KIEW (dpa) — Im Donbass wird weiter heftig gekämpft. Russlands Armee greift ihre Ziele an, ukrai­ni­sche Truppen versu­chen andern­orts Rückerobe­run­gen. Und die Strom­ver­sor­gung bleibt ein Problem. Der Überblick.

Das durch russi­sche Raketen­tref­fer schwer beschä­dig­te Strom­netz der Ukrai­ne dürfte auf Monate hinaus äußerst störan­fäl­lig bleiben. Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj sagte, das Land habe am Montag nicht nur mit geplan­ten Abschal­tun­gen, sondern auch mit plötz­li­chen Strom­aus­fäl­len zu kämpfen gehabt. Der Verbrauch überstei­ge die Strom­pro­duk­ti­on, alle müssten Energie sparen. Der Strom­ver­sor­ger Yasno teilte mit, die Ukrai­ner müssten wohl mindes­tens bis Ende März mit Ausfäl­len oder Abschal­tun­gen rechnen.

Während das ukrai­ni­sche Militär aus dem Kohle- und Stahl­re­vier Donbass im Osten des angegrif­fe­nen Landes weiter hefti­ge Gefech­te melde­te, gab die Inter­na­tio­na­le Atomener­gie­be­hör­de (IAEA) eine Teilentwar­nung: Das von russi­schen Solda­ten besetz­te Atomkraft­werk Saporischschja sei trotz des inten­si­ven Beschus­ses am Wochen­en­de weitge­hend intakt.

Erinne­rung an Protest auf Maidan vor neun Jahren

Selen­skyj erinner­te in seiner Video­an­spra­che an den Beginn der proeu­ro­päi­schen Demons­tra­tio­nen auf dem Unabhän­gig­keits­platz der Haupt­stadt Kiew, dem Maidan, vor neun Jahren am 21. Novem­ber 2013. Der Protest führte im Febru­ar 2014 zum Sturz der Russland freund­lich gesinn­ten Regie­rung. Moskau nutzte aber die Schwä­che­pha­se der Ukrai­ne, um die Halbin­sel Krim zu annek­tie­ren und wenig später auch den Krieg in der Ostukrai­ne zu beginnen.

Freiheit und Würde des ukrai­ni­schen Volkes seien mehr als tausend Jahre alt, sagte Selen­skyj. Das Volk habe viele Bedro­hun­gen seiner Freiheit und Existenz überstan­den. «Und jetzt haben wir eine histo­ri­sche Chance, die ukrai­ni­sche Freiheit ein für alle Mal zu schüt­zen», sagte er mit Blick auf den erhoff­ten Sieg über die russi­schen Angreifer.

Selen­s­ki­yj fordert Lands­leu­te zum Strom­spa­ren auf

Wegen des Strom­man­gels im ukrai­ni­schen Netz wandte Selen­skyj sich an die regio­na­len und kommu­na­len Verwal­tun­gen: Sie sollten die Bürger weiter zum Strom­spa­ren anhal­ten. Auch im öffent­li­chen Raum müsse Strom gespart werden. «Heute Abend ist die Lage in Kiew und Umgebung sowie in Winnyz­ja, Sumy, Terno­pil, Tscher­kas­sy, Odessa und einigen anderen Städten und Bezir­ken beson­ders schwie­rig», sagte Selenskyj.

«Der System­scha­den, der unserem Energie­sek­tor durch die Anschlä­ge der russi­schen Terro­ris­ten entsteht, ist so groß, dass alle unsere Bürger und Unter­neh­men sehr sparsam sein und den Verbrauch über die Stunden des Tages vertei­len sollten», sagte er. Russland zerstört mit Raketen­an­grif­fen seit Mitte Oktober gezielt und völker­rechts­wid­rig das Energie­sys­tem der Ukrai­ne. Nach Aussa­ge von Kreml­spre­cher Dmitri Peskow soll die Regie­rung des Nachbar­lands so an den Verhand­lungs­tisch gezwun­gen werden.

Die Strom­tech­ni­ker versuch­ten ihr Möglichs­tes, die Schäden am Netz zu reparie­ren, bevor es noch winter­li­cher werde, schrieb der Chef des Strom­ver­sor­gers Yasno, Serhij Kowalen­ko, auf Facebook. «Auch wenn es jetzt weniger Ausfäl­le gibt, möchte ich, dass jeder versteht: Wahrschein­lich werden die Ukrai­ner mindes­tens bis Ende März mit Ausfäl­len leben müssen», schrieb er. Der Netzbe­trei­ber Ukrener­go kündig­te für Diens­tag planmä­ßi­ge Abschal­tun­gen im ganzen Land an.

Hefti­ge Gefech­te im Donbass

Zu den Kämpfen im Donbass teilte der ukrai­ni­sche General­stab mit, Russland konzen­trie­re seine Angrif­fe auf die Städte Awdijiw­ka und Bachmut im Gebiet Donezk. An anderen Orten sprach der General­stab von einer «aktiven Vertei­di­gung» der russi­schen Truppen — dort greifen also offen­bar die Ukrai­ner an. Genannt wurden die Orte Kupjansk und Lyman sowie Nowopaw­liw­ka und die Front im Gebiet Saporischschja. Die russi­schen Truppen wehrten sich mit Panzern, Mörsern, Rohr- und Raketen­ar­til­le­rie, hieß es.

Dem offizi­el­len Bericht zufol­ge verstärk­ten die russi­schen Truppen in der Südukrai­ne ihre Vertei­di­gungs­li­ni­en auf dem südli­chen Ufer des Flusses Dnipro. Nach inoffi­zi­el­len Angaben nimmt die ukrai­ni­sche Artil­le­rie diesen Raum in Richtung Krim mit ihren weittra­gen­den Geschüt­zen unter Feuer. Russi­sche Militär­blog­ger berich­te­ten von einem erfolg­rei­chen russi­schen Vorstoß auf den Ort Marjin­ka bei Donezk. Die ukrai­ni­sche Stadt Wowtschansk im Gebiet Charkiw wurde am Montag­abend von den Geschos­sen russi­scher Mehrfach­ra­ke­ten­wer­fer getrof­fen, wie örtli­che Behör­den berichteten.

IAEA: Atombrenn­stof­fe in Saporischschja lagern sicher

Unmit­tel­ba­re Beden­ken wegen der nuklea­ren Sicher­heit des AKW Saporischschja gebe es nicht, sagte der General­di­rek­tor der Inter­na­tio­na­len Atomener­gie­be­hör­de (IAEA), Rafael Grossi. Vier IAEA-Exper­ten hätten das größte europäi­sche Atomkraft­werk überprüft. Der Status der sechs Reaktor­ein­hei­ten sei stabil. Die Unver­sehrt­heit des abgebrann­ten Brenn­stoffs, des frischen Brenn­stoffs und des schwach‑, mittel- und hochra­dio­ak­ti­ven Abfalls in ihren Lagern sei bestä­tigt worden.

Dennoch hätten die Exper­ten vieler­orts Schäden auf dem Gelän­de festge­stellt. «Dies ist ein großer Anlass zur Sorge, da es die schie­re Inten­si­tät der Angrif­fe auf eines der größten Atomkraft­wer­ke der Welt deutlich macht», sagte Grossi. Das AKW war am Samstag und Sonntag von Dutzen­den Granat­ein­schlä­gen erschüt­tert worden. Auch in den Monaten davor war die Anlage unter Beschuss geraten. Die Ukrai­ne und Russland geben sich gegen­sei­tig die Schuld dafür.

Das wird am Diens­tag wichtig

Das russi­sche Parla­ment, die Staats­du­ma in Moskau, will am Diens­tag die Erschie­ßung russi­scher Solda­ten bei der Gefan­gen­nah­me durch ukrai­ni­sche Solda­ten verur­tei­len. Parla­men­te anderer Länder sollen aufge­for­dert werden, sich anzuschlie­ßen. Der durch ein Video beleg­te Vorfall soll sich Mitte Novem­ber ereig­net haben, als die Ukrai­ne den Ort Makijiw­ka im Gebiet Luhansk im Osten des Landes zurück­er­ober­te. Ukrai­ni­schen Angaben zufol­ge soll ein Russe, statt sich zu ergeben, das Feuer eröff­net haben. Die Ukrai­ner hätten deshalb in Notwehr auf bereits am Boden liegen­de Russen erschos­sen. Das UN-Menschen­rechts­bü­ro hat eine Unter­su­chung angekündigt.