KIEW (dpa) — Die Ukrai­ner erobern im Osten ihr Land zurück. Für Moskau scheint dies Anlass zu sein, den Anschluss besetz­ter Gebie­te an Russland voran­zu­trei­ben. Die News im Überblick.

Die Ukrai­ne trägt ihre Klage über den russi­schen Angriffs­krieg auf die höchs­te Bühne der Weltöf­fent­lich­keit, vor die General­ver­samm­lung der Verein­ten Natio­nen. Es sei ein wichti­ger Tag und er berei­te seinen späte­ren Redebei­trag per Video­schal­te vor, sagte Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj über den Beginn der UN-General­de­bat­te in New York am Diens­tag. «Es wird wichti­ge Signa­le von unserem Staat geben», kündig­te er in einer von Kiew aus verbrei­te­ten Anspra­che an.

Der ukrai­ni­sche Staats­chef soll am Mittwoch sprechen — und zwar ausnahms­wei­se per Video­schal­te statt am Pult der General­ver­samm­lung. Russland hatte versucht, eine Rede Selen­sky­js nur für den abseh­bar unwahr­schein­li­chen Fall zuzulas­sen, dass er persön­lich nach New York gekom­men wäre. Diese Bedin­gung verwar­fen die Mitglieds­staa­ten mit Mehrheit, so dass der ukrai­ni­sche Staats­chef nun zugeschal­tet wird.

Selen­skyj beriet auch mit seiner Militär­füh­rung über die ukrai­ni­sche Gegen­of­fen­si­ve, die seit Anfang Septem­ber läuft. In den von Moskau kontrol­lier­ten Separa­tis­ten­ge­bie­ten Luhansk und Donezk lief eine Kampa­gne über einen schnel­len Beitritt zu Russland an. Am Diens­tag ist der 209. Tag seit Beginn der russi­schen Invasion.

Selen­skyj mit seinen Militärs: Schnel­les Handeln notwendig

Nach der Beratung mit seinen Militärs sagte Selen­skyj, die ukrai­ni­schen Kräfte hätten die Lage in den befrei­ten Gebie­ten bei Charkiw im Osten fest im Griff. Er dankte einzel­nen Briga­den der Armee, aber auch dem Geheim­dienst SBU, dessen Führung er im Juli ausge­tauscht hatte. Mittler­wei­le trage der SBU Sorge dafür, «dass die Besat­zer sich nirgends auf ukrai­ni­schem Boden halten können».

Zugleich mahnte der Staats­chef schnel­les Handeln an: Tempo sei wichtig bei der Stabi­li­sie­rung der befrei­ten Regio­nen, bei der Norma­li­sie­rung des Lebens dort und beim Vorrü­cken der Truppen. Die Unter­stüt­zung aus dem Ausland müsse ebenfalls mit diesem Tempo mithal­ten, forder­te er.

Der ukrai­ni­sche General­stab teilte mit, russi­sche Truppen hätten am Montag zivile Objek­te in 24 Orten beschos­sen. Genannt wurden unter anderem die Städte Krama­torsk, Awijiw­ka, Saporischschja und Mykola­jiw. Die Führung der von Russland gelenk­ten Separa­tis­ten in Donezk berich­te­te von einem Angriff ukrai­ni­scher Artil­le­rie, durch den 13 Menschen getötet worden seien. Die Angaben ließen sich nicht unabhän­gig überprüfen.

London: Russland zieht U‑Boote von Krim ab

Wegen der Gefahr ukrai­ni­scher Angrif­fe hat Russland nach Einschät­zung der briti­schen Geheim­diens­te seine U‑Boote der Kilo-Klasse von der annek­tier­ten ukrai­ni­schen Schwarz­meer­halb­in­sel Krim abgezo­gen. Die Schif­fe der Schwarz­meer­flot­te seien aus ihrem Heimat­ha­fen Sewas­to­pol in die südrus­si­sche Hafen­stadt Noworos­s­ijsk verlegt worden, teilte das Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um in London am Diens­tag mit. Die Kilo-Klasse sind konven­tio­nell betrie­be­ne U‑Boote vor allem aus den 80er Jahren. Die russi­sche Schwarz­meer­flot­te ist tradi­tio­nell auf der Krim stationiert.

Grund der Verle­gung sei höchst­wahr­schein­lich, dass die ukrai­ni­sche Fähig­keit zu Angrif­fen über weite­re Distanz zugenom­men habe und sich deshalb die Sicher­heits­la­ge auf der Krim verän­dert habe, hieß es in London. «In den vergan­ge­nen zwei Monaten wurden das Flotten­haupt­quar­tier und dessen Haupt­flug­platz angegriffen.»

Separa­tis­ten wollen raschen Beitritt zu Russland

Angesichts des Vormarschs ukrai­ni­scher Truppen im Osten treiben Moskaus Statt­hal­ter in den Separa­tis­ten­ge­bie­ten Luhansk und Donezk eine Kampa­gne für einen schnel­len Beitritt zu Russland voran. In der Volks­re­pu­blik Luhansk appel­lier­te eine sogenann­te Bürger­kam­mer an die örtli­che Führung, bald eine Volks­ab­stim­mung über den Anschluss abzuhal­ten. Wenig später folgte in der Volks­re­pu­blik Donezk die Bürger­kam­mer mit der gleichen Bitte, wie die russi­sche Nachrich­ten­agen­tur Tass melde­te. Auch im Gebiet Cherson forde­re die Bevöl­ke­rung ein Referen­dum, sagte der von Russland einge­setz­te Verwal­tungs­chef Kirill Stremoussow.

Vorbe­rei­tun­gen auf solche Volks­ab­stim­mun­gen laufen sowohl in den Separa­tis­ten-Republi­ken wie auch in den neu von Russland erober­ten Gebie­ten seit länge­rem. In Cherson waren sie wegen der ukrai­ni­schen Vorstö­ße zunächst auf 4. Novem­ber verscho­ben worden.

Die Volks­re­pu­bli­ken Donezk und Luhansk werden seit 2014 aus Moskau sehr klein­tei­lig gesteu­ert. Doch wenn dort auf einen Anschluss an Russland gedrun­gen wurde, reagier­te Moskau zurück­hal­tend. Diesmal kam aus dem russi­schen Parla­ment Unter­stüt­zung für den Beitritts­wunsch. «Das soll rasch gesche­hen, das ist der Wille der Menschen», sagte der Abgeord­ne­te Viktor Wodolaz­ki von der Kreml-Partei Geein­tes Russland. Die Volks­ab­stim­mun­gen sollten noch vor dem Spätherbst stattfinden.

Der ukrai­ni­sche Verwal­tungs­chef für Luhansk, Serhij Hajdaj, äußer­te die Vermu­tung, dass ein Anschluss der Gebie­te Moskau den Anlass für eine allge­mei­ne Mobil­ma­chung liefern soll. Präsi­den­ten­be­ra­ter Mycha­j­lo Podol­jak schrieb auf Twitter, mögli­che Referen­den änder­ten nichts daran, dass Donezk, Luhansk und die seit Jahren von Russland annek­tier­te Halbin­sel Krim nach inter­na­tio­na­lem Recht zur Ukrai­ne gehörten.

Deutsch­land schickt weite­re Haubitzen

Die Ukrai­ne soll für ihren Abwehr­kampf von der Bundes­wehr vier weite­re Panzer­hau­bit­zen erhal­ten. Die Liefe­rung werde unver­züg­lich in die Wege gelei­tet, teilte das Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um am Montag in Berlin mit. Bei den Panzer­hau­bit­zen 2000 handelt es sich um schwe­re Artil­le­rie­ge­schüt­ze mit einer Reich­wei­te bis zu 40 Kilome­ter. Die Liefe­rung soll auch ein Muniti­ons­pa­ket beinhal­ten. Die Zahl der von Deutsch­land gelie­fer­ten Artil­le­rie­ge­schüt­ze stiege damit auf 14.

Der ukrai­ni­sche Vertei­di­gungs­mi­nis­ter Olexij Resni­kow dankte für die Haubit­zen ebenso wie für weite­re Mehrfach­ra­ke­ten­wer­fer vom Typ Mars II und Dingo-Mannschafts­trans­por­ter. Deren Liefe­rung hatte Berlin vergan­ge­ne Woche zugesagt. Die Ukrai­ne fordert von westli­chen Staaten wie Deutsch­land auch Kampf- und Schüt­zen­pan­zer. Dagegen sperrt sich die Bundes­re­gie­rung aber bislang.

Applaus und Kritik für Alla Pugatschowa

Nach ihrer Kritik an Russlands Angriffs­krieg gab es nicht nur Beifall für die russi­sche Popsän­ge­rin Alla Pugat­scho­wa, sie geriet in ihrer Heimat auch unter Druck. «Diese Dichter­lin­ge, Harle­ki­ne und Gaukler brauchen bloß eine Möglich­keit zu singen und zu tanzen, zu feixen und vulgär klugzu­schei­ßen», schimpf­te der Leiter der Menschen­rechts­kom­mis­si­on beim russi­schen Präsi­den­ten, Waleri Fadejew. Der kreml­na­he russi­sche Rapsän­ger Timati zog über den angeb­lich fehlen­den Patrio­tis­mus Pugat­scho­was her, die in Russland als Super­star gilt. Der Kreml selbst kommen­tier­te ihre Äußerung nicht.

Pugat­scho­wa (73) hatte beklagt, russi­sche Solda­ten würden für «illuso­ri­sche Ziele» sterben. Russland sei durch den Krieg inter­na­tio­nal geäch­tet. Julia Nawal­na­ja, Ehefrau des Kreml­kri­ti­kers Alexej Nawal­ny, teilte die kriti­schen Worte bei Insta­gram. Auch andere Showgrö­ßen beschei­nig­ten der Sänge­rin bewun­derns­wer­te Coura­ge und Ehrlich­keit. Der deutsche Rockstar Udo Linden­berg (76) solida­ri­sier­te sich mit seiner «langjäh­ri­gen Freun­din und Kollegin».

Das wird am Diens­tag wichtig

Russlands Präsi­dent Wladi­mir Putin fliegt in diesem Jahr nicht nach New York zur UN-General­de­bat­te, wo sein ukrai­ni­scher Gegen­part Selen­skyj per Video­schal­te zur Vollver­samm­lung sprechen wird. Statt­des­sen wird Putin am Diens­tag neue auslän­di­sche Botschaf­ter in Moskau begrü­ßen. Üblicher­wei­se nutzt er solche Termi­ne im Kreml für Kommen­ta­re zur inter­na­tio­na­len Lage.