KIEW (dpa) — Nach dem Raketen­ein­schlag in Polen dauern die Ermitt­lun­gen an. Mittler­wei­le wird davon ausge­gan­gen, dass es sich um ein ukrai­ni­sches Abwehr­ge­schoss handel­te. Präsi­dent Selen­skyj hat seine Zweifel.

Nach dem Raketen­ein­schlag auf polni­schem Staats­ge­biet hat der ukrai­ni­sche Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj angezwei­felt, dass es sich um ein Geschoss seiner Streit­kräf­te gehan­delt haben soll. «Ich denke, dass es eine russi­sche Rakete war — gemäß dem Vertrau­en, das ich zu den Berich­ten der Militärs habe», sagte Selen­skyj am Mittwoch. Den ukrai­ni­schen Daten zufol­ge passe von insge­samt 25 russi­schen Raketen­schlä­gen auf die Westukrai­ne eine zeitlich mit dem Einschlag in Polen zusammen.

Aktuell wird im Westen aller­dings davon ausge­gan­gen, dass es eine ukrai­ni­sche Flugab­wehr­ra­ke­te war, die zur Vertei­di­gung gegen Angrif­fe des russi­schen Militärs einge­setzt wurde. Unmit­tel­bar nach der Explo­si­on in dem Nato-Land, bei der zwei Menschen starben, war am Diens­tag­abend in Medien zunächst auch von einer mögli­cher­wei­se russi­schen Rakete die Rede gewesen.

Unabhän­gig davon, aus wessen Arsenal die Rakete stamm­ten, sind sich inter­na­tio­nal viele Beobach­ter einig, dass Russland mit seinem Angriffs­krieg gegen die Ukrai­ne auch für den Einschlag in Polen letzt­end­lich die Verant­wor­tung trägt.

Selen­skyj fordert Einbe­zie­hung der Ukrai­ne bei Untersuchungen

Selen­skyj forder­te die Einbe­zie­hung ukrai­ni­scher Spezia­lis­ten bei den Unter­su­chun­gen zur Aufklä­rung des Vorfalls. «Alle unsere Infor­ma­tio­nen stehen zur vollen Verfü­gung. Wir haben sie an unsere Partner gegeben seit der Nacht, seit den ersten Stunden, als die Welt begann heraus­zu­fin­den, was passiert ist», sagte Selen­skyj in seiner tägli­chen Video­an­spra­che. Zugleich bräuch­ten ukrai­ni­sche Exper­ten Zugang zu den Infor­ma­tio­nen, die vor Ort gesam­melt worden seien.

USA: Letzt­lich Russland verantwortlich

Die US-Regie­rung sieht die Verant­wor­tung für den tödli­chen Raketen­ein­schlag in Polen letzt­lich bei Russland — auch falls sich bestä­ti­gen sollte, dass die Explo­si­on durch eine ukrai­ni­sche Luftab­wehr­ra­ke­te verur­sacht wurde. «Die Welt weiß, dass Russland die letzte Verant­wor­tung für diesen Vorfall trägt», sagte US-Vertei­di­gungs­mi­nis­ter Lloyd Austin in Washington.

«Die Ukrai­ne hatte — und hat — jedes Recht, sich zu vertei­di­gen», beton­te eine Spreche­rin des Natio­na­len Sicher­heits­rats. Russland sei verant­wort­lich, weil es massen­haft Raketen insbe­son­de­re auf die zivile Infra­struk­tur der Ukrai­ne abgeschos­sen habe. Ähnlich argumen­tier­te auch Bundes­au­ßen­mi­nis­te­rin Annale­na Baerbock. «Diese Menschen wären nicht ums Leben gekom­men, würde es diesen bruta­len russi­schen Angriffs­krieg nicht geben», sagte Baerbock nach ihrer Ankunft bei der Weltkli­ma­kon­fe­renz in Ägypten.

US-General­stabs­chef konnte russi­schen Gegen­part nicht erreichen

US-General­stabs­chef Mark Milley versuch­te nach dem Raketen­ein­schlag in Polen vergeb­lich, Kontakt zu seinem russi­schen Amtskol­le­gen Waleri Geras­si­mow aufzu­neh­men. Alle Anstren­gun­gen seiner Mitar­bei­ter, den General­stabs­chef zu errei­chen, seien erfolg­los geblie­ben, sagte Milley in Washing­ton. Er habe aber mehrfach mit dem ukrai­ni­schen Armee­chef Walerij Saluschnyj und anderen europäi­schen Generä­len sprechen können.

Ukrai­ne verlän­gert Kriegs­recht um weite­re 90 Tage

In der Ukrai­ne wurden unter­des­sen das Kriegs­recht und die Mobil­ma­chung der Armee vom Parla­ment um weite­re 90 Tage verlän­gert. Damit gelten die beiden Maßnah­men vorerst bis zum 19. Febru­ar 2023, berich­te­ten örtli­che Medien. Die Dauer des Kriegs­zu­stands sehen viele Exper­ten als einen Indika­tor dafür, für wie lange sich Kiew derzeit mindes­tens noch auf Kämpfe einstellt.

Das wird am Donners­tag wichtig

Mehr als acht Jahre nach dem Abschuss des Passa­gier­flu­ges MH17 mit 298 Toten wird ein Straf­ge­richt in den Nieder­lan­den am Donners­tag sein Urteil gegen vier mutmaß­li­che Täter verkün­den. Die Angeklag­ten — drei Russen und ein Ukrai­ner — waren hochran­gi­ge prorus­si­sche Separa­tis­ten in der Ostukrai­ne und sollen nach Darstel­lung der Ankla­ge die Rakete besorgt haben, mit der die Maschi­ne abgeschos­sen wurde.