KIEW/MOSKAU (dpa) — Die Kämpfe in der Ukrai­ne konzen­trie­ren sich jetzt auf den Osten. Derweil leiden Millio­nen Menschen im ganzen Land unter den Strom­aus­fäl­len infol­ge der russi­schen Raketen­an­grif­fe. Die News im Überblick.

Die schwe­ren Kämpfe zwischen russi­schen und ukrai­ni­schen Truppen im ostukrai­ni­schen Gebiet Donezk dauern nach Angaben von Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj an. Es gebe «weder eine Entspan­nung noch eine Atempau­se», sagte Selen­skyj gestern Abend in seiner tägli­chen Video­an­spra­che. Etwa 100 russi­sche Angrif­fe seien am Vortag in der Region Donezk abgewehrt worden.

Die ukrai­ni­schen Truppen würden durch Grenz­schutz­ein­hei­ten aus Charkiw und Sumy unter­stützt. Eine Briga­de der Natio­nal­gar­de kämpfe in Bachmut. «Wir werden dem Feind in keinem der Front­ge­bie­te nachge­ben», sagte Selen­skyj. «Wir reagie­ren überall, wir halten unsere Positio­nen überall.»

Russlands Armee hatte Donezk in größe­ren Teilen erobert und im Septem­ber — ebenso wie das Nachbar­ge­biet Luhansk sowie Saporischschja und Cherson im Süden — völker­rechts­wid­rig annek­tiert. Die Gebiets­haupt­stadt Cherson und das Gebiet nordwest­lich des Flusses Dnipro räumte die russi­sche Armee unter dem Druck ukrai­ni­scher Gegen­of­fen­si­ven inzwi­schen. Auch aus Saporischschja melde­ten die Behör­den spät gestern Abend einen russi­schen Raketen­an­griff auf einen Industriekomplex.

Trotz der hefti­gen Gefech­te im Kohle- und Stahl­re­vier Donbass verän­dert sich der Front­ver­lauf derzeit kaum, wie aus den militä­ri­schen Lagebe­rich­ten beider Seiten hervor­ging. In den fast neun Monaten seit dem russi­schen Einmarsch am 24. Febru­ar haben die russi­schen Kräfte dort nur gerin­ge Gelän­de­ge­win­ne erzielt. Einige der durch den Abzug aus Cherson frei gewor­de­nen Kräfte verleg­te Russland nach ukrai­ni­schen Angaben in die Ostukrai­ne, um dort die Angrif­fe zu verstärken.

Selen­skyj fordert weite­re Sanktio­nen gegen Russland

Angesichts der massi­ven russi­schen Angrif­fe forder­te der ukrai­ni­sche Staats­chef neue Sanktio­nen des Westens. «Wir brauchen ein neues europäi­sches Sankti­ons­pa­ket», sagte er in einer weite­ren Video­bot­schaft für die irische Univer­si­täts­ge­mein­schaft. Die russi­sche Aggres­si­on höre ebenso wie die russi­schen Lügen keinen Tag auf. «Deshalb sollte der inter­na­tio­na­le Druck auf Russland nicht einen einzi­gen Tag lang nachlassen.»

Selen­skyj warf Moskau vor, gegen die auch von Russland mitge­tra­ge­ne Abschluss­erklä­rung des G20-Gipfels auf der indone­si­schen Insel Bali in zahlrei­chen Punkten zu versto­ßen. So werde in der Erklä­rung die Bedeu­tung des inter­na­tio­na­len Rechts und eines multi­la­te­ra­len Systems als Garant von Frieden und Stabi­li­tät betont. Russland aber fahre fort, die inter­na­tio­na­len Bezie­hun­gen zu zerstö­ren und gebe gleich­zei­tig vor, gemein­sam mit allen anderen gegen diese Desta­bi­li­sie­rung zu kämpfen. Moskau mobili­sie­re alle Ressour­cen, um der «größte Terror­staat der Geschich­te» zu werden, sagte Selenskyj.

Ukrai­ni­sches Strom­netz wird repariert

Nach den massi­ven russi­schen Angrif­fen auf die ukrai­ni­schen Energie- und Elektri­zi­täts­sys­te­me versu­chen nach Worten Selen­skys Techni­ker im ganzen Land, die Strom­ver­sor­gung wieder­her­zu­stel­len. Aus diesem Grund sei die Zahl der außer­plan­mä­ßi­gen Strom­ab­schal­tun­gen bereits wesent­lich gerin­ger gewor­den. In 17 Regio­nen und der Haupt­stadt Kiew sei die Strom­ver­sor­gung aber nach wie vor schwie­rig. Unter anderem seien die Regio­nen Kiew, Odessa, Winnyz­ja und Terno­pil in einer «sehr schwie­ri­gen Lage».

Die russi­schen Raketen­an­grif­fe beschä­dig­ten das ukrai­ni­sche Strom­netz anschei­nend stärker als bisher bekannt. «Beina­he die Hälfte unseres Energie­sys­tems ist ausge­fal­len», sagte Regie­rungs­chef Denys Schmyhal auf einer Presse­kon­fe­renz mit dem EU-Vizekom­mis­si­ons­prä­si­dent Valdis Dombrovskis. Die Ukrai­ne benöti­ge daher zusätz­li­che Unter­stüt­zung von der Europäi­schen Union im Energie­be­reich und auch finan­zi­ell. Der Netzbe­trei­ber Ukren­er­ho teilte mit, dass es auch am Samstag landes­weit zu planmä­ßi­gen Strom­ab­schal­tun­gen kommen werde.

Ukrai­ne will mit Nato gemein­sam Waffen produzieren

Der staat­li­che ukrai­ni­sche Rüstungs­kon­zern Ukroboron­prom will gemein­sam mit mindes­tens sechs Nato-Mitglied­staa­ten schwe­re Waffen und militä­ri­sche Ausrüs­tung produ­zie­ren. Mit Polen, Frank­reich, Dänemark, Tsche­chi­en und einigen anderen Staaten seien Abkom­men geschlos­sen worden, teilte der Konzern mit.

Es würden gemein­sa­me Rüstungs­un­ter­neh­men gegrün­det und Produk­ti­ons­li­ni­en für Muniti­on gebaut. Außer­dem sollen dem ukrai­ni­schen Konzern zufol­ge gemein­sam Panzer­fahr­zeu­ge und Mehrfach­ra­ke­ten produ­ziert und neue High-Tech-Waffen entwi­ckelt werden.

30 Prozent des ukrai­ni­schen Terri­to­ri­ums vermint

Rund 30 Prozent des Terri­to­ri­ums der Ukrai­ne sind infol­ge des russi­schen Angriffs­krie­ges nach Kiewer Angaben vermint. Das entspre­che etwa der doppel­ten Größe Öster­reichs, teilte der Staat­li­che Notfall­dienst mit. In den Regio­nen Cherson und Mykola­jiw werde die Räumung von Spreng­kör­pern fortge­setzt. Mehr als 8000 Quadrat­ki­lo­me­ter sollen entmint werden.

Ex-Botschaf­ter Melnyk jetzt ukrai­ni­scher Vize-Außenminister

Der frühe­re ukrai­ni­sche Botschaf­ter in Deutsch­land, Andrij Melnyk, ist zum Vizeau­ßen­mi­nis­ter seines Landes ernannt worden. Die Regie­rung habe diese Entschei­dung gestern getrof­fen, sagte Melnyk der Deutschen Presse-Agentur. Sein genau­er Aufga­ben­be­reich stehe aber noch nicht fest.

Melnyk hatte sich mit für einen Diplo­ma­ten ungewöhn­lich schar­fer Kritik an der Bundes­re­gie­rung einen Namen gemacht. Melnyks Nachfol­ger auf dem Botschaf­ter­pos­ten in Berlin ist Oleksii Makeiev.

Das wird heute wichtig

In Polen wird eines der beiden Opfer des Raketen­ein­schlags am Samstag mit einem Staats­be­gräb­nis beigesetzt. Im polni­schen Dorf Przewo­dow sechs Kilome­ter nahe der Grenze zur Ukrai­ne war am Diens­tag eine Rakete eingeschlagen.

Zurzeit geht der Westen davon aus, dass es eine ukrai­ni­sche Flugab­wehr­ra­ke­te war, die zur Vertei­di­gung gegen russi­sche Angrif­fe einge­setzt wurde.