­te Nieder­la­ge. Die Ereig­nis­se im Überblick.

Nach dem Teilrück­zug der eigenen Truppen hat Russland ukrai­ni­schen Angaben zufol­ge die kriti­sche Infra­struk­tur des Nachbar­lan­des beschos­sen. Die ostukrai­ni­schen Regio­nen Charkiw und Donezk seien komplett ohne Strom, teilte der ukrai­ni­sche Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj auf Twitter mit. Meldun­gen über Proble­me bei der Strom- sowie der Wasser­ver­sor­gung gab es auch aus anderen Gebie­ten des Landes.

Der ukrai­ni­sche General­stab berich­te­te unter­des­sen, russi­sche Truppen flüch­te­ten nicht nur aus Charkiw, sondern teils auch aus dem südli­chen Gebiet Cherson. In Deutsch­land werden Stimmen nach weite­ren Militär­hil­fen für das angegrif­fe­ne Land laut, damit dieses sich auch weite­re besetz­te Gebie­te zurück­ho­len kann.

Großflä­chi­ger Strom­aus­fall in ukrai­ni­schen Regionen

«Russi­sche Terro­ris­ten bleiben Terro­ris­ten», schrieb Selen­skyj. Sein Berater Mycha­j­lo Podol­jak teilte mit, in Charkiw sei eines der größten Wärme­kraft­wer­ke des Landes getrof­fen worden. Zwischen­zeit­lich gab es am Abend in der gesam­ten Ukrai­ne Luftalarm. Einige Anwoh­ner berich­te­ten in sozia­len Netzwer­ken von Explo­si­ons­ge­räu­schen. Später teilten zumin­dest die Behör­den in den Gebie­ten Sumy, Dnipro­pe­trowsk und Polta­wa mit, dass dort die Strom­ver­sor­gung wieder herge­stellt worden sei.

Ukrai­ne: Russen fliehen aus Teilen von Cherson

Nach ihrer Nieder­la­ge in Charkiw ziehen sich russi­sche Truppen Angaben aus Kiew zufol­ge auch aus Teilen des südli­chen Gebiets Cherson zurück. In einigen Orten hätten die Besat­zer dort bereits ihre Positio­nen verlas­sen, teilte der ukrai­ni­sche General­stab mit. Unabhän­gig überprüft werden konnten diese Angaben nicht.

Unter dem Druck ukrai­ni­scher Gegen­of­fen­si­ven hatte Russlands Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um am Wochen­en­de mehr als ein halbes Jahr nach Kriegs­be­ginn den Abzug eigener Truppen aus der Region Charkiw bekannt­ge­ge­ben. Offizi­ell begrün­det wurde der Rückzug mit einer strate­gi­schen «Umgrup­pie­rung» der Einheiten.

200 Tage Krieg: Selen­skyj dankt Ukrainern

Angesichts des 200. Kriegs­ta­ges bedank­te sich Selen­skyj bei seinen Lands­leu­ten für die Vertei­di­gung der Heimat. «In diesen 200 Tagen haben wir viel erreicht, aber das Wichtigs­te und damit das Schwie­rigs­te liegt noch vor uns», sagte Selen­skyj in seiner Video­an­spra­che in der Nacht. Er bedank­te sich unter anderem bei den ukrai­ni­schen Boden­trup­pen, der Luftwaf­fe, den Seestreit­kräf­ten — und bei allen, die in diesen Tagen «die Geschich­te der Unabhän­gig­keit, die Geschich­te des Sieges, die Geschich­te der Ukrai­ne» schrieben.

Ampel will mehr Unter­stüt­zung für ukrai­ni­schen Vormarsch

Angesichts der jüngs­ten Erfol­ge Kiews forder­ten führen­de Politi­ker der Ampel-Partei­en im Bundes­tag mehr Unter­stüt­zung für die ukrai­ni­sche Militär­of­fen­si­ve. «Deutsch­land muss umgehend seinen Teil zu den Erfol­gen der Ukrai­ne beitra­gen und geschütz­te Fahrzeu­ge, den Schüt­zen­pan­zer Marder und den Kampf­pan­zer Leopard 2 liefern», sagte die Vorsit­zen­de des Vertei­di­gungs­aus­schus­ses, Marie-Agnes Strack-Zimmer­mann, der Deutschen Presse-Agentur. SPD-Chef Lars Kling­beil verschloss sich dem zumin­dest nicht und beton­te die Notwen­dig­keit inter­na­tio­na­ler Abstimmung.

Putin und Macron sprechen zu AKW Saporischschja

Unter­des­sen telefo­nier­te Frank­reichs Präsi­dent Emmanu­el Macron mit Kreml­chef Wladi­mir Putin, um über die weiter kriti­sche Lage am von Russland besetz­ten ukrai­ni­schen Atomkraft­werk Saporischschja zu reden. Putin habe ein inter­na­tio­na­les Einwir­ken auf die Ukrai­ne gefor­dert, damit diese ihre Angrif­fe auf die Anlage einstel­le, hieß es in einer Kreml-Mittei­lung. Macron wieder­um habe betont, dass die russi­sche Beset­zung der Grund für die gefähr­li­che Lage am AKW sei, teilte der Èlysé­e­pa­last mit. Er forder­te den Abzug der russi­schen Truppen. Die Ukrai­ne hat Russland zuletzt immer wieder vorge­wor­fen, die Anlage selbst zu beschießen.

Am Sonntag war zudem bekannt gewor­den, dass das größte Atomkraft­werk Europas vollstän­dig herun­ter­ge­fah­ren werden musste. Laut der ukrai­ni­schen Atombe­hör­de Enerhoatom waren aufgrund von Beschuss zwischen­zeit­lich alle Verbin­dungs­li­ni­en zum Strom­netz unter­bro­chen. Auch die russi­sche Seite bestä­tig­te die Abschal­tung des Kraft­werks, auf dessen Gelän­de sich zur Beobach­tung der Lage weiter auch zwei Mitar­bei­ter der IAEA aufhalten.

Das wird am Montag wichtig

Russi­sche Bürger profi­tie­ren von diesem Montag an nicht mehr von einer erleich­ter­ten Visa-Verga­be für Reisen nach Deutsch­land und in andere Staaten des Schen­gen-Raums. Das zwischen der EU und Russland geschlos­se­ne Abkom­men zur Erleich­te­rung der Visa-Verga­be ist nach einem Beschluss der EU-Staaten von vergan­ge­ner Woche für russi­sche Staats­bür­ger nun komplett ausgesetzt.