KIEW (dpa) — Seit der Mobil­ma­chung reißen die Protes­te in Russland nicht ab. Gerade ethni­sche Minder­hei­ten leisten Wider­stand. An sie richtet der ukrai­ni­sche Präsi­dent Selen­skyj einen Appell. Die News im Überblick.

Die von Kreml­chef Wladi­mir Putin in Russland angeord­ne­te Teilmo­bil­ma­chung trifft laut dem ukrai­ni­schen Präsi­den­ten Wolodym­yr Selen­skyj ethni­sche Minder­hei­ten beson­ders hart. «Wir sehen, dass Menschen, beson­ders in Dagestan, angefan­gen haben, um ihr Leben zu kämpfen», sagte Selen­skyj in seiner Video­an­spra­che in der Nacht zum Montag. Er bezog sich dabei auf hefti­ge Protes­te, die Stunden zuvor in der musli­misch gepräg­ten russi­schen Teilre­pu­blik Dagestan im Kauka­sus ausge­bro­chen waren.

Bei einem Protest gegen die Mobil­ma­chung von Reser­vis­ten waren Polizis­ten dort nach Angaben von Bürger­recht­lern sogar mit Warnschüs­sen gegen Demons­tran­ten vorge­gan­gen. Russland­weit wurden am Wochen­en­de bei Anti-Kriegs-Protes­ten in über 30 russi­schen Städten mehr als 780 Menschen festge­nom­men, wie die unabhän­gi­ge Organi­sa­ti­on OVD-Info berichtete.

Angesichts jüngs­ter Nieder­la­gen seiner Armee hatte Kreml­chef Putin am vergan­ge­nen Mittwoch angeord­net, nun auch Reser­vis­ten zum Kampf in der Ukrai­ne zu verpflich­ten. Seitdem herrscht bei vielen Russen große Panik. Der russi­sche Angriffs­krieg dauert bereits seit mehr als sieben Monaten an.

Bürger­recht­ler: Warnschüs­se bei Anti-Kriegs-Protest in Russland

Im Dorf Endirej in Dagestan blockier­ten Anwoh­ner eine Straße, um so die von Putin angeord­ne­te Teilmo­bi­li­sie­rung zu behin­dern, wie die Bürger­recht­ler mitteil­ten. Auf Videos ist zu sehen, wie Polizis­ten Geweh­re in die Luft richten, dann sind Schüs­se zu hören. Laut dagesta­ni­schen Medien war der Protest eine Reakti­on darauf, dass aus dem Dorf 110 Männer in den Krieg gegen die Ukrai­ne gezwun­gen wurden. Auch in Dagestans Haupt­stadt Machatschka­la gab es größe­re Proteste.

Dagestan gehört zu den Regio­nen Russlands, aus denen Beobach­tern zufol­ge beson­ders viele Männer einge­zo­gen werden. Aktivis­ten bekla­gen, dass Angehö­ri­ge ethni­scher Minder­hei­ten beson­ders stark von der Mobil­ma­chung betrof­fen sind und sprechen deshalb teils sogar von «ethni­schen Säube­run­gen». Auch in den Regio­nen Jakuti­en und Burja­ti­en in Sibiri­en sind die Anti-Mobili­sie­rungs-Protes­te beson­ders groß.

Russi­sche Schein­re­fe­ren­den gehen trotz ukrai­ni­schem Beschuss weiter

In den von Moskau besetz­ten Gebie­ten im Osten und Süden der Ukrai­ne ziehen die Besat­zer die Schein­re­fe­ren­den über einen Beitritt der Regio­nen zu Russland trotz Beschuss weiter durch. Nach Angaben der Besat­zungs­be­hör­den starben etwa im Gebiet Cherson zwei Menschen in einem Hotel bei einem ukrai­ni­schen Raketenangriff.

Die inter­na­tio­nal als Bruch des Völker­rechts kriti­sier­ten Abstim­mun­gen sind auch in den Gebie­ten Saporischschja, Donezk und Luhansk noch bis Diens­tag angesetzt. Putin hatte betont, dass Moskau Attacken der Ukrai­ne auf die Gebie­te dann künftig wie Angrif­fe auf sein eigenes Staats­ge­biet behan­deln und sich mit allen Mitteln vertei­di­gen werde. Der Westen berei­tet neue Sanktio­nen vor als Reakti­on auf die Annexion.

Selen­skyj: Putin blufft nicht mit Atomdrohungen

In einem Inter­view des US-Senders CBS News machte Selen­skyj unter­des­sen deutlich, dass er Putins Atomdro­hun­gen ernst nehme. «Vielleicht war es gestern ein Bluff. Jetzt könnte es Reali­tät sein», sagte Selen­skyj laut Überset­zung. Er verwies auf die Gefech­te um das von Russland besetz­te ukrai­ni­sche Atomkraft­werk Saporischschja und sagte: «Er (Putin) will die ganze Welt erschre­cken. Dies sind die ersten Schrit­te seiner nuklea­ren Erpres­sung. Ich glaube nicht, dass er blufft.»

Putin hatte am Mittwoch in seiner Rede zur Bekannt­ga­be der Teilmo­bil­ma­chung gesagt: «Wenn die terri­to­ria­le Integri­tät unseres Landes bedroht wird, werden wir zum Schutz Russlands und unseres Volkes unbedingt alle zur Verfü­gung stehen­den Mittel nutzen. Das ist kein Bluff.» Beobach­ter sahen darin eine Drohung mit dem Einsatz von Atomwaffen.

Berlin will keine EU-Bürger mehr an Spitze russi­scher Staatskonzerne

EU-Bürger sollen nach dem Willen der Bundes­re­gie­rung keine Spitzen­pos­ten in russi­schen Staats­kon­zer­nen mehr beklei­den dürfen. Das geht aus einem Vorschlag aus Berlin für neue Sanktio­nen gegen Russland hervor, der der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel vorliegt. Hinter­grund dürfte vor allem der Fall von Ex-Kanzler Gerhard Schrö­der sein, der jahre­lang Aufsichts­rats­chef des russi­schen Ölkon­zerns Rosneft war. Zunächst hatte die «Süddeut­sche Zeitung» berichtet.

Was heute wichtig wird

Der Umgang mit russi­schen Kriegs­dienst­ver­wei­gern soll heute auf EU-Ebene koordi­niert werden. 27 EU-Botschaf­ter sollen unter dem sogenann­ten Krisen­re­ak­ti­ons­me­cha­nis­mus zu einer Sitzung zusammenkommen.

In den von Russland besetz­ten Gebie­ten in der Ukrai­ne gehen außer­dem die Schein­re­fe­ren­den über einen Beitritt zu Russland weiter. Die Ukrai­ne und der Westen sehen in den noch bis Diens­tag angesetz­ten Zwangs­ab­stim­mun­gen einen Völker­rechts­bruch. Es wird erwar­tet, dass die Gebie­te annek­tiert und womög­lich schon am Freitag von Putin zu russi­schem Staats­ge­biet erklärt werden.