KIEW (dpa) — Die Ukrai­ne wird immer wieder von russi­schen Raketen­an­grif­fen erschüt­tert. Zudem gibt es schwe­re Kämpfe im Osten des Landes. Die Lage am AKW Saporischschja berei­tet Sorgen. Die Entwick­lun­gen im Überblick.

Seit Kriegs­be­ginn im Febru­ar hat Russland die Ukrai­ne nach deren Angaben mit knapp 4700 Raketen beschos­sen und große Teile des Landes in Trümmer gelegt. «Hunder­te unserer Städte sind praktisch nieder­ge­brannt, tausen­de Menschen wurden getötet, Hundert­tau­sen­de wurden nach Russland depor­tiert», sagte Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj. Sowohl der Staats­chef als auch der General­stab in Kiew berich­te­ten zudem, dass es weiter­hin schwe­re Kämpfe vor allem im Donbass-Gebiet im Osten des Landes gebe.

Allein am vergan­ge­nen Diens­tag habe Russland knapp 100 Raketen auf die Ukrai­ne abgefeu­ert. «Hundert verschie­de­ne Raketen gegen unsere Städte, gegen Wohnge­bäu­de, gegen Unter­neh­men, gegen Kraft­wer­ke», sagte Selen­skyj in einer Video­bot­schaft an die inter­na­tio­na­le Organi­sa­ti­on der Franko­pho­nie — ein Zusam­men­schluss franzö­sisch­spra­chi­ger Staaten, deren Vertre­ter sich im tunesi­schen Djerba trafen. Als Folge dieser Angrif­fe seien über 20 Millio­nen Menschen zeitwei­se ohne Strom­ver­sor­gung gewesen.

«Millio­nen Menschen haben die Ukrai­ne verlas­sen, um in anderen Ländern Schutz vor dem Krieg zu suchen», sagte Selen­skyj. Er bat die Mitglieds­staa­ten der Franko­pho­nie um Hilfe. «Die Ukrai­ne will wirklich Frieden. Aber um den Frieden wieder­her­zu­stel­len, brauchen wir Unter­stüt­zung.» Eine Rückkehr zum Frieden sei möglich, «wenn jeder auf der Welt versteht, dass niemand auf der Welt einen einzi­gen Tag des Terrors verdient».

Weiter erbit­ter­te Gefech­te im Donbass

Die erbit­ter­ten Gefech­te im Donbass im Osten der Ukrai­ne dauern nach den Worten Selen­sky­js weiter an. Vor allem das Gebiet um Donezk sei schwer umkämpft, sagte er am Sonntag­abend in seiner tägli­chen Video­an­spra­che. «Obwohl es wegen der Verschlech­te­rung des Wetters weniger Angrif­fe gibt, bleibt die Zahl der russi­schen Artil­le­rie­über­fäl­le leider hoch.» Auch der General­stab in Kiew hatte zuvor von fortge­setz­ten Zusam­men­stö­ßen an verschie­de­nen Front­ab­schnit­ten im Osten des Landes berich­tet. Bei Luhansk seien mehre­re russi­sche Vorstö­ße abgewehrt worden, hieß es. Die Angaben ließen sich nicht unabhän­gig überprüfen.

Das Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um in Kiew wider­sprach unter­des­sen Speku­la­tio­nen westli­cher Medien und Militär­ver­tre­ter, wonach im Winter an den Fronten eine Kampf­pau­se eintre­ten könnte. «Wer über eine mögli­che “Pause der Feind­se­lig­kei­ten” wegen der Minus­tem­pe­ra­tu­ren im Winter spricht, hat vermut­lich noch nie im Januar ein Sonnen­bad an der Südküs­te der Krim genom­men», erklär­te die Behör­de über Twitter.

Kiew: Russen bauen Stellun­gen aus und stehlen Fahrräder

Nach ihrem Rückzug auf das Ostufer des Flusses Dnipro bei Cherson in der Südukrai­ne bauen russi­sche Solda­ten dort nach Angaben aus Kiew neue Abwehr­stel­lun­gen aus. Gleich­zei­tig seien sie etwa im Bezirk Kachow­ka vermehrt dazu überge­gan­gen, Fortbe­we­gungs­mit­tel der Zivil­be­völ­ke­rung zu stehlen, teilte der ukrai­ni­sche General­stab in Kiew am Sonntag mit. «Sie stehlen der Bevöl­ke­rung ihre Privat­au­tos, Motor­rä­der und sogar Fahrrä­der», hieß es in der Mitteilung.

IAEA-Team will AKW Saporischschja auf Schäden untersuchen

Ein Team der Inter­na­tio­na­len Atomener­gie-Agentur IAEA will am Montag das ukrai­ni­sche Atomkraft­werk Saporischschja auf mögli­che Schäden unter­su­chen und das Ausmaß der Explo­sio­nen vom Wochen­en­de dokumen­tie­ren. Das von russi­schen Truppen besetz­te größte Atomkraft­werk Europas war am Samstag und Sonntag von Dutzen­den Granat­ein­schlä­gen erschüt­tert worden. Auch in den Monaten davor war das AKW mehrfach unter Beschuss geraten. Die Ukrai­ne und Russland geben sich gegen­sei­tig die Schuld dafür.

Deutsch­land bietet Polen Unter­stüt­zung an

Bundes­ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­rin Chris­ti­ne Lambrecht (SPD) will Polen nach dem Raketen­ein­schlag im Grenz­ge­biet zur Ukrai­ne mit dem Patri­ot-Abwehr­sys­tem helfen. «Wir haben Polen angebo­ten, bei der Absiche­rung des Luftraums zu unter­stüt­zen — mit unseren Eurofigh­tern und mit Patri­ot-Luftver­tei­di­gungs­sys­te­men. Mit denen sind wir ja auch schon in der Slowa­kei — die Präsenz dort wollen wir bis Ende 2023 verlän­gern, eventu­ell sogar noch darüber hinaus», sagte Lambrecht der «Rheini­schen Post» und dem «General-Anzei­ger».

In dem polni­schen Dorf Przewo­dow, nur sechs Kilome­ter von der Grenze zur Ukrai­ne entfernt, war am Diens­tag eine Rakete einge­schla­gen. Zwei Zivilis­ten starben. Westli­che Regie­run­gen gehen davon aus, dass es eine verirr­te ukrai­ni­sche Flugab­wehr­ra­ke­te war, die zur Vertei­di­gung gegen Angrif­fe des russi­schen Militärs einge­setzt wurde.

Das wird am Montag wichtig

Für die Republik Moldau, ein wichti­ges Zielland von Kriegs­flücht­lin­gen aus der benach­bar­ten Ukrai­ne, wird am Montag in Paris eine inter­na­tio­na­le Geber­kon­fe­renz organi­siert. Dabei geht es um weite­re Hilfs­zu­sa­gen für die ehema­li­ge Sowjet­re­pu­blik. An dem Treffen betei­ligt sind Bundes­au­ßen­mi­nis­te­rin Annale­na Baerbock (Grüne), ihre franzö­si­sche Kolle­gin Cathe­ri­ne Colon­na sowie Rumäni­ens Außen­mi­nis­ter Bogdan Aures­cu und der moldaui­sche Ressort­chef Nicu Popescu.

Moldau wurde im Juni mit der Ukrai­ne zum EU-Beitritts­kan­di­da­ten erklärt. In das Land mit seinen 2,6 Millio­nen Einwoh­nern kamen zu Beginn des russi­schen Angriffs auf die Ukrai­ne Hundert­tau­sen­de Flücht­lin­ge. Davon sind 90.000 weiter im Land, deshalb hofft der zwischen Rumäni­en und der Ukrai­ne liegen­de Staat auf Unter­stüt­zung. Eine erste Geber­kon­fe­renz gab es im April in Berlin und eine zweite im Juli in Bukarest, bei der 600 Millio­nen Euro an Hilfs­mit­teln zusammenkamen.