KIEW (dpa) — Zum ersten Mal seit Kriegs­be­ginn gibt es Explo­sio­nen in Lwiw in der Westukrai­ne. Die Nato erwar­tet eine weite­re Verschär­fung der humani­tä­ren Notla­ge. Selen­skyj droht Unter­stüt­zern Russlands mit dem Tod. Die Entwick­lung im Überblick.

Der russi­sche Krieg in der Ukrai­ne hat erstmals die westukrai­ni­sche Metro­po­le Lwiw erreicht, in der sich viele Flücht­lin­ge sammeln.

Nach Angaben der regio­na­len Militär­ver­wal­tung schlu­gen acht Raketen nordwest­lich von Lwiw im «Zentrum für Inter­na­tio­na­le Friedens­si­che­rung und Sicher­heit» ein. Dort befin­den sich ein Militär­aus­bil­dungs­zen­trum und ein Truppen­übungs­platz. Laut ukrai­ni­schem Fernse­hen gab es keine Todes­op­fer. Ein Repor­ter der Deutschen Presse-Agentur berich­te­te am Sonntag­mor­gen von mehre­ren Detonationen.

Die Explo­sio­nen waren auch in Polen zu hören, wie eine Repor­te­rin der Deutschen Presse-Agentur aus Przemysl berichtete.

Ukrai­ne: Russi­sche Einhei­ten versu­chen weiter Sturm Mariupols

Russi­sche Einhei­ten versu­chen nach ukrai­ni­schen Angaben weiter eine Erstür­mung der Stadt Mariu­pol. Prorus­si­sche Separa­tis­ten stießen dort mit Unter­stüt­zung russi­scher Truppen in östli­che Randbe­zir­ke vor, wie die ukrai­ni­schen Streit­kräf­te mitteil­ten. Eine russi­sche Offen­si­ve stehe zudem der Stadt Sjewjer­odo­nezk mit 100.000 Einwoh­nern im Gebiet Luhansk bevor. Im Süden des Landes bauten russi­sche Truppen Kräfte an der Indus­trie­groß­stadt Krywyj Rih mit über 600.000 Einwoh­nern auf.

Evaku­ie­rung in Mariu­pol erneut gescheitert

In der von der russi­schen Armee belager­ten Hafen­stadt Mariu­pol im Südos­ten der Ukrai­ne schei­ter­te ein weite­rer Anlauf zur Evaku­ie­rung von Zivilis­ten. 50 Busse hätten wegen Beschus­ses nicht abfah­ren können, teilte das russi­sche Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um mit. Die ukrai­ni­sche Vize-Regie­rungs­chefin Iryna Werescht­schuk sagte, die Kolon­ne sei fünf Stunden an einem Kontroll­punkt festge­hal­ten worden sei. Heute solle es einen weite­ren Versuch geben. Anders­wo hätten die Flucht­kor­ri­do­re funktio­niert, sagte der ukrai­ni­sche Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj. Insge­samt hätten an dem Tag 12.729 Menschen belager­te und umkämpf­te Städte verlas­sen können, der Großteil davon aus der Stadt Sumy im Nordosten.

Nato-Chef: Nächs­te Tage werden größe­re Not bringen

Die Nato erwar­tet eine weite­re Verschär­fung der Kämpfe und der humani­tä­ren Notla­ge. «Wir sehen mit Schre­cken die steigen­den Zahlen ziviler Opfer und die sinnlo­se Zerstö­rung durch die russi­schen Kräfte», sagte der General­se­kre­tär der Militär­al­li­anz, Jens Stolten­berg, der Zeitung «Welt am Sonntag». Die Menschen in der Ukrai­ne wider­setz­ten sich der Invasi­on mit Mut und Entschie­den­heit, «aber die kommen­den Tage werden wahrschein­lich noch größe­re Not bringen», warnte er.

Stolten­berg lehnte erneut Forde­run­gen ab, die Nato solle eine Flugver­bots­zo­ne über der Ukrai­ne durch­set­zen. Das würde bedeu­ten, dass russi­sche Kräfte angegrif­fen werden müssten. «Und damit würde man eine direk­te Konfron­ta­ti­on und eine unkon­trol­lier­ba­re Eskala­ti­on riskie­ren. Wir müssen diesen Krieg beenden und ihn nicht noch auswei­ten.» Die Nato sei eine defen­si­ve Allianz. «Wir suchen keinen Konflikt mit Russland.»

Selen­skyj droht Kolla­bo­ra­teu­ren Russlands

Selen­skyj droht mögli­chen Kolla­bo­ra­teu­ren Russlands in der Ukrai­ne. Wer sich von Angebo­ten der russi­schen Besat­zer in Versu­chung geführt sehe, unter­schrei­be damit sein eigenes Urteil, sagte er in einer in der Nacht veröf­fent­lich­ten Video­bot­schaft. «Das Urteil lautet, mehr als 12.000 Besat­zern zu folgen, die nicht recht­zei­tig verste­hen konnten, warum die Ukrai­ne nicht angegrif­fen werden sollte.» Zuletzt hieß es von ukrai­ni­scher Seite, dass mehr als 12.000 russi­sche Solda­ten in dem Krieg in der Ukrai­ne getötet worden seien.

Selen­skyj sieht Verän­de­run­gen bei russi­scher Position

Nach dem hartnä­cki­gen militä­ri­schen Wider­stand der Ukrai­ner sieht Selen­skyj erste Verän­de­run­gen der Positi­on Russlands. «Jetzt haben sie begon­nen, über etwas zu reden — und nicht einfach Ultima­ten zu stellen», sagte er vor inter­na­tio­na­len Journa­lis­ten in Kiew. Der 44-Jähri­ge ist nach eigenen Worten zufrie­den damit, da es das erste Mal seit über zwei Jahren sei, dass Moskau zu einem Dialog bereit sei.

Bericht: Himmel­fahrts­klos­ter in Ostukrai­ne beschädigt

Bei Gefech­ten in der ostukrai­ni­schen Stadt Swjato­hirsk in der Region Donezk wurde nach ukrai­ni­schen Berich­ten das Himmel­fahrts­klos­ter beschä­digt. Am späten Abend sei eine Flieger­bom­be rund 50 Meter vom Eingang des Klosters entfernt detoniert, berich­te­te die Inter­net-Zeitung «Ukrajins­ka Prawda». Durch die Druck­wel­le seien Fenster und kirch­li­che Einrich­tun­gen in unter­schied­li­chem Ausmaß zerstört worden.

Das wird am Sonntag wichtig

In der Hafen­stadt Mariu­pol soll es einen neuen Versuch geben, Zivilis­ten zu evaku­ie­ren. In Berlin und anderen deutschen Großstäd­ten wollen heute erneut Zigtau­sen­de Menschen gegen den Krieg Russlands in der Ukrai­ne protes­tie­ren. In der Haupt­stadt melde­te das Veran­stal­ter-Bündnis aus Gewerk­schaf­ten, Kirchen, Friedens­grup­pen und Umwelt­schutz­in­itia­ti­ven 100.000 Teilneh­mer an.